Der Taliban-Kommandeur, der keiner war

Die afghanische Regierung glaubte mit Unterstützung der Nato mit dem zweitwichtigsten Taliban Friedensgespräche zu führen, verhandelte wurde mit einem Betrüger

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Offenbar kennen sich auch der afghanische Präsident Karsai und seine Regierungsangehörigen ebenso wenig die Isaf-Truppen und westlichen Geheimdienste in Afghanistan aus, zumindest scheinen sie keinen Zugang zur Welt der Taliban zu haben. Sonst wäre es nicht vorstellbar, dass afghanische Regierungsangehörige und Nato-Mitarbeiter einen Mann in letzter Zeit mindestens zwei Mal mit einem britischen Militärflugzeug von der pakistanischen Stadt Quetta nach Kabul gebracht haben, um dort mit Karsai und anderen über den Friedensprozess zu sprechen. Auf unterer Ebene wurde angeblich schon seit Monaten geheim verhandelt.

Während die afghanische Regierung und die Nato-Vertreter gedacht hatten, dass sie mit Akthar Mohammad Mansour, dem zweitwichtigsten Taliban-Chef nach Mullah Omar, verhandeln, soll dieser nur ein Besitzer eines kleines Geschäfts sein. Das haben nun zwei hohe Vertreter der afghanischen Regierung gesagt, wie die Washington Post berichtet. Die New York Times zitiert einen westlichen Diplomaten, der dies ebenso bestätigt wie US-amerikanische Regierungsangehörige, die auch der Überzeugung sind, dass der Betrüger gar nichts mit den Taliban zu tun habe. Noch letzten Monat hatte ein Vertreter des Weißen Hauses die New York Times gebeten, wie diese berichtet, den Namen Mansour nicht in einem Artikel über Friedensgespräche zu erwähnen, um diese sowie Mansour selbst nicht zu gefährden. Offenbar wurden Fotos von dem Mann herumgereicht und auch in Haft befindlichen Taliban-Mitgliedern gezeigt, wodurch der Schwindel aufflog, weil den Mann niemand kannte.

Es ist eine peinliche Posse, zumal die Isaf-Staaten die Zeichen auf Abzug gestellt haben und sowohl die Isaf als auch die wackelige afghanische Regierung auf Friedensverhandlungen mit den Taliban angewiesen sind, um zumindest vorübergehend für ein wenig Stabilität zu sorgen. Während man Gespräche mit den Taliban in der Nato lange offiziell ablehnte, gab es immer wieder Versuche, Kontakte mit der Taliban-Führung aufzunehmen, auch wenn etwa Mullah Omar Verhandlungen deutlich zurückwies (Mullah Omar setzt weiter auf Zermürbungskrieg) und darauf warten will, bis die westlichen Truppen abziehen. Im September hatte er einen baldigen Sieg angekündigt. Für die Karsai-Regierung wäre eine Verständigung mit den Taliban oder wichtigen Teilen eine Überlebensgarantie, unter dem politischen Druck zum Abziehen der Truppen setzt auch das Pentagon auf Gespräche und sah erste Hoffnungen, die sich nun zerschlagen haben.

Noch dazu hat die Politik mit dem Verteilen von viel Geld, die besonders die Amerikaner pflegen, hier offenkundig dafür gesorgt, dass Betrüger auf der Bühne mitspielen können. Viele der angeblichen Taliban-Kämpfer, die ihre Waffen niederlegen, sind auch gar keine Taliban, sondern wollen nur das Geld oder die Präsente mitnehmen. Dem Mann aus Pakistan wurde angeblich auch viel Geld für seine Bemühungen gegeben, da man davon ausgeht, dass jeder käuflich ist. Jetzt wird wild spekuliert, wer der Mann wirklich ist. Wollte er sich nur persönlich bereichern? Dann hätte er aber ganz schön geschickt sein und gute Beziehungen haben müssen. War er vielleicht doch ein Taliban-Spion? Hat jemand aus der afghanischen Regierung seine Hand im Spiel gehabt? Oder wurde er gar vom pakistanischen Geheimdienst ISI eingeschleust, dem man alles zutraut. Und natürlich sagen nun alle, dass sie stets unsicher über die Identität des Mannes waren.