Geld - Mythos und Macht (II)

Warum der Goldstandard nicht realisierbar ist und die öffentliche Geldschöpfung neu aufgestellt werden sollte

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Der Goldstandard war lange Zeit ein Erfolgsmodell. Bei ihm ist der Wert einer Währungseinheit direkt oder indirekt an den Handelspreis für Gold gekoppelt. Die Zentralbanken sind verpflichtet, die Gegenmenge des ausgegebenen Geldes in Gold vorzuhalten. Da Gold nicht beliebig vermehrbar ist, können goldgedeckte Währungen auch nicht beliebig vermehrt werden. Geld gleich Gold - diese Formel wurde lange Zeit als Zauberformel gegen eine unkontrollierbare Inflation angesehen. Doch wer nun einen Goldstandard als Inflationsversicherung sieht, liegt ebenfalls daneben. Die Geschichte zeigt, dass Staaten den Goldstandard bei jeder sich bietenden Gelegenheit Goldstandard sein lassen und die Forderungen auf die "garantierte" Goldmenge streng genommen das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen. Als die Franzosen beispielsweise 1971 ihre Dollar-Reserven zu Gold machen wollten, lehnte Präsident Nixon kühl lächelnd ab - damit war nicht nur der Goldstandard gestorben, sondern auch gleich das gesamte Bretton-Woods-System der festen Wechselkurse, das implizit auf die Golddeckung des US-Dollars aufbaute.

Bei einem strengen Goldstandard würde paradoxerweise auch nicht die wirtschaftliche Entwicklung, sondern die Fördermenge des Edelmetalls Gold die Geldmenge bestimmen. So hat beispielsweise der legendäre Goldraub der Conquistadores in der "neuen Welt" dazu geführt, dass die "alte Welt" in einem Wirtschaftschaos versank - die Kolonialmacht Spanien musste in einem Jahrhundert ganze dreizehn Staatsbankrotte erklären. Warum eine moderne Volkswirtschaft ein so wichtiges Instrument wie das Geld von bergbaulichen Detailfragen abhängig machen sollte, ist ohnehin nicht ersichtlich. Da könnte man die Geldmenge auch an die Schneemenge, die jeden Winter auf unser Land niederfällt, koppeln - der Zusammenhang erschließt sich nämlich genauso wenig.

Gold ist knapper als Geld

Dass Goldhändler und Goldanleger die Frage des Goldstandards grundsätzlich anders beantworten, liegt auf der Hand. Technisch betrachtet, ist heute eine Rückkehr zum Goldstandard undenkbar. Da die globale Geldmengenvermehrung in den letzten Jahrzehnten aufgrund der Globalisierung und der Privatisierung massiv zugenommen hat, gibt es überhaupt nicht so viel Gold, dass man einer Recheneinheit Geld einen realistischen Goldgegenwert zuweisen könnte. Weltweit gibt es rund 155.000 Tonnen Gold. Dem stehen alleine rund 13,5 Billionen US-Dollar gegenüber - eine Feinunze müsste somit für den schwindelerregenden "Gegenwert" von mehr als 27.000 US$ stehen. Und dies betrifft nur die kursierende Dollarmenge - ein weltweiter Goldstandard würde den Goldpreis wahrscheinlich in die Höhe eines Einfamilienhauses pro Feinunze bringen. Wer da nicht Omas Goldbrosche verscherbelt, ist selber schuld.

Diese Zahlen belegen, dass eine Wiedereinführung des Goldstandards nicht realisierbar ist. Sie wäre auch komplett unsinnig, da Geld je eben nicht für einen Wert an sich, sondern für eine Forderung steht, und die Menge der in Anspruch genommenen Kredite eine reine Recheneinheit ist, der man keinen materiellen Gegenwert zuordnen kann. Schlimmer noch: Ein Goldstandard würde nicht nur den Zentralbanken, sondern auch dem Staat die Hände binden. Wenn ein Staat in Phasen der Depression beispielsweise die Wirtschaft durch kreditfinanzierte Ausgaben ankurbeln will, müsste er sich erst einmal darum kümmern, die Goldreserven zu erhöhen, um frisches Geld in Umlauf zu bringen. Da ein Rechtstaat das Gold freilich nicht "im nationalen Interesse" requirieren kann, müsste er es in einem solchen Falle am Markt einkaufen. Der Preis würde steigen, jedes Währungsäquivalent wäre nun unterdeckt und der Staat müsste entweder Geld vernichten oder abermals Gold kaufen. Dass dies weder möglich noch sinnvoll ist, sollte auch jedem Goldhändler aufgehen, der mit Panikmache sehr viel Geld verdient.

Das Paradoxon der öffentlichen Geldschöpfung

Dass die öffentliche Geldschöpfung über einen Goldstandard nicht sinnvoll möglich ist, sollte einleuchten. Warum der Staat öffentliche Gelder auf beinahe die gleiche Art wie Lieschen Müller schöpft, ist jedoch ein selten angesprochenes Paradoxon der modernen Geldpolitik. Wenn Lieschen sich bei ihrer Freundin Erna einen Euro leiht, haben die beiden die Geldmenge (Forderung und Verbindlichkeit) um einen Euro erhöht - sie haben also "Geld gedruckt". Die oft gehörte Irrlehre, der Staat habe ein Monopol auf das "Gelddrucken", ist natürlich falsch. Die staatlichen Zentralbanken haben zwar ein Monopol auf die Geldschöpfung, das sie über die Geschäftsbanken bis in den Privatbereich weitergeben - der "Gelddrucker" ist jedoch immer derjenige, der sich bei wem auch immer Geld leiht.

Die Lizenz, Geld zu drucken

Die faktische Geldschöpfung obliegt in der Eurozone der EZB und in den USA der FED. Während die Amerikaner nach der Finanzkrise dazu übergegangen sind, in Krisenzeiten ihre neuen Staatsanleihen direkt bei der FED zu platzieren, nehmen Europas große Volkswirtschaften ihr Geld immer noch über den freien Markt - und damit das Geschäftsbankensystem - auf. Damit folgt man dem neoliberalen Dogma, das Geld vor der politischen Willkür zu schützen, da - so die Theorie - ein Staat sich das Geld nicht einfach zu einem unrealistisch niedrigen Zins von der EZB leihen kann. Der Preis für diese selbst auferlegte Enthaltsamkeit ist jedoch hoch - das Bankensystem macht nicht nur prächtige Gewinne mit dem Handel von Staatsanleihen, es kann sie neuerdings sogar selbst kaufen und als 1:1-Sicherheit als Einlage bei der EZB hinterlegen.

Eine Bank kann sich also 1.000 Euro für 1% von der EZB leihen, kriegt vom Staat 2,5% Zinsen und macht 1,5% Zinsgewinn. Wer glaubt, für 1,5% steht ein Herr Ackermann noch nicht einmal auf, der irrt - neue Regularien erlauben es den Banken, die Anleihen als Einlage bei der EZB zu hinterlegen. Herr Ackermann bekommt also 1,5% Zinsgewinn, ohne dass er auch nur einen Euro investieren musste - ein Bombengeschäft, wenn man einmal die unwahrscheinliche Bedrohung eines deutschen Staatsbankrotts außer Acht lässt. Gegen einen solchen Fall kann sich eine Bank jedoch für kleines Geld versichern - fraglich ist nur, wer nach einem deutschen Staatsbankrott noch so solvent ist, dass er die Versicherungssumme erstatten könnte. Solche Fragen interessieren die Banker aber nicht, bieten sie doch selbst die Versicherungen an, mit denen letztlich nur jedes noch so kleine Risiko aus den Büchern herausgerechnet wird, um mehr Kredite vergeben zu können.

Da stellt sich unweigerlich die Frage, warum der Staat seine Schulden nicht direkt für 2,5% - oder gar zu einem niedrigeren Zinssatz - bei der EZB aufnimmt oder warum er sich nicht wenigstens über einen öffentlichen Staatsfinanzierer wie die KfW refinanziert, deren Gewinne ins Staatssäckel zurückfließen? Etwas anderes als eine verdeckte Subventionierung der Geschäftsbanken auf Kosten der Steuerzahler kann man in dieser Praxis nicht sehen. Rund 40 Milliarden Euro (mit steigender Tendenz) muss der Bund Jahr für Jahr für den Zinsdienst bereitstellen. Wäre es nicht wunderbar, wenn der Staat diese Zinsen an sich selbst zahlen würde?

Moderne "Geldsystemkritik"

Auch wenn die Analysten der Banken aus verständlichem Grund Zeter und Mordio schreien würden und zumindest Hyperinflation, wenn nicht sogar den Untergang des Abendlandes prognostizieren würden, würde sich de facto bei einer Umstellung der Staatsfinanzierung herzlich wenig ändern - außer, dass der Staat langfristig mehr Geld zur Verfügung hätte und handlungsfähiger wäre. Eben diese Handlungsfähigkeit ist bei Finanzlobbyisten aber nur dann erwünscht, wenn es darum geht, immer neue Schutzschirme für die Finanzbranche aufzuspannen.

Volkswirtschaftliche Themen spielen seit der Finanzkrise auch in der täglichen Diskussion eine immer wichtigere Rolle. Vor allem die Argumente der sogenannten "Geldkritiker" werden immer dabei schriller und erstaunlicherweise von immer mehr Menschen geglaubt. Waren es früher noch "Verschwörungstheoretiker", die sich neben dem Geldsystem vor allem mit Ufos und den Bilderbergern beschäftigen, ist die Kritik am Geldsystem mittlerweile salonfähig geworden. Doch die gutgläubigen Geldkritiker an der Basis sind dabei selbst nur Bauern in einem Schachspiel, das sie nicht verstehen.

Die Österreichische Schule ist eine Schule der Nationalökonomie, die den Markt als heiligen Gral verehrt und deren natürlicher Feind der Staat ist. Ökonomen wie Friedrich von Hayek und Ludwig von Mises waren bereits die geistigen Väter einer Ideologie, die uns als Neoliberalismus bekannt ist. Die - teils kruden - Geld- und Konjunkturtheorien der Marktfundamentalisten waren seit jeher überaus skeptisch gegenüber einem ungedeckten Papiergeldsystem. Es liegt natürlich im Interesse jedes Marktfundamentalisten, den Staat aus immer mehr Bereichen des Lebens und der Wirtschaft zurückzudrängen, um diese Bereiche durch den Markt regulieren zu lassen. Ein ungedecktes Papiergeldsystem verschafft dem Staat allerdings genau diesen Handlungsspielraum, den Marktfundamentalisten verteufeln.

Die Finanzkrise hat den "Österreichern" Auftrieb gegeben. Undifferenzierte Kritik am Staat fällt in Zeiten, in denen die freien Märkte den Staat bereits an den Rand der Handlungsunfähigkeit getrieben haben, natürlich nicht nur in libertären Kreisen, sondern bei allen denkbaren politischen Splittergruppen am äußersten Rand auf fruchtbaren Boden. Sobald ein Analyst eines großen Bankhauses etwas vom "Zusammenbruch des Geldsystems" erzählt, sind ihm tausende Links in Foren und Blogs sicher. Schreibt er auch noch ein Buch, kann er sich zur Ruhe setzen. Der beste Schutz vor derlei Propaganda und Scharlatanerie ist jedoch Wissen. Nur wer tatsächlich glaubt, dass der Staat ein Geldmonopol habe, ein Goldstandard hilfreich sei und eine kreditunabhängige Geldreform uns dem Himmelreich auf Erden näher bringen wird, lässt sich von Politikern wie Ron Paul oder der Geldelite ins Dickicht ziehen. Die Frage, ob ein Staat oder eine marktmächtige Elite besser für das Volk ist, muss allerdings jeder für sich selbst beantworten.

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