Hoffnung für Abmahnopfer

Ein Gutachten, ein Verdacht auf Abgabe falscher eidesstattlicher Versicherungen und eine Sammelklage gefährden bislang einträgliche Geschäftsmodelle

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Im August letzten Jahres schaffte es eine trotz modifizierten (und nach ihren Angaben uploaduntauglichen) eMule-Client abgemahnte Filesharing-Nutzerin unter anderem durch Spenden von Heise-Lesern, den Vorschuss für ein Gutachten aufzubringen, mit dem vor Gericht geklärt werden soll, ob die Software des Dienstleisters Media Protector in der Lage ist, Immaterialgüterrechtsverletzungen nachweisen zu können. 14 Monate später sickern Ergebnisse dieses Gutachtens durch und es sieht so aus, als ob es nicht nur der Prozessführerin, sondern auch anderen Abgemahnten nützen könnte.

So soll in der Expertenanalyse angeblich stehen, dass die von Media Protector eingesetzte Software "Filewatch" in der untersuchten Version das Anbieten einer Datei zum Download von einem bestimmten Internetanschluss aus nur dann feststellen kann, wenn der Inhaber dieses Internetanschlusses der einzige Anbieter dieser Datei ist. Gibt es mehrere Dateien, dann ist aus den Filewatch-Protokolldateien nicht ersichtlich, von wem konkret der Download stammt. Weil gerade häufig abgemahnte Werke aber kaum je von nur einem, sondern meist von einer Vielzahl von Nutzern angeboten werden, wären per Filewatch ermittelte Daten bloße Indizien, mit denen höchstens Verdächtige ermittelt, aber keine Beweise erbracht werden können.

Sollten sich die Informationen als zutreffend erweisen, müsste eine unter Inanspruchnahme von Media Protector abmahnende Kanzlei möglicherweise auf die Behauptung eines "gewerblichen Ausmaßes" einer Immaterialgüterrechtsverletzung verzichten, weil dann bei neueren Medien zwar unter Umständen noch ein rechtswidriger Download, aber kein ungenehmigtes Verbreiten einer Datei mehr nachweisbar wäre. Bereits Abgemahnte befänden sich rechtlich in einer weitaus besseren Situation und könnten der Kanzlei deutlich selbstbewusster gegenübertreten. Und je nachdem, mit welchen konkreten Behauptungen die Rechtsanwälte die zu den IP-Nummern gehörigen Namen und Adressen von Gerichten anforderten, könnte dort möglicherweise ein Glaubwürdigkeitsproblem oder Unangenehmeres auf sie zukommen.

Aus dem Beweisbeschluss des Gerichts

Der Fall, für den das Gutachten erstellt wurde, ist nicht der einzige, in dem im Abmahngeschäft tätigen Akteuren derzeit Probleme drohen: Die Staatsanwaltschaft Köln prüft derzeit einen Vorgang, bei dem das für eine Regensburger Kanzlei tätige Unternehmen BHIP reliable Netservices in mindestens 22 Fällen falsche eidesstattliche Versicherungen über die Übereinstimmung von Datentransfer-Hashwerten mit den Werken "Outlander" und "Cursed Mountain" abgegeben haben soll. Aufgrund dieser eidesstattlichen Versicherungen hatte das Landgericht Köln der abmahnenden Kanzlei Namen und Adressen von Personen übermittelt, die ganz andere Dateien getauscht hatten. Laut Lawblogger Udo Vetter muss der auch als Wand-Tattoo-Händler tätige Geschäftsführer der Firma ohne Webauftritt nun mit der Möglichkeit eines Strafbefehls rechnen, weil die falschen eidesstattlichen Versicherungen vor einem Gericht abgegeben wurden, wodurch zumindest die formalen Voraussetzungen für eine Strafbarkeit erfüllt sind.

Gegen DigiProtect, ein weiteres im Abmahngeschäft tätiges Unternehmen, wird währenddessen eine Schadensersatzklage vorbereitet, in der die vom Rechtsanwalt Sven Hezel geführte Bremer Firma metaclaims Sammelklagen Finanzierungsgesellschaft mbH bislang über 10.000 Euro an Rückzahlungen für zwölf wegen angeblichen Pornofilmtauschs Abgemahnte geltend machen will.

Hezel ist der Auffassung, dass die Abmahnungen nicht über DigiProtect, sondern nur von den Filmproduzenten selbst durchgeführt hätten werden dürfen, weshalb sie mit einem Rechtsmangel behaftet seien. Davon ist der Fachanwalt so überzeugt, dass seine GmbH das Kostenrisiko vollständig übernimmt, wenn ihm die Kläger dafür im Erfolgsfall die Hälfte der ihnen zustehenden Schadensersatzsumme abtreten. Über ein auf Abmahnwahn-Dreipage.de erhältliches Teilnahmeformular können sich noch weitere Personen an dem Vorhaben beteiligen, die von DigiProtect abgemahnt wurden und darauf hin deren Rechnung oder einen eigenen Anwalt bezahlt haben.

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