"Bewusst Unschuldige ins Visier genommen"

Die britische Anwaltsaufsicht hat Disziplinarverfahren gegen drei Teilhaber abmahnender Kanzleien eingeleitet

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Die Londoner Anwaltskanzlei Davenport Lyons versandte unter Rückgriff auf IP-Nummern, die unter anderem das schweizerische Unternehmen Logistep und die deutsche Firma DigiProtect lieferten, massenhaft Schreiben an Briten, in denen diese Urheberrechtsverletzungen beschuldigt und zur Zahlung von meist mehreren Hundert Pfund zuzüglich der "Ermittlungskosten" aufgefordert wurden.

Mit diesem Vorgehen produzierte die Kanzlei Negativschlagzeilen in der britischen Presse. Maßgeblich dazu bei trugen Fälle wie der eines älteren Ehepaares, welches der illegalen Verbreitung eines Atari-Rennspiels bezichtigt wurde. Die beiden Schotten konnten mit Hilfe eines bekannten Verbrauchermagazins glaubhaft darlegen, dass sie noch nie ein Computerspiel angefasst, wohl aber WLAN hatten. Bei anderen abgemahnten Titeln handelte es sich teilweise um deutsche Pornos, die das Potenzial hatten, dass auch zu Unrecht Beschuldigte Geldforderungen zahlen, um Aufsehen und Peinlichkeiten zu vermeiden. Nach den Skandalen übernahm die Firma ACS:Law die Abmahnkunden und verschickte nahezu identische Briefe. Davenport Lyons bestritt jedoch Verbindungen zu dem Unternehmen.

Nun wurde bekannt, dass die Solicitors Regulation Authority (SRA), die britische Rechtsanwaltsaufsicht, gegen zwei Teilhaber von Davenport Lyons, David Gore und Brian Miller, wegen fast 500 Beschwerden Disziplinarverfahren einleitete. Auch gegen Andrew Crossley, dem einzigen registrierten Anwalt bei ACS:Law, läuft ein solches Verfahren. Crossley wurde von der SRA bereits 2002 und 2006 eines dem Anwaltsstande nicht angemessenen Verhaltens für schuldig befunden.

Gore und Miller wird vorgeworfen, dass sie absichtlich Zweifel an der Beweistauglichkeit der von ihnen zur Ermittlung von Adressdaten verwendeten IP-Nummern ignorierten. Dadurch, so die SRA, hätten sie zum Zwecke der Erzielung von Einnahmen "bewusst Unschuldige ins Visier genommen". Die Kanzlei Davenport Lyons verweigert gegenüber der Presse bislang Kommentare zu diesen Anschuldigungen und verweist darauf, dass es sich um ein laufendes Verfahren handelt.

Unter den von Davenport Lyons massenhaft abgemahnten Werktiteln befand sich auch ein Spiel namens The Witcher. Es stammt von der polnischen Firma CD Projekt, die für das Frühjahr einen zweiten Teil namens "Assassins of the Kings" angekündigt hat und damit wirbt, dass das Produkt - anderes als die meisten anderen aktuellen Spiele - nicht mit DRM-Nutzungseinschränkungen versehen werden soll. Was in Foren bejubelt wurde, könnte sich, so vermutet das Portal TorrentFreak, als "Honigfalle" herausstellen.

CD-Projekt-Mitbegründer Marcin Iwinski gab nämlich auf Eurogamer letzte Woche offen zu, dass seine Firma Verträge mit Rechtsanwaltskanzleien und technischen Dienstleistern geschlossen hat, um "Piraterie" zu bekämpfen. Deshalb, so Iwinski, müssten Personen, die das Spiel aus Tauschbörsen beziehen, in mehreren größeren Ländern mit finanziellen Forderungen rechnen.

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