Filesharing wird deutlich weniger gefährlich, wenn Werke älter als sechs Monate sind

Im Standardfall erfolgt nur dann eine Herausgabe von Adressdaten, wenn es um Inhalte neueren Datums geht

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Der Gerichtsstand Köln ist für das Filesharing von ganz besonderer Bedeutung. Das liegt daran, dass es für die IP-Nummern der Telekom zuständig ist. Nun wurde ein Beschluss des Oberlandesgerichts Köln bekannt, der ein wenig mehr Licht ins Dunkel der Rechtsanwendung in Filesharingfällen bringt: Danach nimmt das OLG ein "gewerbliches Ausmaß" einer Urheberrechtsverletzung in P2P-Netzwerken erst dann an, wenn das angebotene Werk sich noch in der "Abverkaufsphase" befindet. Das dürfte vor allem jene bedeutende Nutzergruppe beruhigen, die Tauschbörsen ausschließlich dazu verwendet, an vergriffene oder verwaister Werke zu kommen, welche praktisch ausschließlich dort erhältlich sind.

Hinsichtlich der Frist, nach der die Abverkaufsphase bei Musikalben endet, orientiert sich das Gericht an einem offenen Geheimnis der Tonträgerindustrie: Dass herkömmliche Popmusik nämlich nur wenige Monate lang kommerziell interessant ist. Das OLG nimmt deshalb an, dass der Abverkaufszeitraum hier nicht mehr als ein halbes Jahr hinter dem Erscheinungsdatum liegt.

Entsprechend verfahren wird bei DVDs, wo zum Beginn der Frist nicht der Kinostart, sondern der Veröffentlichungstermin auf DVD herangezogen wird. Für Hörbücher, Hörspiele und andere "nicht besonders aktualitätsbezogenen Werkgattungen" können dagegen längere Verwertungsphasen festgesetzt werden. Offen ist, inwiefern dies für Bücher gilt: Immerhin beklagen Autoren zunehmend, dass die meisten Bücher heute bereits nach wenigen Monaten verramscht oder eingestampft werden. Und von den Klassikern, die sich langfristig verkaufen, sind viele bereits gemeinfrei.

Ist bei einem Werk der Abverkaufszeitraum überschritten, dann nimmt das OLG Köln an, dass die Rechtsverletzung nicht mehr gravierend genug ist, um einen so schweren Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis wie die Anordnung der Herausgabe der Adressdaten, die beim Provider lagern, rechtfertigen zu können. Wenn der Rechteinhaber hierzu anderer Meinung ist, dann muss er dem Gericht das Vorliegen "besonderer Umstände" darlegen. Möglich wird eine Herausgabeanordnung in solchen Fällen zum Beispiel dann, wenn ein Musikalbum sich zum Rechtsverletzungszeitpunkt noch unter den 50 bestverkauften in Deutschland befindet oder "wenn ein Titel auf einem Album zu diesem Zeitpunkt eine besonders gute Chartplatzierung aufweist".

Ob sich Abmahnanwälte in großem Maßstab die Mühe machen, solche "besonderen Umstände" darzulegen, ist allerdings fraglich. Die meisten von ihnen dürften mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Geld einnehmen wollen, was mit Textbausteinen für weiterhin massenhaft veröffentlichte Neuerscheinungen einfacher geht als durch aufwendige Einzelfallprüfungen.

Gibt ein Provider die Daten eines Kunden heraus, obwohl der lediglich ältere Werke tauschte, kann der Filesharingnutzer dies zwar nicht mehr rückgängig machen, hat aber beim Abwehren der Ansprüche insofern bessere Karten, als er darauf verweisen kann, dass das "juristische Verfallsdatum" bereits überschritten und der mutmaßliche wirtschaftliche Schaden entsprechend gering war.

Eine andere für Filesharer interessante Information liefert das Landgericht Hamburg in einem Urteil mit dem Aktenzeichen 308 O 171/10. Danach können sich Personen grundsätzlich mit eidesstattlichen Versicherungen gegen Urheberrechtsverletzungsvorwürfe wehren. Im konkreten Fall bescheinigten sich auf diese Weise mehrere Familienmitglieder gegenseitig, keine Dateien zum Download angeboten zu haben und konnten dadurch die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung erwirken. Folgt auf eine aufgehobene einstweilige Verfügung jedoch eine konventionellen Klage, helfen solche eidesstattlichen Versicherungen nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung wahrscheinlich nichts mehr.

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