"Körperscanner sind sinnlose Geldverschwendung"

Die Sicherheitsbehörden verlassen sich weltweit so sehr auf technische Hilfsmittel und standardisierte Suchprozeduren, dass sie vergessen "den Leuten ins Gesicht zu sehen"

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In den USA scheint gerade eine Art von Volksaufstand gegen die immer schärferen Kontrollen an den Flughäfen auszubrechen. Der richtet sich zwar vor allem gegen das intensive Abtasten der Intimzonen, das von den Kontrollorganen durchgeführt wird, sollte der Durchmarsch durch einen Körperscanner verweigert werden. So lag der Ausgangspunkt der "Passagier-Revolte" offenbar beim Widerstand eines Passagiers, der einem Wachmann mit einer Anzeige drohte, sollte dieser sein Ding berühren und das gefilmt und ins Netz gestellt hatte, wobei sich inzwischen aber Hinweise häufen, dass dies gar nicht zufällig erfolgt ist, sondern eine geplante Aktion war. Doch wurden die absurden Durchsuchungen mittlerweile gut dokumentiert und online wie hier veröffentlicht.

Gleichzeitig werden aber auch die Stimmen der Experten lauter, die die in den USA und zunehmend weltweit üblichen Prozeduren generell in Frage stellen. So gab jüngst Rafi Sela, der frühere Sicherheitschef des Flughafens von Tel Aviv, der heute als Transportsicherheitsberater arbeitet, in einem kanadischen Parlamentsausschuss seine Verständnislosigkeit gegenüber den üblichen Sicherheitsmassnahmen zu Protokoll: "Ich verstehe nicht, warum jetzt jeder diese teuren und sinnlosen Maschinen kauft. Ich könnte jedenfalls mit ausreichend Sprengstoff unerkannt durch diesen Scanner marschieren um eine Boeing 747 herunter zu holen".

Zwar verweigerte der frühere Chef der Israel Airport Authority mit 30 Jahren Erfahrung im Sicherheitsgeschäft genauere Hinweise, wie er das bewerkstelligen würde, doch sei diese "Zufallssuche" jedenfalls nicht geeignet, die Bedrohung zu verringern.

Nach seiner Erfahrung sei es wesentlich besser ein System zu etablieren, das "vertrauenswürdige Passagiere" vorweg identifiziert, die dann in einem beschleunigten Verfahren an Board gehen könnten. Dadurch könnten die Ressourcen in den Überprüfungsbereichen auf jene konzentriert werden, die tatsächlich ein Risiko böten und dann auch samt Gepäck ernsthaft mit automatisierter Technologie, die alle Sprengstoffe aufspüren kann, durchsucht werden könnten.

Statt Gepäck wird das Verhalten untersucht

Die weltweit üblichen Zufallsstichproben wären hingegen wie "Russisches Roulett", weshalb in Israel voll auf "behavioural profiling" gesetzt werde, bei dem nicht das Gepäck, sondern das Verhalten der Passagiere auf Auffälligkeiten untersucht wird.

In Israel, das terroristischen Bedrohungen wohl schon länger und stärker als jedes andere Land ausgesetzt ist, werde dafür etwa ein sechsstufiges Prozedere angewandt, das erstaunlich rasch und effizient arbeite. Die Kontrollen beginnen dabei schon bei der Anfahrt, wo den Passagieren zwei harmlose Fragen gestellt werden, nämlich wie es ihnen gehe und woher sie kommen. Die Beamten beachten dann aber nicht die konkreten Antworten, sondern wie sich die Passagiere verhalten, während sie diese geben, ob die potentiellen Passagiere also nervös sind oder andere Anzeichen für Stress zeigen.

Sobald die Passagiere Auto oder Zubringerbus verlassen haben, kommen die beiden nächsten informellen Kontrollpunkte. So halten am Ben Gurion Flughafen noch [motherjones.com/kevin-drum/2010/11/israelification vor dem Flughafen] bewaffnete und speziell trainierte Wachen neuerlich nach auffälligem Verhalten Ausschau, und nochmals während die Passagiere zum Eingangstor hereinkommen. Hier werden auch die ersten verdächtigen Passagiere beiseite genommen und mit einem Magnetometer überprüft.

Sind die Passagiere dann am Terminal, überprüft das gleichfalls auf "behavioural profiling" geschulte Personal am Check-in-Schalter Reisepass und Ticket und stellt eine Reihe von Fragen, etwa wer den Koffer gepackt hat oder ob dieser zeitweise unbeaufsichtigt gelassen wurde, wobei sie den Passagieren stets in die Augen sehen. Das sei für die Passagiere zwar durchaus unangenehm, dauere aber kaum 20 bis 25 Sekunden. Am Check-in wird das Gepäck dann sofort gescannt, woraufhin verdächtige Stücke in eine bombensichere Box komme, um dann vom Entschärfungsdienst in eine bombensichere Zone gebracht und weiter überprüft zu werden. Abschließend erfolgt der einzige Check, der als solcher tatsächlich zu erkennen ist, und Körper und Handgepäck umfasst.

Anders als etwa in den USA gebe es hier aber keine langen Warteschlangen. Denn es werde nicht umständlich nach Flüssigkeiten gesucht und auch die Schuhe müssen nicht ausgezogen werden, sondern es wird wieder vor allem beobachtet, wie sich die Passagiere während der Überprüfung verhalten. Wer diese Prozedur ohne Aufsehen zu erregen durchläuft, gelangt nun ohne weiteres an Board, während die ausgesiebten Verdächtigen sich intensiven Untersuchungen unterziehen müssen.

Natürlich kann nun kritisiert werden, die israelischen Behörden würden oft mehr nach ethnischen als nach psychologischen Gesichtspunkten vorgehen und nicht-jüdische Israelis und Moslems wohl diskriminieren. Angesichts der bestehenden Bedrohungslage gibt das fast völlige Ausbleiben von gelungenen Anschlägen auf israelische Maschinen Sela aber wohl durchaus Recht und bestätigte zudem eine Studie des GAO, eines Kontrollausschusses des US-Kongress, der schon im Frühjahr massive Zweifel an der Sinnhaftigkeit der teuren technischen Kontrollprogramme geäußert hatte.