Steve Jobs Krankheit und die Lebertransplantation

Kritische Stimmen fragen, ob der Milliardär vielleicht wegen seines Gelds seine Chancen für eine Lebertransplantation erhöht hat, die besser einem anderen Menschen hätte zukommen sollen

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Als Steve Jobs, der Apple-Gründer und CEO, ohne den nichts zu gehen scheint, sich ohne Angabe von Gründen krank meldete und einen vorübergehenden Rückzug ankündigte, purzelten gleich einmal die Aktienkurse des Unternehmens, das gerade einen Gewinn von 6 Milliarden Dollar bekannt geben konnte. Dass die Apple-Wertpapier-Besitzer beunruhigt sind, weil das Unternehmen nicht mitteilt, was Jobs fehlt, mag verständlich sein, denn es ist völlig unklar, wer ihm nachfolgen könnte, falls es sich um eine ernste Erkrankung handelt. Und da Jobs das Gesicht von Apple ist, wäre bei einem Rückzug von ihm womöglich auch der Erfolg des Unternehmens in Frage gestellt.

Vermutet wird, dass Jobs möglicherweise wieder an Krebs erkrankt sein könnte. 2004 wurde Jobs operiert, er hatte einen seltenen neuroendokrinen Tumor in der Bauchspeicheldrüse. Anfang 2009 erhielt Jobs eine neue Leber. Es blieb und bleibt unklar, ob die Transplantation in Zusammenhag mit dem Krebs steht, allerdings bildet neuroendokriner Krebs auch häufig Metastasen in der Leber. Wenn Jobs nicht etwa Probleme wegen der Folgen der Einnahme von immunsuppressiven Medikamenten hat, könnte nun der Krebs also erneut seine Leber befallen haben. Das sei absehbar gewesen, so Kritiker, die auch meinen, dass Jobs deswegen kein geeigneter Empfänger eines gespendeten Organs gewesen könnte, das das Leben eines anderen Menschen hätte retten können.

William Saletan weist in seinem Artikel How Did Steve Jobs Get His Liver? im Online-Magazin Slate noch einmal darauf hin, dass Jobs wohl auch aufgrund seiner Prominenz und seines Vermögens so schnell an eine Ersatzleber kam (die Wartezeit für eine Ersatzleber beträgt durchschnittlich in den USA 796 Tage), zumindest nutzte er die gesetzlichen Regelungen für die Transplantation so weit wie möglich aus, was nicht jeder kann. Jobs lebt in Kalifornien, wo die Wartezeit für eine Leber dreimal so lang ist wie in Tennessee, weswegen er sich dort auf die Warteliste setzen ließ, wie er selbst sagte, und 2009 auch dort seine Leber erhielt. Zwar sei es rechtlich zulässig, sich auf verschiene Wartelisten setzen zu lassen, aber nicht jeder könne dies tun, so Saletan.

Zunächst muss man dort für eine ausführliche persönliche Untersuchung hinreisen. Dann muss man innerhalb von Stunden in der Region anwesend sein, sobald ein Ersatzorgan verfügbar ist. Und auch wenn man vielleicht als Wohltätigkeitsfall anerkannt werden könnte, muss man beweisen, dass man für die Transplantation auch selbst bezahlen kann, wenn man alles abdecken will. Man erhält auch Vorzugspunkte, wenn man die anschließende medizinische Versorgung garantieren kann, da dies eine Sicherheit für Organverteiler darstellt, dass für das Organ gut gesorgt wird.

Um sicher zu stellen, dass man unter amerikanischen Bedingungen möglichst schnell dran kommt, auch dann, wenn die frühere Krebserkrankung eher dagegen spricht, ist es sicherlich nicht schlecht, Geld zu haben oder wie Jobs ein Milliardär zu sein. Selbst wenn Menschen versichert sind, ist nicht gesagt, ob die Versicherungen die Kosten tragen oder sie vor allem ganz übernehmen. Bei Kosten zwischen 200.000 und 800.000 Dollar kann dies eine gewichtige Rolle spielen. Geld ist auch nötig, um persönlich zu Krankenhäusern in unterschiedlichen US-Bundesstaaten zu reisen, um sich abchecken zu lassen, was die Voraussetzung ist, um und mit welcher Dringlichkeit auf eine Warteliste zu gelangen. Da die geografische Nähe eine große Bedeutung spielt, könnte es von Bedeutung sein, wie Saletan anmerkt, einen Privatjet zu haben. Bei einer Leber wäre es allerdings nicht ganz so eilig wie bei anderen Organen, weil sie 12-24 Stunden außerhalb des Körpers aufbewahrt werden kann. Und problematisch wird auch die teure Nachsorge sein, allein die Medikamente könnten bis zu 2.500 Dollar im Monat kosten.

Im ersten Quartal von 2009 standen 16.000 Menschen auf der Warteliste für eine Lebertransplantation, 1.581 erhielten eine Leber, praktisch niemand, so Saletan, mit einer Krebserkrankung – und eben mit einer solchen, die mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit Metastasen in der Leber bildet, möglicherweise nun auch in der transplantierten Leber. Ob die Annahmen im Fall von Jobs zutreffen, ist nicht bekannt, um es noch einmal zu wiederholen. Wenn ja, wäre es nur wieder ein Beispiel, warum durch Geld die Gleichheit der Menschen ausgehebelt werden kann, ohne etwas gesetzlich Unrechtes zu tun.

Moralisch fragwürdig wäre freilich nicht so sehr das jedem nachvollziehbare Verhalten von Jobs, mit seinen Mitteln die bestmögliche Situation für ihn zu erzielen, ohne auf den Organschwarzmarkt zu gehen, was dem Milliardär durchaus möglich gewesen wäre. Fragwürdig wäre die Möglichkeit, sich nicht nur bei vielen Transplantationszentren anmelden zu können, um seine Chancen zu steigern, schnell eine Ersatzleber zu finden, sondern auch bessere Chancen zu haben, sie trotz der Vorerkrankung anstelle eines anderen Menschen zu erhalten, der deswegen gestorben sein könnte, so Saletan. Allerdings muss bei langen Wartelisten und fehlenden Organen immer das Leben des einen Menschen gegen das des anderen abgewogen werden. Hätte also Jobs, unterstellt die Annahme Saletans ist richtig, die Ersatzleber nicht erhalten, hätte er womöglich früher sterben müssen. Das ist ein unlösbares moralisches Dilemma, das sich nur durch Einhaltung strenger Regeln lösen lässt.