Der Euro unter Beschuss (III)

Wenn sich die Eurozone auflösen und Deutschland wieder zur D-Mark zurückkehren würde, könnten sich die europäischen Volkswirtschaften wieder erholen - die deutsche Wirtschaft hätte dann jedoch einen hohen Preis zu zahlen

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Lange Zeit war die Aufforderung, Deutschland solle aus der Eurozone austreten und zur "guten alten D-Mark" zurückkehren, eine Position mit Exotenstatus, die vornehmlich im rechtspopulistischen Umfeld zu hören war. Heute ist diese Forderung unter anderem von den Nobelpreisträgern Joseph Stiglitz und Paul Krugman, sowie vom Entfant terrible der Währungsspekulation, George Soros, zu hören. Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Hatten die Rechtspopulisten letztendlich doch Recht oder haben sich die Paradigmen in den letzten Jahren derart verschoben? Letzteres ist der Fall, die deutsche Exportorientierung hat den Bogen überspannt, tiefe Risse durchziehen die Gemeinschaftswährung und Europa scheint nicht gewillt zu sein, diese Risse politisch zu kitten.

Ausstiegsszenarien

Mittel- bis langfristig wird sich die Eurozone die Frage stellen müssen, ob finanziell solide und wettbewerbsfähige Volkswirtschaften wie Deutschland nicht nur für die Schulden der Peripherie bürgen, sondern letztlich auch mit Steuergeldern und Abschreibungen in den Bilanzen der Banken für Verluste geradestehen. Dabei gibt es gewichtige Gründe gegen ein "weiter so". Einerseits ist es nur schwer vorstellbar, dass der deutsche Wähler es allzu lange akzeptieren wird, dass der Import deutscher Waren im Euro-Ausland mit seinen Steuergeldern finanziert wird. Andererseits ist allerdings auch nur schwer vorstellbar, dass die Bevölkerung der angeschlagenen Euroländer wie Griechenland, Irland oder Portugal sich das Spardiktat von IWF und Eurozone allzu lange gefallen lassen wird.

Ein Staatsbankrott wäre zwar eine Alternative zur dauerhaften künstlichen Beatmung durch das Eurosystem - eine Lösung der Probleme wäre dies jedoch auch nicht, da Staaten, die den Weg des Staatsbankrotts gehen, erfahrungsgemäß sehr lange brauchen, um sich ohne fremde Hilfe und zu akzeptablen Bedingungen wieder an den Kreditmärkten versorgen zu können. Ein Staatsbankrott würde zwar den akuten Refinanzierungsdruck wegnehmen - ohne die Möglichkeit, die eigene Währung abzuwerten, würde sich an den Rahmenbedingungen, die erst die prekäre Lage ausgelöst haben, aber nichts ändern. Auch nach einem Haircut wären Staaten wie Griechenland, Portugal oder Spanien nicht wettbewerbsfähig.

Der Riss innerhalb der Eurozone verläuft zwischen Nord und Süd. Auf der einen Seite gibt es eine Gruppe von Staaten mit einer positiven Leistungsbilanz und einem relativ geringen Haushaltsdefizit, zu der neben Deutschland auch die Niederlande, Finnland und Österreich gehören. Auf der anderen Seite gibt es eine große Gruppe rund um Spanien, Portugal, Griechenland und Irland, die sowohl gigantische Leistungsbilanzdefizite als auch große Haushaltsdefizite aufweisen. Diese Länder werden auch langfristig ohne Transferleistungen nicht auf eine solide volkswirtschaftliche Basis kommen - erst recht dann nicht, wenn die Gruppe um Deutschland nicht ihre Leistungsbilanzüberschüsse abbauen will. Zwischen diesen beiden Gruppen verläuft der Riss und es ist langfristig kaum vorstellbar, dass beide Gruppen in der Gemeinschaftswährung bleiben.

Die Lissabon-Verträge erlauben zwar den freiwilligen Austritt aus der Europäischen Union, einen Austritt nur aus der Währungsunion sehen sie indes nicht vor. Dennoch vertreten die meisten Völkerrechtler die Position, dass man einen Euro-Staat, der freiwillig aus der Gemeinschaftswährung ausscheren will, nicht daran hindern könne. Dies setzt allerdings die Freiwilligkeit voraus. Ein Land gegen dessen Willen aus der Währungsunion auszuschließen, ist indes nicht möglich. Für Staaten wie Griechenland, Portugal oder Spanien wäre ein Austritt aus der Gemeinschaftswährung zwar ein harter Schnitt, der aufgrund der zu erwartenden Abwertung der nationalen Währungen Vermögen und Kaufkraft vernichten würde. Verglichen mit einem dauerhaften Spardiktat aus Brüssel (EU) oder Washington (IWF) ist ein solcher Schnitt jedoch nicht zwingend die schlechteste Lösung.

Übergangslösung Süd-Euro?

Der Süd-Euro - oder "Medi" - würde den südeuropäischen Staaten die Möglichkeit geben, gegenüber dem Dollar und dem Euro stark abzuwerten. Infolge dessen würden sich die Importe aus dem Dollar- und Euro-Ausland verteuern, während die eigenen Exporte sich ebenso wie die Löhne verbilligen würden. Die Süd-Peripherie würde somit konkurrenzfähiger und könnte sich re-industrialisieren. Der Widerstand gegen diesen "Süd-Euro" kommt daher auch weniger aus den betroffenen Ländern, sondern vielmehr aus der Gruppe der Länder, die zwischen den beiden Extremen liegen - Länder wie Frankreich, Italien oder auch Belgien, die lediglich ein geringes Leistungsbilanzdefizit aufweisen und volkswirtschaftlich (noch) relativ gesund sind.

Mit einem Ausscheiden der defizitären Gruppe wären Frankreich, Italien und Belgien plötzlich die Euroländer, die sich mit dem Leistungsbilanzüberschuss der Gruppe um Deutschland messen müssten. Die Folge wäre ein härterer Euro, der die Konkurrenzfähigkeit dieser Staaten nachhaltig schwächen würde. Die Folgen wären absehbar: Frankreich, Italien und Belgien würden mittel- bis langfristig noch mehr Anteile am internationalen Markt an Deutschland abgeben müssen und ihre eigenen Volkswirtschaften auf eine harte Probe stellen. Auch wenn die Defizitsünder an der Peripherie der Eurozone von Politik und Medien immer wieder verurteilt werden, so stellen sie doch implizit einen ausgleichenden Gegenpol innerhalb der Eurozone dar.

Eine Trennung in Nord- und Süd-Euro wäre nur dann eine dauerhafte Lösung, wenn die Nord-Gruppe ausschließlich aus Staaten mit Volkswirtschaften bestehen würde, die mit der deutschen Volkswirtschaft vergleichbar sind - außer den Niederlanden, Finnland und Österreich gibt es da aber keine anderen Kandidaten. Es ist daher auch wahrscheinlicher, dass sich der Euro nicht in zwei Gruppen aufteilen wird, sondern in Nationalwährungen, die über ein flexibles Währungssystem zwar an eine Ankerwährung - sei es der Euro oder die D-Mark - gebunden sind, aber dennoch bei Bedarf auf- und abwerten können.#

Die Rückkehr der D-Mark

Ein denkbares Szenario wäre also eine ultraharte D-Mark, die als Ankerwährung für die ebenfalls harten Währungen der Niederlande, Finnlands und Österreichs fungiert, und eine zweite Währungsgruppe, in der beispielsweise der französische Franc oder ein Korb aus Währungen der Mitgliedsstaaten die Funktion einer Ankerwährung einnehmen könnte. Um akute Finanzierungsprobleme einzelner Staaten abzuwenden, könnten die Krisenmechanismen bestehen bleiben und auch ein Euro-Bond ist nicht davon abhängig, dass alle Staaten eine Gemeinschaftswährung haben. Der Zerfall der Gemeinschaftswährung wäre somit mitnichten das Ende der Europäischen Union oder gar Europas, wie es neuerdings unheilschwanger aus Berlin und Brüssel schallt. Im Gegenteil - jedem Neubeginn wohnt ein Zauber inne. Ein Abschied von der Gemeinschaftswährung birgt zwar Risiken, aber auch Chancen.

Mit dem Ende der Gemeinschaftswährung könnten die nationalen Währungen wieder nach den volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen neu bewertet werden. Die D-Mark würde zweifelsohne ganz kräftig aufgewertet werden. Eine Aufwertung von 25 bis 30% gegenüber den anderen europäischen Währungen wäre ein denkbares Szenario. Was wären die Folgen einer solchen Aufwertung? Importe würden sich für deutsche Kunden verbilligen, während Exporte sich - je nach Anteil der deutschen Wertschöpfung im Endprodukt - für die Endkunden im Ausland verteuern würden. Dies würde zwangsläufig zu einer Erhöhung der Importe und einem leichten Rückgang der Exporte führen. Oder um es auf eine griffige Formel zu bringen: Deutschland könnte endlich die Früchte seiner wirtschaftlichen Stärke genießen. Wie dies aussehen könnte, zeigt beispielsweise unser südlicher Nachbar Schweiz. Auch der Schweizer Franken ist eine harte Währung. Importgüter sind für Schweizer Endkunden relativ günstig, dennoch exportiert auch die Schweiz konkurrenzfähige Güter auf die Weltmärkte.

Doch eine solche "Helvetisierung" Deutschlands muss politisch auch gewollt sein. Und hier sind Zweifel angebracht. Das deutsche Unternehmertum - hier vor allem die Exportbranche - sieht bekanntermaßen bereits in jedem Promille, um das sich die Lohnnebenkosten erhöhen sollen, eine Gefährdung für den Standort Deutschland. Will man dieser Argumentation folgen, wäre ein Austritt aus dem Euro dann wohl der Todesstoß für das deutsche Modell. Überlebensfähig ist ein Modell, das sich auf derart extreme Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen gründet, jedoch ohnehin nicht. Vielleicht war der Euro genau das Kunstgebilde, das dem deutschen Modell noch einmal zehn Jahre Gnadenfrist eingeräumt hat.

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