Terrorwarnung: Alles höchst verdächtig!

De Maizière warnt vor Anschlag im Stil von Mumbai, viel Konkretes scheint es nicht zu geben, in Namibia handelte es sich um eine Bombenattrappe, vermutlich von einem Geheimdienst

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In der ZDF-Sendung "Was, nun...?" berichtete der Bundesinnenminister Thomas de Maizière gestern Abend, er habe es sich mit seiner doch dramatischen Terrorwarnung nicht leicht gemacht, um deren Wirkung er wohl wusste, zumal damit eine massive Verstärkung der Sicherheitsvorkehrungen und der Polizeipräsenz einhergeht.

Dass die Bürger durch diese Reaktion in Angst versetzt werden, da sie meinen müssen, es würde mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Anschlag stattfinden, dürfte er - gemeinsam mit seinen Innenministerkollegen, mit denen wohl der Auftritt am Mittwoch unmittelbar vor dem Innenministertreffen abgesprochen hat - auch gewusst - oder vielleicht gewollt haben? Deswegen wird von ihm auch unermüdlich wiederholt, dass die Menschen unbeeindruckt ihr Leben wie bislang weiterführen sollen und "wir soviel Normalität wie möglich brauchen". Man könne überall hingehen. Gelassene Wachsamkeit verschreibt der Innenminister den Menschen, nicht Ängstlichkeit. War die dramatische Ankündigung also wirklich notwendig? De Maizière selbst wirkt zerrissen und unbeholfen, versucht die Angst zu dämpfen und die Forderung nach neuen Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen abzuwehren.

Obgleich er in seiner ersten Mitteilung und dann auch zusammen in einer Erklärung der Innenminister erklärte, dass man schon des längeren aufgrund der vorhandenen Bedrohung Terrormaßnahmen ausgearbeitet habe, die nun nur umgesetzt würden, soll gleichzeitig der Eindruck erweckt werden, dass die einen Tag nach der Warnung beginnende Innenministerkonferenz damit nichts zu tun habe. Es hätten sich vielmehr, so Maizière, nach den aus Jemen versendeten Paketbomben - nicht zu verwechseln mit denen aus Griechenland, die von anarchistischen Akteuren stammten - neue Erkenntnisse ergeben.

Von einem ausländischen Geheimdienst und durch eigene Erkentnisse sei nun die Bedrohung "konkret" geworden: es seien Zeitpunkt, Deutschland als Ziel und Begehungsweise genannt worden. Nur deswegen sei er am Mittwoch an die Öffentlichkeit getreten - die ZDF-Journalisten haben leider versäumt hier nachzuhaken, warum es nicht auch am Dienstag oder am Freitag oder gar nächste Woche auch gegangen wäre.

Ausgerechnet am Tag der Terrorwarnung hatte man, wie zur Bestätigung, ein verdächtiges Frachtstück auf dem Flughafen von Windhuk in Namibia gefunden. Es sollte in ein Flugzeug von LTU/Air Berlin verladen werden, dessen Ziel München war - aber selbst ob das stimmt, ist weiterhin unbekannt. Beim Durchleuchten und vor dem Verladen hatte man Batterien entdeckt, die durch Kabel mit einem Zünder und einer Uhr verbunden waren. Nicht nur hat also die Überprüfung in Namibia funktioniert, es handelte sich auch um eine Attrappe, wie sich herausstellte. Sprengstoff war keiner enthalten. Wie der ZDF-Terrorismusexperte Elmar Theveßen sagte, handelt es sich wohl um einen Dummy, der von Regierungen und auch Sicherheitsbehörden benutzt wird, um Testläufe zu machen. Hatte der ausländische Geheimdienst womöglich so seine "Erkenntnisse" über die Bedrohung von Deutschland verstärken wollen? De Maizière wollte sich dazu verständlicherweise nicht näher äußern. Möglicherweise wurde er nicht nur mit der Bombenattrappe hereingelegt.

Obwohl der Bundesinnenminister zuvor noch davon sprach, dass man konkret Begehungsweise und Zeitpunkt kenne, zieht er bei der Beantwortung der nächsten Frage, ob wir nun unmittelbar gefährdet seien, gleich wieder zurück. Ziele kenne man nicht, ob der 22. November ein Anschlagsdatum sei, wollte er nicht bestätigen, fügte aber hinzu, dass es immer viele Hinweise gebe und dass er nicht ohne Grund am Mittwoch die Terrorwarnung gegeben habe. Es könnte sich also durchaus um das übliche Geraune handeln.

Der Zeitraum bis Ende November werde aber ernst genommen, es wäre fahrlässig, dies nicht zu tun. Was seine Innenministerkollegen an möglichen Anschlagszielen - München, Berlin, Ruhrgebiet, Frankfurt - genannt haben, seien "reine Mutmaßungen", man müsse also nicht aufs Land ziehen. Ungewöhnlich ist nun, dass nur die deutsche Regierung in den Warnzustand übergangen ist, während man in den anderen Ländern davon nichts spürt. Dort scheint man mit anderem beschäftigt zu sein, obgleich die Paketbomben aus dem Jemen nach Großbritannien und in die USA gingen. Und vermutet wird, dass der genannte ausländische Geheimdienst ein US-amerikanischer ist.

Zur Begehungsweise meinte er, dass man sich vor allem darauf einrichte, dass Terroristen von außen ins Land kämen und "ohne Vorwarnung in einem Gebäude oder in einem sichtbaren Platz einen Anschlag begehen, wissend, dass sie im Zweifelsfall dies nicht überleben werden". So ähnlich wie in Mumbai, sagte er, es könne sich aber auch um einen fanatisierten Einzeltäter handeln, festlegen will er sich da nicht. Dass sich das Mumbai-Szenario in Deutschland wiederholen könnte, würde er aufgrund der sichtbaren und unsichtbaren Sicherheitsmaßnahmen ausschließen.

Die Rede vom Sichtbaren und Unsichtbaren, also von offenen und verdeckten Maßnahmen, scheint eine große Rolle zu spielen, so oft, wie sie von ihm und seinen Kollegen eingesetzt wird. Man soll keinen Gerüchten auf den Leim gehen, sagt der Bundesinnenminister, aber streut mit den unsichtbaren Vorkehrungen, die nicht näher genannt werden, eben solche Nebelbomben, die nur die Fantasie anregen können - oder sollen. Ganz ausschließen kann er auch nicht, dass es sich um das übliche Geschnatter handelt, das die Geheimdienste nur weitergeben, die so auch um ihre Existenz, zumindest um ihre Bedeutung und um ihr Budget kämpfen. Es soll niemand Privatdetektiv spielen, meint de Mazière, sagt aber dann doch so vage wie seine Kollegen auch, dass man der Polizei melden solle, sofern einem etwas Verdächtiges auffalle. Ganz gelassen selbstverändlich - und ganz normal.