Warum Religion glücklich macht

Anscheinend ist es nicht der Glaube, der religiös aktiven Menschen zu mehr Zufriedenheit im Leben verhilft

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Ganze Regale lassen sich mit einschlägiger Literatur zum Thema Glück füllen. Die Formeln, Strategien oder Verhaltensweisen, die die Ratgeber predigen, sollen dem Leser dauerhaft zu mehr Freude am Leben verhelfen. Wissenschaftlich belegt ist wenig davon - das Glück ist leider ein höchst launischer Geselle. Selbst wer im Lotto gewonnen hat, erlebt meist nur eine vorübergehende Steigerung des subjektiven Glücksempfindens.

Keine Studien muss man allerdings darüber anfertigen, dass sich manche Menschen im Mittel besser fühlen als andere - und es einer Minderheit deutlich schlechter geht als dem Durchschnitt. Zu den Faktoren, von denen man weiß, dass sie das individuelle Glücksempfinden beeinflussen, gehört zum Beispiel die Umgebung. Aus den Daten der Framingham-Herzstudie ließ sich herauslesen, dass Glück ansteckend ist - wer vor allem mit positiv gestimmten Menschen zu tun hat, kann sich dem guten Gefühl auch selbst kaum widersetzen.

Geld hingegen, weiß schon das Sprichwort, macht nicht glücklich - jedenfalls nicht linear. Finanzielle Mittel verschaffen dann mehr Zufriedenheit, wenn sie ein höheres Maß an Autonomie zur Folge haben. Die Möglichkeit, nach eigener Façon selig zu werden, ist dem Menschen viel wert. Ebenso wichtig ist Kompetenz: Das Gefühl, das eigene Leben zu steuern, das, was man tut, in guter Qualität zu absolvieren. Und schließlich liegt uns als sozialen Wesen anscheinend viel an Verbundenheit - die Möglichkeit, anderen Menschen auf verschiedenen Ebenen nahe zu sein.

Die Religion, der Glaube, scheint unter diese Faktoren nur schlecht zu passen. Und doch gibt es viele einschlägige Studien, die religiösen Menschen einen höheren Grad ihres persönlichen Glücksempfindens bescheinigen. Ist es das Vertrauen in einen Gott, der den Glaubenden nicht fallen lassen wird, oder vielleicht doch eher die Verheißung eines Paradieses, das alle irdischen Sorgen hinter sich lässt? Womöglich spielten diese Faktoren in der Geschichte eine größere Rolle als heute.

Denn wie amerikanische Soziologen in einer Studie im American Sociological Review zeigen, kommt die positive Wirkung der Religion aus einer anderen Richtung. Die Forscher haben dazu Daten der „Faith Matters“-Studie ausgewertet, einer repräsentativen Befragung in den USA, die 2006 und 2007 stattfand.

Ein Drittel schätzt sein eigenes Glücksempfinden als „extrem hoch“ ein

Demnach sind es wohl vor allem die sozialen Aspekte der Religiosität, die zu einer höheren Lebenszufriedenheit führen. 33 Prozent der Befragten, die jede Woche zum Gottesdienst gehen und in der Gemeinde zwischen drei und fünf enge Freunde haben, schätzten ihr eigenes Glücksempfinden als „extrem hoch“ ein, also mit einer Zehn auf der Zehnerskala. Von den Gläubigen hingegen, die ebenfalls wöchentlich den Gottesdienst besuchen, jedoch keine Freunde in der Gemeinde nennen können, schätzten sich nur 19 Prozent als derart glücklich ein.

Die Frequenz der Gottesdienstbesuche spielt jedenfalls für die Zufriedenheit keine große Rolle - von den Befragten, die nur ein paarmal pro Jahr in der Kirche erschienen, in ihrer Gemeinde aber ebenfalls drei bis fünf Freunde besitzen, sahen sich immerhin 23 Prozent auf der höchsten Glücksstufe. Wer sich selbst als gläubig einschätzt, aber nie das Gotteshaus aufsucht, sortierte sich ebenfalls nur zu 19 Prozent in der obersten Glücks-Kategorie ein.

Chaeyoon Lim, einer der Wissenschaftler, sieht damit eindeutig gezeigt, dass nicht Gebet oder Predigt zu mehr Glück verhelfen, sondern die darauf folgende Bildung intimer sozialer Netzwerke mit ähnlich denkenden Freunden. Menschen, meint Lim, schätzten das Gefühl des Dazugehörens. Erst die Freunde machten die Gemeinschaft für den Glaubenden erfahrbar und real. Die Studienergebnisse gelten auf jeden Fall für die Zweige der christlichen Kirche. Ähnliche Trends, aber wegen des kleineren Datenmaterials mit geringerer Aussagekraft, fanden die Soziologen auch für Mormonen und Juden. Für die Beurteilung von Moslems und Buddhisten reichte das Datenmaterial nicht.