Interstellare Büchse der Pandora?

Aufnahme der Pioneer-Plakette, von denen zwei Exemplare seit 1972 und 1973 im All driften. Bild: NASA

Wie gefährlich ist ein Kontakt via Licht- und Radiowellen? Teil 1 - Unerwünschte kosmische Flaschenpost: Pioneer 10

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Einige Monate nach dem 50. Geburtstag des ersten SETI-Suchlaufs (S.E.T.I. vermeldet Historisches) und einige Monate vor dem 50. Jahrestag der wissenschaftshistorischen Greenbank-Konferenz (Ein Kompositum von Unsicherheiten) startet Telepolis ab heute eine neue Artikelserie, die sich schwerpunktmäßig der Frage annimmt, welche Risiken das aktive und gezielte Versenden interstellarer Botschaften an ferne Zivilisationen für die Menschheit hat - unabhängig davon, ob sie auf eine außerirdische Flaschenpost antwortet oder einfach gezielt ins kosmische Blaue sendet (METI/Active SETI).

Könnte eine von uns in den kosmischen Ozean geworfene Flaschenpost eine außerirdische Antwort provozieren, die für uns - ähnlich der mythischen Büchse der Pandora - böse Konsequenzen hat? Könnte für den Homo sapiens der Kontakt mit einer hochentwickelten intelligenten Kultur im All zu riskant sein, wie Stephan Hawking befürchtet? Der aktuell vorliegende und der demnächst folgende Beitrag "METI und Active SETI" sollen auf das Thema einstimmen, tangieren aber die Frage, wie gefährlich ist ein Kontakt via Licht- und Radiowellen für die Menschheit ist, nur indirekt. Dieser Frage gehen die folgenden Artikel direkt nach.

Den Anfang macht die NASA-Raumsonde Pioneer 10, der erste irdische Roboter, der (u.a.) in kosmisch-diplomatischer Mission in den Weltraum eintauchte. Einst unterwegs in wissenschaftlicher Mission und den Kontakt zur irdischen Basis über Jahrzehnte hinweg stets wahrend, durchtrennte Pioneer 10 vor 14 Jahren als erster Forschungsroboter die Nabelschnur zur Erde. Am 22. Januar 2003 sandte der astrale Gesandte sein letztes Signal. Seitdem ist die mit einer Grußbotschaft an ET und Co. bestückte Sonde (wie ihre später gestartete Schwestersonde Pioneer 2) auf sich alleine gestellt. Die berühmte Pioneer-Plakette bezeichneten Kritiker bereits 1972 als falsch, obszön und skandalös. Trotz der sehr geringen Wahrscheinlichkeit, dass die metallenen Vagabunden in fernster Zukunft von einer hochstehenden fremden Zivilisation aufgelesen werden, könnte diese Szenarium eines fernen Tages Realität werden

Die älteste und erste interstellare Versuchssonde, der erste roboterartige Repräsentant der Menschheit, verabschiedete sich am 2. März 1972 von der Erde. Nach einem Bilderbuchstart vom Cape Canaveral (Kennedy Space Center) in Florida hievte eine dreistufige Trägerrakete vom Typ Atlas-Centaur die NASA-Raumsonde Pioneer 10 ins All. Damit nahm ein unvergleichliches Abenteuer seinen Anfang, das Pioneer 10 zahlreiche interessante und riskante Höhepunkte bescherte.

Aufnahme des Raketenstarts von Pioneer 10. Bild: NASA

Einst das schnellste künstliche Gefährt

So durchquerte der interplanetare Globetrotter nach dem Passieren des Mars mit einer Rekordgeschwindigkeit von 120.000 Stundenkilometern den als äußerst gefährlich eingestuften Asteroidengürtel. Nachdem das unbemannte Raumschiff die kritische, zwischen Mars und Jupiter gelegene Zone, in der kilometergroße Brocken und Myriaden kleiner Gesteinsteile herumschwirren, schadlos überstand, erreichte ihr interplanetarer Ritt den ersten Höhepunkt: In einer Entfernung von nur 131.000 Kilometern flitzte das Raumvehikel Ende 1973 über die Ammoniak-Eiswolken des größten Planeten unseres Sonnensystems hinweg und überstand auch das Strahlenbombardement, mit dem Jupiter das irdische Gefährt willkommen hieß.

Bordinstrumente von Pioneer 10. Bild: NASA

Dass sich der ganze Aufwand seinerzeit lohnte, dokumentieren heute noch über 300 Fotos, welche die Forschungssonde vom Gasriesen Jupiter in einer Auflösung von bis zu 500 Kilometer pro Pixel zur Erde funkte.

Auch die Schwestersonde Pioneer 11, die am 5. April 1973 die Erde verließ, bediente sich beim Vorbeiflug am Jupiter der Swing-by-Technik. Hierbei nutzten die Raumflugkörper das Schwerefeld des größten Planeten des Sonnensystems, um ihre Beschleunigung katapultähnlich zu erhöhen. Das interplanetarische Billardspiel glückte; die Anziehungskraft des Jupiters beschleunigte insbesondere die Pioneer-10-Sonde auf eine Geschwindigkeit von 12,5 Kilometer pro Sekunde, womit sie damals zum schnellsten Objekt avancierte, das die Menschheit je konstruiert und gebaut hatte.

Pioneer 10. Bild: NASA

Wie die Natur sie gemacht hat

Am 31. März 1997 wurde die gesamte Mission offiziell für beendet erklärt. Frühestens in 10.000 Jahren taucht die Sonde in den interstellaren Staub der astralen Zone ein. In 80.000 Jahren erreicht sie den erdnächsten Stern Proxima Centauri.

Nach zwei Millionen Jahren, wenn das kosmische Intermezzo der Menschheit möglicherweise nicht mehr als eine Randnotiz in der ungeschriebenen galaktischen Enzyklopädie sein dürfte, erreicht der Roboter das Sternbild Stier (Taurus) und streift die dortigen Sterne.

Proxima Centauri im Röntgenlicht. Für eine Reise zu den 4,2 Lichtjahren von der Erde entfernten Roten Zwergstern benötigt Pioneer 10 gut 80.000 Jahre. Bild: NASA/CXC/SAO

Gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, dass der irdische Botschafter dereinst wirklich von einer dort lebenden Kultur aufgelesen würde, fänden die fremden Lebensformen eine aufmontierte 15 mal 22,5 Zentimeter große und 1,27 Millimeter dicke Platte vor, auf der das Abbild zweier Menschen, eines Mannes und einer Frau von durchschnittlicher Körpergröße, so wie die Natur sie geschaffen hat, zu bewundern ist.

Es ist wohl die berühmteste Metall-Gravur, auf dem sich ein Menschenpaar die Ehre gibt. Während der junge Mann die rechte Hand (für den Betrachter die linke) zum Willkommensgruß hebt, steht ihm eine um einen Kopf kleinere junge Frau zur Seite. Beide unbekleideten Figuren weisen bewusst unterschiedliche ethnische Charakteristika auf und sind maßstabgerecht vor der Raumsonde Pioneer 10 stehend abgebildet. Ganz im Gegensatz zu den anderen auf der goldeloxierten Aluminiumplatte eingravierten wissenschaftlichen Botschaften (z.B. Pulsarkarte oder schematische Darstellung des Übergangs eines neutralen Wasserstoffatoms) entzündete sich 1972 an den beiden Pioneer-Plaketten eine lebhafte Debatte, die höchst Triviales zutage förderte.

Das vergoldete Cover mit Infos für Aliens. Es schützt die darunter liegende "Goldene Schallplatte", die an den beiden NASA-Raumsonden Voyager 1 und 2 montiert sind. Bild: NASA

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