Musik im Januar

von Rudolf Maresch

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In unserer Rock- und Pop-Kolumne wollen wir einige "Songperlen" vorstellen, die uns in den letzten fünfzig Jahren schwer bewegt, an den Lebensgeschichten vieler Zeitgenossen mitgeschrieben oder auch den Lauf der Rock- und Popgeschichte entscheidend beeinflusst haben.

Auch wenn beizeiten immer wieder mal vom "Tod von Rock und Pop die Rede ist, so sind beide doch lebendiger denn je. Mehr als jemals zuvor wird Rock und Pop goutiert, beim Autofahren und im Fitness-Studio, beim Joggen oder auf der Skipiste; und niemals zuvor war beides leichter verfügbar und allzeit gegenwärtig wie heute.

Vorgestellt werden wird immer ein Song aus den Sechzigern, Siebzigern, Achtzigern, Neunzigern des letzten Jahrhunderts und den sogenannten Nullerjahren des neuen Jahrhunderts. Um den Anschluss an das Rock- und Popgeschehen der Gegenwart nicht zu verlieren, wollen wir am Schluss auch stets (wenn möglich) ein "Album des Monats" präsentieren.

Gewiss wird die Auswahl stets einem stark subjektiven Charakter unterliegen. Das liegt schon in der Natur der Sache, insofern Musik, Mode und Ästhetik von den Wertungen, die ein Beobachter ihnen beimisst, nicht strikt zu trennen sind. Im Umkehrschluss heißt das aber nicht, dass wir uns nicht an einigen "objektiven Kriterien" orientieren wollen, mithin an Erfolg, Einfluss, Prominenz, Stilrichtung ..., die ein Song beim Publikum oder bei den Kollegen ausgelöst hat.

Sechziger Jahre: I'm a Man von der Spencer Davis Group.

Im Musikbusiness wird die Stadt Birmingham meist mit Black Sabbath, manchmal auch mit Led Zeppelin in Verbindung gebracht. Weniger bekannt ist, dass es auch die Geburtsstadt von Steve Winwood ist, der zusammen mit seinem älteren Bruder Muff 1963, als Fünfzehnjähriger in die Spencer Davis Group eintrat, die seinerzeit einige Top-Ten Hits in UK zu verzeichnen hatte. Während das der Beginn einer ebenso glänzenden wie globalen Musiker- und Songschreiberkarriere war, musste sich ihr Namensgeber, der Gitarrist Spencer Davis, nach der Auflösung der Band um 1967 damit begnügen, in wechselnder Besetzung über die "Hinterhöfe" der Kleinstädte zu tingeln. Zwischen "Gimme Some Lovin'" (1966) und "I'm A Man" (1967) hin und her schwankend, hat uns das treibende Schlagzeugspiel von Peter York dann doch mehr überzeugt als jene Bassline, die wir damals am E-Bass selbst immer nachgespielt haben.

Siebziger Jahre: The Musical Box von Genesis

Neben Yes und King Crimson war Genesis Anfang der Siebziger wohl die führende ProgRock Gruppe. Besonders adoleszente Gymnasiasten fühlten sich von ihren komplexen Songstrukturen, diffizilen Instrumentierungen und geheimnisvollen Texten und Plattencover angezogen. Das ging soweit, dass man bisweilen versuchte, den Musiklehrer im damaligen Musikunterricht von der Qualität der Songs zu überzeugen, was natürlich misslang. Blickfang war damals Peter Gabriel, der mit exzentrischen Aufzügen und Auftritten das Publikum betörte, bald aber auch die Kollegen gehörig nervte. Als er endlich die Band verließ, stellte sich dank Phil Collins zwar der kommerzielle Erfolg ein, was aber unweigerlich den künstlerischen abstieg der Band zur Folge hatte Ausgewählt haben wir "The Musical Box" vom 1971er Album "Nursery Crime", dem vielleicht besten Song, den die Band jemals geschrieben hat.

Achtziger Jahre: City of Dreams von den Talking Heads

Keine Band hat die Coolness die Anfangsjahre des Jahrzehnts so geprägt und repräsentiert wie die Talking Heads. Seit ihrer Gründung im Jahre 1977 wurde die Band um den Sänger David Byrne bei Kritikern und einem kleinen Teil des Publikums zwar hoch geschätzt, vor allem in den Szene-Clubs, der kommerzielle Erfolg ließ aber zu wünschen übrig. Dies änderte sich erst, als Jonathan Demme auf die "Heads" aufmerksam wurde und mit ihnen den Soundtrack "Stop Making Sense" drehte. Gleichzeitig bedeutete das aber auch schon wieder das Ende der Band. David Byrne hatte den von diversen Drums und Percussions getriebenen Afro-Funk offensichtlich dicke. Er hielt ihn für erledigt und experimentierte lieber mit Country, Calypso und anderen Elementen der Weltmusik, was schließlich zum Bruch führte. Ausgesucht haben wir "City of Dreams" einen der letzten Songs, den die Band 1986 auf ihrem vorletzten Album produzierte. Er ist einfach wunderschön.

Neunziger Jahre: Love Spreads von The Stone Roses

Stilprägend war Anfang der Neunziger sicherlich der Madchester-Sound, eine Mixtur aus rollenden Rockklängen und Dance-Elementen. Geografisches Zentrum war die Stadt Manchester, und da der legendäre Club "The Hacienda", über den jüngst Peter Hook, ehemals Bassist von New Order, eine Dokumentation vorgelegt hat. Während man in Deutschland in Insiderkreisen noch von der sogenannten "Rave-olution" sprach, war die Welle mangels Originalität und üppigen Drogenkonsums in England längst wieder abgeebbt und vom Britpop beerbt worden. Als Beispiel für den "rollenden" Sound haben wir "Love Spreads" vom zweiten Album "The Second Coming" von den Stone Roses ausgewählt, die sich nach chaotischen Auftritten auf diversen Festivals dann auch getrennt haben.

Nuller Jahre: Spread Your Love Black Rebel Motorcyle Club

Mit den Strokes aus New York läuteten BRMC aus San Francisco Anfang der Nullerjahre das Revival des Garagen-Rock ein, der die Herzen der Kritiker und der Rockfans wieder höher schlagen ließ. Benannt nach jener Motorradgang, die 1953 in "The Wild One" mit Marlon Brando in der Hauptrolle eine US-Kleinstadt in Unruhe versetzten, gelang es Peter Hayes und Robert Levan Been harten Punk mit den brutal verzerrten Gitarrenklängen von The Jesus & Mary Chain und dem Bluesrock von Canned Heat zu versöhnen. Ausgesucht haben wir den Song "Spread Your Love" aus dem Jahre 2001. Das Video, in schwarzweiß gedreht, gibt recht gut die Stimmung wieder, die damals vor zehn Jahren plötzlich in den Clubs wieder ausbrach.

Album des Jahres 2010: The Promise von Bruce Springsteen

Das Jahr 2010 hat allen Unkenrufen, Pop und Rock seien tot und das Album sowieso, getrotzt und uns einige hervorragende Alben beschert. Neben "High Violet" von The National, "The Surburbs" von Arcade Fire, "Work" von Shout Out Loud oder "Come Around Sundown" von den Kings of Leon auch die unter Fans umstrittenen, aber nichtsdestotrotz mutigen "Danger Days" von My Chemical Romance oder "A Thousands Suns" von Linkin Park. Am überraschendsten dürfte wohl die Neuveröffentlichung von 21 Songs sein, die Bruce Springsteen zwischen den erfolgreichen Alben "Born to Run" und "Darkness on the Edge of Town" geschrieben hat, wegen Querelen mit den Management aber verworfen hat. Auch wenn man den einen oder anderen Song vielleicht hätte weglassen können, möchte man die rockige Fassung von "Racing in the Street" gewiss nicht missen.

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