Innocence in Danger und deren ungewohntes Schweigen

Dann hast du gespendet - und weißt nicht wofür, Teil 2

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"Innocence in Danger" (IiD) ist nicht erst seit dem umstrittenen Format "Tatort Internet" bekannt, jedoch hat das Format deren Bekanntheit erheblich gefördert. Hierzu trug auch die konzertierte Medienkampagne bei.

Der Verein ist dabei eine nicht zu unterschätzende Größe im Bereich "Kinderschutz", da er über exzellente Beziehungen zu Politik und Medien verfügt und zudem bereits erfolgreich z.B. mit Handybetreibern wie Motorola kooperiert. So wurde die kostenpflichtige Nina-Beratungshotline (14-42 Cent pro Minute) für Erwachsene von Motorola bereits in die vorprogrammierte Telefonliste der Handys der Firma aufgenommen, wie es im Jahresbericht 2009 heißt.

Der Jahresbericht, den die Geschäftsführerin von IiD, Julia von Weiler, als Antwort auf die Kritik an der mangelnden Transparenz des Vereines anführt, ist ein Musterbeispiel dafür, wie ein Jahresbericht wenig außer Eigenwerbung beinhalten kann. Er berichtet sehr umfangreich in fast an die Boulevardpresse erinnernder Manier von Benefizveranstaltungen von Kooperationspartnern. Auf 8 Seiten wird erwähnt, inwiefern IiD im vergangenen Jahr z.B. durch Anrufe bei der vorgenannten Beratungshotline profitieren konnte (Insgesamt wurde die N.I.N.A. Nummer im Jahr 2009 von Hilfe suchenden Müttern, Vätern, und anderen Bezugspersonen von Mädchen und Jungen 5143-mal angewählt):

Am 5. März 2009 dann veranstaltete unser treuer und langjähriger Kooperationspartner "Motorola" gemeinsam mit dem "Epson Kunstbetrieb" in Düsseldorf eine Benefizauktion der besonderen Art [...] Ca. 150 Gäste tauchten gemeinsam mit uns und den Teilnehmern der Kunstwoche in die wundervolle Atmosphäre dieses einzigartigen Projektes ein und waren begeistert. Ein großartiger Abend mit einem großartigen Ergebnis! [...] Unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, gab der international renommierte Dirigent, Enoch zu Guttenberg, Verdis "Messa da Requiem." Das Requiem, so Enoch zu Guttenberg, verbinde Hoffnungslosigkeit und Zuversicht, Zynismus und Hinwendung, Zorn und Liebe . Anschließend an das bewegende Konzert bat Hardenberg-Concept zu einem Emp-fang im Grand Hotel Hyatt. Ein Abend voller berührender Momente im Angesicht der großen Unterstützung, die Innocence in Danger e.V. erfahren durfte.

Ablenkungsmanöver

Fast nebenbei gibt der Jahresbericht ein paar Zahlen an, so z.B. 32.000 Euro, die durch den "Spendentalk" bei "Talk im Bock" zustande kamen. Eine Auflistung aller Spenden, sowie eine Darstellung der Ausgaben des Vereines fehlen. Die Antworten auf die vom DZI geäußerte Kritik an der mangelnden Transparenz des Vereines stellen Scheingefechte dar bzw. Ablenkungsmanöver. So weist Frau von Weiler darauf hin, dass jedes Jahr dem Finanzamt alle Zahlen vorgelegt werden würden, was aber hinsichtlich der Mittelverwendung keinerlei Belang hat. Auch die Tatsache, dass ein Jahresbericht vorhanden ist, der die geförderten und durchgeführten Projekte wiedergibt, geht an der Frage, wofür welche Mittel aufgewandt werden, konsequent vorbei. Gleiches gilt für die Anmerkung Julia von Weilers, dass die Beantragung des Prüfsiegels zu aufwendig und kostspielig wäre:

Für kleine Vereine wie ,Innocence in Danger' ist das kommerzielle DZI-Siegel eine sehr aufwendige und kostspielige Sache. Wir verwenden unsere Spenden lieber in den Kinderschutzprojekten. Diese helfen den Kindern, das Siegel nicht.

Selbst wenn man die Gelder berücksichtigt, die nun dank Stephanie von und zu Guttenbergs Auftritt bei "Wer wird Millionär" an IiD gehen, halten sich die Kosten in Grenzen. Für die erstmalige Beantragung werden 1.000 Euro fällig, danach sind jährlich 500 Euro sowie 0,035% des Sammlungsergebnisses im Bezugsjahr zu entrichten. Für Kleinvereine wird lediglich der Grundbetrag in Rechnung gestellt (sowie ggf. die Erstantragsgebühr). Selbst wenn keine weiteren Gelder eingegangen wären (was laut Jahresbericht nicht der Fall ist), entstünden lediglich Kosten in Höhe von 1.675 Euro.1 Man sollte annehmen, dass es z.B. Frau von und zu Guttenberg oder anderen begüterten Vertretern wert wäre, dieses Geld zu zahlen, um die Seriösität von IiD zu unterstreichen.

Andererseits, so betont es auch Burkhard Wilke vom DZI, ist es möglich, eine erforderliche Transparenz ganz ohne das Spendensiegel zu erreichen, indem man die aussagekräftigen Zahlen und Daten online verfügbar macht. Transparency International hat mit der Initiative Transparente Zivilgesellschaft eine Liste mit 10 Punkten veröffentlicht, die zu besserer Transparenz führen. Diese Transparenz ist auch ohne große Aufwendungen in finanzieller und personaltechnischer Hinsicht möglich.

Sieht man sich den Pressespiegel an, der lediglich die positiven Meldungen berücksichtigt, dann ist durchaus vorstellbar, dass das Schweigen in Bezug auf Ausgaben und Einnahmen taktisch motiviert ist. IiD enthält zum einen Förderungen seitens der EU über das Enacso-Netzwerk, zum anderen ist zu erwarten, dass auch die begüterten Mitglieder wie Stephanie von Guttenberg spenden und insofern das Aufkommen nicht gering ausfällt. Auch wäre interessant, zu wissen, inwiefern eine Zusammenarbeit zwischen der Contentindustrie und dem Enacso-Netzwerk bzw. dessen Mitgliedern stattfindet, denn gerade die Contentindustrie ist an den Forderungen von Enacso, die unter anderem die Netzsperren beinhaltetn, nicht uninteressiert. Forderungen, die auch während "Tatort Internet" immer wieder erhoben wurden - wie beispielsweise die nach der Vorratsdatenspeicherung.

Schulterschluss mit der Rechteverwerterindustrie?

Seitens der Contentindustrie wäre es durchaus taktisch sinnvoll, diejenigen zu unterstützen, die für "Netzsperren gegen Kinderpornographie" eintreten da sich eine einmal eingerichtete Sperrinfrastruktur dann für die eigenen Zwecke nutzen ließe. Eine Taktik, die von Johann Schlüter von der dänischen "Anti Piracy Group" unverblümt mitgeteilt wurde:

Kinderpornografie ist großartig. Sie ist großartig, weil Politiker Kinderpornografie verstehen. Indem wir diese Karte ausspielen, können wir sie zum Handeln und zum Blockieren von Websites bringen. Und wenn sie das erst einmal gemacht haben, dann können wir sie dazu bringen, Filesharing-Sites zu blockieren.

Bedenkt man, dass mit Julia von Weiler und Georg Ehrmann bereits zwei eindeutige Verfechter von Netzsperren im Bundesjugendkuratorium sitzen, dass über die Frau des Verteidigungsministers, die von diversen Medien recht eindeutig schon als zukünftige "First Lady" gehandelt wird, sowohl private wie auch geschäftliche Beziehungen zur Politik direkt bestehen, dass auch die Bild als massentaugliches Sprachrohr für IiD eingebunden wird und nicht zuletzt der Verein über internationale Verbindungen wie auch umfangreiche Geldmittel verfügt, dann wäre der Schulterschluss mit der Contentindustrie geeignet, um die Lobbyarbeit für eine Sperr- und Kontrollstruktur in Bezug auf das Internet zu vertiefen und die noch vorhandene Freiheit in Bezug auf Informationswiedergabe und -empfang weiter zu beschränken.

Das alles sollte schon bedacht werden bevor man zur Geldbörse greift um vermeintlich Kindern zu helfen, die sexueller Gewalt ausgesetzt sind, denn bei IiD bestehen diese Probleme vornehmlich erst dank des Internet und wird zudem auch noch sehr weit definiert:

Die große Mehrheit will glauben, sexuelle Gewalt an Kindern findet immer nur woanders statt doch leider sieht die Realität anders aus: 80-90% aller Fälle finden im sozialen Umfeld des Kindes statt. Wir müssen begreifen, dass für Kinder und Jugendliche der Chatroom oder das soziale Netzwerk längst zu ihrem sozialen Umfeld gehört. Hier haben Täter und Täterinnen direkten Zugriff auf das Kind. Verschiedenen Studien zufolge wird jedes vierte Mädchen und jeder siebte bis neunte Junge bis zum 18. Lebensjahr Opfer eines sexuellen Übergriffs. Das reicht vom Exhibitionisten bis hin zum schweren sexuellen Missbrauch.

"Innocence in Danger" hat in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, der Verein würde nun presserechtlich gegen die "Medienkampagne" vorgehen und "Strafanzeige gegen den Journalisten sowie die verantwortlichen Redakteure des DuMont-Verlagshauses wegen verleumderischer Aussagen" stellen.

Auf eine Anfrage von Telepolis hin, welche Teile der Berichterstattung auf Grund welcher strafrechtlichen Bestimmungen angegangen werden, kam lediglich die Auskunft, dass man "eine Strafanzeige wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung Gestellt" habe. Dabei gehe es "um es um die Aussagen in der Berichterstattung, die ausschließlich darauf abzielen, dass Spendengelder nicht ordnungsgemäß verwendet wurden".

Sowohl bei der Berliner Zeitung als auch der Frankfurter Rundschau lagen gestern weder eine Mitteilung über die erfolgte Strafanzeige seitens des Vereins noch eine presserechtliche Abmahnung vor. Matthias Thieme, einer der Autoren des Artikels in der Frankfurter Rundschau:

Die Pressemitteilung des Vereines haben wir zur Kenntnis genommen, weiteres liegt uns derzeit nicht vor. Wir sehen der Angelegenheit mit großer Gelassenheit entgegen.

Für "Innocence in Danger" wäre es ein leichtes gewesen, das jährliche Spendenaufkommen zu beziffern oder Informationen über Personal-, Verwaltungs- und Reisekosten oder über die Notwendigkeit von 2 Büros in Köln und Berlin bei 2,5 Vollzeitmitarbeitern herauszugeben. Stattdessen entschied man sich scheinbar für einen direkten Angriff auf die Kritiker, der, so ist zu vermuten, lediglich der Einschüchterung dient.

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