Cannabis und offenes WLAN

Zwei neue Petitionen haben Verbote aufs Korn genommen

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Nach einer Anfangseuphorie wurde es um e-Petitionen in Deutschland wieder relativ still. Das lag nicht zuletzt daran, dass Petitionen, die aufgrund ihrer zahlreichen Unterzeichner viel Medienaufmerksamkeit erregten, nur sehr bedingt erfolgreich waren: Die vorläufige Aussetzung von Netzsperren ist eher ein Resultat der letzten Wahlen als eines der Petition dagegen und ein bedingungsloses Grundeinkommen scheint heute so fern wie 2009. Die Gema geht sogar noch forscher vor als vor der Massenpetition gegen sie und kassiert mittlerweile auch bei Kindergärten.

Trotz dieser Frustrationen gibt es zwei neue e-Petitionen, die derzeit (auch via Facebook und Twitter) so viel Aufmerksamkeit erregen, dass ihre Initiatoren als Redner vor dem Bundestag eingeladen werden könnten: Eine davon, die noch bis zum 26. Januar läuft und am Montag knapp 15.000 Mitzeichner aufwies, fordert die "konsequentere Entkriminalisierung konsumbezogener Cannabisdelikte".

Initiator der Petition ist Georg Wurth vom Deutschen Hanf-Verband (DHV). Wurth beruft sich unter anderem auf eine vom DHV im letzten Jahr in Auftrag gegebene Emnid-Umfrage, nach der angesichts von "über 3 Millionen gelegentlichen oder regelmäßigen Cannabiskonsumenten und über 12 Millionen Menschen mit Konsumerfahrung" mittlerweile eine Mehrheit der Bevölkerung eine weitere Entkriminalisierung befürwortet und hofft, mit der Petition eine Bundestagsdebatte darüber anstoßen zu können.

Ihm zufolge ist die weitverbreitete Auffassung, Cannabiskonsumenten würden seit einem Urteil des Landgerichts Lübeck ohnehin nur mehr verfolgt, wenn sie größere Mengen der verbotenen Substanz bei sich tragen, angesichts einer sechsstelligen Zahl von jährlich in Deutschland eröffneten Strafverfahren ein "Trugschluss". Vor einer Verfahrenseinstellung, zu der es auch beim Vorliegen einer "geringen Menge" nicht in allen Fällen kommt, werden die Betroffenen zudem häufig durch Hausdurchsuchungen traumatisiert, die teilweise bleibende gesundheitliche Schäden hinterlassen - was dem Schutzzweck der Verbote im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zuwiderläuft.

Anders als der kalifornische Volksentscheid, der im November relativ knapp scheiterte, will die deutsche Petition keine weitgehende Freigabe von Marihuana erreichen, sondern fordert ein Festschreiben der "geringen Menge" im BtMG auf einen bundesweit einheitlichen Wert. Unterhalb dieser Grenze sollen ausschließlich dann Strafverfahren eröffnet werden, wenn jemand beim Verkauf erwischt wird. Das würde auch heißen, dass Hausdurchsuchungen und erkennungsdienstliche Behandlungen wegfielen, was nicht nur dem Steuerzahler, sondern auch den Krankenkassen viel Geld sparen könnte.

Für den Anbau schwebt dem Verband eine Regelung wie in Spanien vor, nach der Konsumvereine sich Pflanzungen rechtlich so aufteilen, dass jeder einzelne Teilhaber unterhalb der Grenze für eine "geringe Menge" liegt. Die wenigsten Chancen auf eine Verwirklichung dürfte die ebenfalls geforderte Einführung eines THC-Grenzwertes im Straßenverkehr haben: Selbst wenn Gerichte einmal eine Gleichbehandlung mit dem Alkohol erzwingen sollten, ist wahrscheinlicher, dass die Politik die Promillegrenze auf Null senkt, um dem nachzukommen.

Eine andere Petition dreht sich um eine eigentlich erlaubte Sache, die durch Gerichte in den letzten Jahren indirekt verboten wurde. Die Rechtsprechung weitete die so genannte "Mitstörerhaftung" nämlich derart aus, dass offene WLANs mittlerweile praktisch verschwunden sind. Diesem von der Judikative erlassenen Verbot will der Hauptpetent Stefan Meiners mit einer expliziten Haftungsfreistellungsregelung der Legislative entgegentreten.

Die Vorteile offener WLANs wären Meiners zufolge unter anderem eine weitaus bessere Versorgung von Gebieten, in denen UMTS nur schlecht oder gar nicht funktioniert, eine erhebliche Energieeinsparung, weil nicht jeder Haushalt seinen eigenen Anschluss betreiben müsste, sowie nicht zu unterschätzende Zugangskostensenkungen, die vor allem für einkommensschwächere Schichten ins Gewicht fallen. Darüber hinaus würden durch die implizite Stärkung der Anonymisierungsmöglichkeiten auch die informationelle Selbstbestimmung und die Pressefreiheit gestärkt. Mit diesen Argumenten konnte Meiners bis zum Montag knapp 5000 Mitzeichner gewinnen. Seine Petition läuft noch bis 24. Februar.

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