Ablenkungsmanöver Länderfinanzausgleich

Mit der Debatte versucht Schwarz-Gelb, Wahlkampf zu betreiben

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Was der ehemalige BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel für den Euro-Raum forderte, wird nun zumindest im Wahlkampfgerassel in der Bundesrepublik Wirklichkeit: die Aufkündigung der Solidarität zwischen Nord und Süd. Anders als bei Henkel geht es zwar nicht um die Einführung zweier Währungen, und die reichen Länder befinden sich auch nicht im Norden, sondern im Süden. Doch die dahinterstehende Idee, ärmere Länder wegen- aus Sicht der reicheren - undisziplinierten und falschen Ausgabenpolitik abzustrafen, ist die gleiche.

Es könne nicht sein, dass sich klamme Länder wie Berlin aufgrund des Länderfinanzausgleichs Dinge leisten können, für die in den Geberländern kein Geld da ist, erklärte der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus bereits im vergangenen Dezember und brachte damit den Kern der derzeitigen Diskussion um die Solidarität zwischen den Bundesländern auf den Punkt.

Wenn die drei Geberländer Baden-Württemberg, Hessen und Bayern nun eine Klage gegen den Finanzausgleich vor dem Bundesverfassungsgericht anstreben, dann ist das vor allem eine wahlkampftaktisch motivierte Neiddebatte nach dem Schema der Diskussion, ob den Griechen in der Krise geholfen werden solle oder nicht. Die Debatte ist nicht neu, sondern steht in regelmäßigen Abständen immer wieder auf der Tagesordnung. So schoss beispielsweise 2009 der bayrische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor allem gegen Berlin, weil sich der arme Stadtstaat kostenfreie Bildung vom Kindergarten bis zur Universität leisten wollte. "Die leben in den Tag hinein", so der Vorwurf aus dem Süden. In Bayern zahlen Studenten Gebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester.

Dabei hat die Frage, wofür welches Bundesland Geld ausgibt, überhaupt keinen Einfluss auf die Verteilung über den im Grundgesetz verankerten Länderfinanzausgleich. Für den Ausgleich relevant sind vor allem die Steuereinnahmen der Länder - ein kostenloses Universitätsstudium in Berlin geht also nicht zu Lasten des bayrischen Finanzministers. Ein weiteres Kriterium für den Finanzausgleich sind die strukturellen Voraussetzungen der Länder. Stadtstaaten wie Berlin, Bremen und Hamburg erhalten aufgrund ihrer Doppelbelastung, sie sind gleichzeitig Land und Gemeinde, einen Zuschlag. Auch dünn besiedelte Länder wie Mecklenburg-Vorpommern bekommen einen Zuschlag, denn für sie ist die Unterhaltung der notwendigen Infrastruktur besonders kostspielig. Wie viel und wo die Nehmerländer Geld einsparen, ist unerheblich - an den Geldströmen im Länderfinanzausgleich ändert das nichts.

Das sollte auch der klagefreudige Finanzminister Willi Stächele (CDU) wissen - in Baden-Württemberg profiliert er sich jedoch lieber mit Polemik gegen Bildungsausgaben. Schülerbafög in Brandenburg, Abschaffung der Studiengebühren in Bremen und die Verkleinerung der Schulklassen in Rheinland-Pfalz werden so zum Sündenfall ausufernder Staatsausgaben, für die sich die ärmeren Länder zu rechtfertigen haben. Dies alles sind Maßnahmen, die die reichen Geberländer jedoch auch trotz Finanzausgleich selbst finanzieren könnten, wenn sie es denn nur wollten. Der Verweis des rheinland-pfälzischen Finanzpolitikers Frank Puchtler (SPD), dass jedes Bundesland selbst in der Lage sei, über seine Ausgaben zu entscheiden, ist da nur stimmig.

Der Grund für die Empörung des Südens ist daher wohl vor allem wahltaktisch motiviert, immerhin wird in Baden-Württemberg am 27. März gewählt. In diesem und im kommenden Jahr will allein Bayern insgesamt 2,5 Milliarden Euro einsparen. Nicht ohne Kreditaufnahme, dafür aber ebenfalls mit Einschnitten über alle Ressorts hinweg wird auch die hessische Landesregierung 2011 einen rigiden Sparkurs fahren. Zudem will das Land am 27. März zusammen mit den Kreistagswahlen auch über eine Verfassungsänderung abstimmen. In Hessen soll die Schuldenbremse eingeführt werden, darüber besteht unter allen Parteien mit Ausnahme der Linken Konsens. Die Linke hat aufgrund der Abstimmung bereits angekündigt, den Staatsgerichtshof anzurufen, da die Erläuterungen, die den Wählern zur Schuldenbremse zugesandt werden, lediglich die Auffassung der Befürworter enthielte. Dies sei undemokratisch und möglicherweise sogar verfassungswidrig.

Auf die Einwohner der Geberländer werden also künftig wohl Einschnitte zukommen. Die Schuld dafür wird allerdings delegiert. Auffällig ist zudem, dass mit Rheinland-Pfalz, Berlin und Brandenburg ausschließlich die Haushaltspolitik jener Empfängerländer von den schwarz-gelb regierten Geberländern kritisiert werden, in denen weder die Liberalen noch die Union an der Regierung beteiligt sind. Das Ziel der Debatte um den Länderfinanzausgleich ist damit eindeutig: Kurz vor den wichtigen Wahlen soll dem politischen Gegner die Kompetenz in Haushaltsfragen abgesprochen und zugleich die Schuld an eigenen Sparmaßnahmen angehängt werden.