Fliegen soll schöner werden

Passagiere fordern kinderfreie Flüge

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Erst tobte die Debatte nur in Facebook, Foren und Blogs, nun erreicht sie via New York Times auch europäische Medien: Flugreisende fühlen sich von Kindern belästigt, die von ihren Eltern nicht ausreichend ruhiggestellt werden.

So forderte beispielsweise eine 67-jührige Frau nach einem Flug von New York nach Australien Schadensersatz von der Firma Quantas, weil sie durch einen dauerbrüllenden Dreijährigen einen Hörschaden erlitten habe. Im Juli einigte sich die Dame mit der Fluggesellschaft auf einen Vergleich, über dessen Inhalt beide Parteien Stillschweigen vereinbarten. Vier Monate vorher erregte der Fall einer 42-Jährigen Aufsehen, die einen fremden Dreijährigen disziplinierte, der mit den Füßen gegen den Sitz trat. Ein weiteres dreijähriges Kind erwies sich im Januar in einem AirTran-Flugzeug als so sitzunwillig und gleichzeitig handgreiflich, dass es die Crew mitsamt seinen Eltern aus der Maschine wies.

Der Amerikaner Ian Burford gründete nach einem Erlebnis mit einem störenden Kind und untätigen Eltern die Facebook-Gruppe Airlines Should Have Kid-Free Flights!. Er wäre bereit, einen höheren Preis für kinderfreie Flüge zu bezahlen. Mit seiner Forderung steht Burford durchaus nicht alleine da: Das Preisvergleichs-Portal Skyscanner ermittelte in einer Umfrage, an der 2000 Reisende teilnahmen, dass 17 Prozent der Passagiere ohne Nachwuchs die Einführung kinderfreier Flüge befürworten. Dafür, dass Fluglinien besondere Bereiche für Eltern mit kleinen Kindern einrichten, ist in dieser Gruppe sogar eine Mehrheit von 54 Prozent und auch ein Drittel der befragten Eltern begrüßt diese Idee.

Allerdings zeigen die Fluggesellschaften bisher kein Interesse an solchen Angeboten: Während die Lufthansa Anfragen zu diesem Thema einfach ignoriert, teilt der amerikanische Branchenverband Air Transport Association mit, dass seine Mitglieder diese aus Rentabilitätsgründen nicht einführen werden. Die Hoffnungen der lärmgestörten Fluggäste in den USA richten sich deshalb auf eine Gesetzesinitiative des demokratischen Abgeordneten Heath Shuler, der abgetrennte Familienbereiche nicht aus Lärmschutzgründen einführen will, sondern, damit Kinder auf Reisen keine Erwachsenenfilme zu sehen bekommen.

Eventuell sorgt auch der immer schlechter werdende Ruf der Flugsicherheitsbehörde TSA als Hort von Unholden und Kinderschändern dafür, dass Fluggäste weniger Kinder mitnehmen und sich das Problem so entschärft: Maßgeblich zu diesem Ruf der TSA bei trug die Praxis des "enhanced patdown", die die Flugsicherung offenbar auch bei 3-jährigen Mädchen einsetzte.

Germanwings A319. Foto: Mulag. Lizenz: CC-BY-SA.

Eine andere Konsequenz aus der Unbill, die Kinder auf Flügen verursachen, wäre der Verzicht auf Flüge. Bei Urlaubsreisen ist dies ganz einfach dadurch möglich, dass Freizeitinhaber ihre Erholung stressfreier zuhause oder ortsnah suchen. Ein beträchtlicher Teil der Geschäftsreisen resultiert dagegen aus geistiger Unbeweglichkeit von Bürokratien, die - so paradox es klingt - physische Beweglichkeit erzwingt. Sehr viele Tagungen, "Meetings", Besprechungen, Sitzungen, et cetera ließen sich relativ problemlos auch mit Konferenzsoftware durchführen. Allerdings wurde der Spardruck in Unternehmen bisher eher in andere Bereiche kanalisiert, als in Kostenreduzierung beim Hin- und Herbewegen von Mitarbeitern. Das hängt möglicherweise damit zusammen, dass Geschäftsreisen trotz aller Unbequemlichkeiten als etwas gelten, das nur bedingt als "Arbeit" wahrgenommen wird.

Ein Flugverzicht ist nicht zuletzt deshalb eine Option, weil Fluggäste auch vom Kinderlärm abgesehen nicht unbedingt wie Könige behandelt werden: So mahnte man etwa einen British-Airways-Kunden unlängst kostenpflichtig ab, weil er bei seinen Beschwerden eine teure 0180-Nummer umging, und das Landgericht Köln kam in einem (allerdings noch nicht rechtskräftigen) Urteil zu dem Schluss, dass die Erstattungsformulare der Lufthansa-Tochter Germanwings so unverhältnismäßig umfangreich und kompliziert gestaltet wurden, dass sie Kunden in rechtswidriger Weise von der Geltendmachung ihrer Rückerstattungsansprüche abhalten.

Darauf, dass dies möglicherweise kein Einzelfall sein könnte, weist eine von der Bundestagsfraktion der Grünen bei der Firma EUClaim in Auftrag gegebene Studie hin, nach der nur ein kleiner Bruchteil der entschädigungsberechtigten Fluggäste tatsächlich Forderungen anmeldet. Der Untersuchung zufolge hatten alleine zwischen Februar und Dezember 2009 auf deutschen Flughäfen 1816 Maschinen mehr als drei Stunden Verspätung und weitere 5298 ließ man ganz ausfallen.

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