Ein neues Monopol mit irreführendem Namen

Die "Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht" (IGEL) will über eine Gefahr aufklären, die den deutschsprachigen Teil des Internets stärker gefährden könnte als der JMStV

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Im Trubel um den Jugendschutz-Medienstaatsvertrag (JMStV) ist eine andere massive Bedrohung des deutschsprachigen Teils des Internets etwas in den Aufmerksamkeitshintergrund geraten: Das "Leistungsschutzrecht", mit dem Presseverlage Verbotsrechte beanspruchen wollen, die weit über das Urheberrecht hinausgehen und zu deren Hauptopfern vor allem Blogger gehören könnten.

Aus diesem Grund plant der Jurist Till Kreutzer die "Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht", kurz "IGEL". Am 13. Dezember soll in diesem Rahmen eine Website online gehen, welche die "wichtigsten Wegmarken" aus der Debatte sammelt und denjenigen, die sich über die Hintergründe und Auswirkungen solch eines neuen Monopolrechts beschäftigen wollen, in aufgearbeiteter Form zur Verfügung stellt.

Das Portal soll dem erklärten Willen der Initiative nach den Mangel ausgleichen helfen, dass in der Presse - deren Eigner ja die finanziellen Nutznießer des neuen Monopolrechts sein werden - praktisch nicht kritisch über das Vorhaben berichtet wird. Neben Stellungnahmen von Verbänden, Unternehmen, Journalisten und potenziell Betroffenen findet sich darauf auch ein "Factsheet", das zusammenfasst, warum ein Leistungsschutzrecht voraussichtlich unangemessen negative Auswirkungen haben wird.

Ihren Anfang nahm die Debatte um ein neues Monopolrecht, als einige Verleger im Wahlkampf 2009 behaupteten, das Internet würde nicht nur ihre Geschäftsmodelle, sondern auch den sogenannten "Qualitätsjournalismus" gefährden. Nun lässt sich durchaus trefflich streiten, inwieweit die deutschen "Qualitätsmedien" ein Monopol darauf haben - fallen sie doch immer wieder reihenweise auf Kampagnen wie jener von den 20.000 verhungernden Pferden in Irland herein. Die Korrektur erfolgt meistens nicht durch andere Zeitungen oder gar durch das Fernsehen, sondern durch Internet-Medien wie das Bildblog, weshalb man mit mindestens ebenso großer Berechtigung behaupten kann, dass das Internet den Journalismus erst eine gewisse Qualität verleiht.

Mit dem Axel-Springer-Verlag führt zudem ein Unternehmen die Kampagne an, das nicht nur insgesamt, sondern auch mit seinen Internet-Auftritten viel Profit erwirtschaftet. Als Beweis für die Behauptungen werden jedoch andere Verlage vorgeschoben, deren Probleme bei genauerer Betrachtung allerdings eher hausgemacht erscheinen.

Solch komplexe Überlegungen interessieren Politiker aber vor allem dann nicht, wenn eine Wahl ansteht und zumindest Teile der Presseverlage über das Drohpotenzial verfügen, mittels Kampagnen zu bestimmen, wer sie gewinnt und wer sie verliert. So wunderte es wenig, dass Union und SPD unisono erklärten, wie berechtigt die Forderungen der Presseverlage doch seien und dass man sie selbstverständlich erfüllen wolle. Die Arbeit an der Einlösung dieses Versprechens geht jetzt angeblich in die "entscheidende Phase".

Wer die von den Verlagen geforderten zusätzlichen Milliarden zahlen darf, noch nicht mit Sicherheit fest - aber es gibt deutliche Hinweise, auf wen es hinauslaufen wird.

Eher unrealistisch erscheint, dass dieses neue Leistungsschutzrecht eine zeitweise ins Spiel gebrachte Gebührenpflicht von Unternehmen und Freiberufler mit sich bringen wird. Von Lesegebühren nahmen mittlerweile auch die Presseverlage Abstand und andere gewerbliche Nutzungen sind bereits jetzt zustimmungspflichtig, so dass hier kaum Einnahmen in nennenswerter Höhe entstehen dürften. Zudem haben bereits 22 Wirtschaftsverbände unter Führung des BDI Protest dagegen eingelegt, dass man sich das Geld bei ihren Mitgliedern holt. Hans-Joachim Otto, ein parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, deutete während der Zeitschriftentage an, wie ein "Abwägen" der FDP und der Regierung zwischen den Interessen des BDI und dem der Presseverlage verlaufen könne.

Es wird also wahrscheinlich eher Diejenigen treffen, die keine Lobby haben und sich nicht wehren können: Privatleute - und unter ihnen vor allem Foren-Nutzer und Blogger. Sie können in Zukunft möglicherweise bereits dann abgemahnt und mit Forderungen bedacht werden, wenn sie - bewusst oder unbewusst - Formulierungen übernehmen, die denen aus Zeitungsartikeln ähneln. Mit dem "Snippet-Recht", das so etwas erlauben würde, argumentieren die Verleger zwar gegen eine wirtschaftliche Übermacht von Google - treffen dürfte es aber in der Praxis aber Andere. Den kaum ein Verlag wird das Risiko eingehen, dass Google Artikel von ihm aus seinen Übersichten herausnimmt - was unzweifelhaft geschehen dürfte, wenn er anfängt, Geld dafür zu fordern.

Verdi-Chef Frank Bsirske. Foto: Wolfgang Meinhart, Hamburg. Lizenz: CC-BY-SA.

Dass der Trickle-Down-Effekt, mit dem die Verlage Angestellte und freie Mitarbeiter zur Befürwortung des neuen Monopolrechts locken, nur in Ausnahmefällen funktioniert, wurde seit den 1980er Jahren in einer Vielzahl volkswirtschaftlicher Studien ausführlich belegt. Um so bemerkenswerter ist, dass die sonst gerne gegen "Neoliberalismus" polemisierende Gewerkschaft Verdi mit einem geradezu kindlichen Glauben an diesem Trickle-Down-Effekt den Verlagen bei ihrer Forderung zur Seite sprang und sogar noch einen draufsetzte: In einem Positionspapier forderte sie die Totalüberwachung des Internets zum Zwecke des Ausfindigmachens von Immaterialgüterrechtsverstößen.

Diese Position des Bundesvorstands kam nicht bei allen Mitgliedern gut an. Schließlich schwante auch manchem Verdi-Beitragszahler, dass er von den neuen Profiten der Verlage kaum etwas abbekommen, dafür aber in seinem Schaffen erheblich eingeschränkt und Abmahn- wie Gebührengefahren ausgesetzt sein würde. Allerdings unterdrückte die Funktionärselite den Schilderungen eines ausgestiegenen Mitglieds nach konsequent interne Diskussionen über das Thema.

Die Forderung der Gewerkschaft Verdi nach einer Totalüberwachung des Internets zum Schutz von Monopolrechten läuft letztlich auf die gleiche Konsequenz heraus, wie diejenige der Befürworter des Jugendschutzmedienschutz-Staatsvertrages, die - wie etwa der Regierungsrat Stephan Ott vom Zentrum Bayern Familie und Soziales - offen zugeben, dass sie den JMStV nur als "Schritt in die richtige Richtung" sehen. Weil aber zensierte deutsche Inhalte absehbar ins Ausland abwandern, wird man früher oder später die Aussperrung aller ausländischen Anbieter fordern, die sich nicht an deutsche Vorschriften halten wollen. Technisch möglich wäre solch eine Rückkehr des Volksempfängers mit anderen Mitteln beispielsweise mit einer zur Sperrung von Jugendpornografie errichteten Zensurinfrastruktur.

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