Alle reden vom Wetter ... und die Bahn verdient daran

Das Verkehrsunternehmen hat eine Möglichkeit gefunden, wie es für seine wegen eingefrorener Weichen stillstehenden S-Bahn-Züge kassieren kann

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In der Reihe Eisenbahn-Romantik zeigte der baden-württembergischen Regionalsender SWR unlängst den 1951 entstandenen Film "Kleiner Mann auf großer Reise". In ihm durfte ein Kind ganz unbürokratisch in der Lokführerkabine eines Güterzuges mitfahren, nachdem es seine Verbindung verpasste.

Die heutige Bahn ist ganz anders: 2008 wurden Kinder ohne Rücksicht auf die Jahreszeit aus dem Zug geworfen, wenn sie das falsche Ticket gelöst hatten und auch in anderen Bereichen gewann man den Eindruck, dass in vergangenen Jahrzehnten nicht alles, aber doch in jedem Fall die Eisenbahn besser war. So nahm sie früher beispielsweise nicht für fragwürdige Prestigegeschwindigkeiten, die nur auf ganz wenigen Strecken erreicht werden, Waggonkonstruktionen in Kauf, die dafür sorgen, dass Passagiere während einer Fahrt im Sommer leiden müssen, wie ein Hund im verriegelten Auto.

Bundesbahn-Werbeslogan aus den 1960er Jahren

Einige der neuen Nachteile rühren daher, dass vor und nach der Teilprivatisierung Anreize falsch gesetzt wurden. Ein wichtiges Element dieses Systems sind die Kostenstellen der einzelnen Betriebsteile, die theoretisch Wettbewerb schaffen sollen, praktisch aber häufig sehr problematische Mechanismen in Gang setzen. Einer davon lässt sich derzeit bei der Berliner S-Bahn beobachten, die aufgrund von Einsparungen bei der Wartung schon seit Jahren keinen normalen Betriebsablauf mehr bieten kann - was bis mindestens 2013 so bleiben soll.

Ganz besonders unangenehm für die Fahrgäste ist die Situation im Winter, wo die S-Bahn-Züge auch in diesem Jahr wieder viel Zeit mit Herumstehen verbringen. Aber nun kamen findige Bahn-Manager auf die Idee, dass man für dieses Herumstehen Geld in Millionenhöhe verlangen könnte. Gezahlt werden muss es von der S-Bahn an den Bereich "Netz", der den Stillstand maßgeblich mitverursacht, weil er massenhaft Weichen einfrieren lässt. Damit kassiert die Bahn für ihre Versäumnisse gleich doppelt, denn vor allem die Dauerkartenkunden werden für die ausgefallenen Züge nicht oder kaum entschädigt.

Bisher, so argumentiert man bei der Bahn, sei diese Abstellgebühr in den "Trassenpreisen" enthalten gewesen und man habe sie lediglich ausgegliedert. Die Trassenpreise sanken jedoch nach der angeblichen Ausgliederung nicht, sondern blieben unverändert hoch. Einem Bericht des Tagesspiegel zufolge soll die Unternehmensführung der Bahn auf die Idee mit dem neuen "Anlagenpreissystem" (APS) gekommen sein, nachdem das Bundesland Berlin bekannt gab, dass es (auch wegen der ausgesprochen unbefriedigenden Leistungen in den letzten Jahren) den S-Bahn-Betrieb neu und europaweit ausschreiben will.

Wer dann den Zuschlag erhält, der muss diese Beträge an die Bahn zahlen, was eine Bewerbung für Konkurrenten entsprechend weniger attraktiv macht. Als eine der wahrscheinlichen Optionen gilt, dass die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) den S-Bahn-Betrieb übernimmt. In diesem Fall würden die Abstellgebühren indirekt dem Steuerzahler aufgebürdet.

Die Bahn verlangt jedoch nicht nur Gebühren für die Nutzung der Gleise, sondern ebenso für die der Bahnhöfe. Auch hier will man künftig angeblich stärker zulangen und den Preis pro S-Bahn-Halt am Bahnhof Friedrichstraße auf mehr als das Sechsfache der bisherigen Gebühr erhöhen. Für die Reinigung der Züge durch eine Bahn-Tochter zahlt der Nahverkehrsteil schon jetzt deutlich mehr als den Marktpreis.

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