Bild-Zeitung schreibt die Leiharbeit schön

Die Fachberatung zum Artikel stammt von einem Lobbyverband

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

"Wem nützt die Zeitarbeit?" - mit dieser Schlagzeile warben gestern Zeitungskioske in der Hauptstadt für die Bild-Zeitung. Eine Antwort auf diese Frage konnten die Leser freilich nicht erwarten. Stattdessen bietet der Artikel, der auch im Internet nachlesbar ist, einen unkritischen Blick auf die umstrittene Branche, die derzeit "boomt wie nie" und möglicherweise eine "Alternative zu einem normalen Job" sein könnte.

So erklärt der unter der Rubrik "Ratgeber" erschienene Bild-Artikel beispielsweise, woran man eine "gute Zeitarbeitsfirma" erkennen könne. Diese kümmere sich um ihre Mitarbeiter und zahle nach Tarif. Zu den positiven Beispielen zählt Bild unter anderem den Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ), die Printausgabe nennt zusätzlich die "Top Ten" der Branche, darunter Randstad und Adecco.

Pikant dabei: "fachliche Beratung" für den Bild-Ratgeber leistete mit Wolfram Linke ein Vertreter des Lobbyverbandes IGZ, der im Artikel selbst positiv genannt wird, sowie der Professor für Arbeitsrecht Peter Schüren. Schüren steht der weit verbreiteten Praxis, dass Unternehmen ihre eigenen Leiharbeitsfirmen unterhalten, um Tarifverträge zu unterlaufen, kritisch gegenüber. Allerdings hat auch er prinzipiell nichts gegen "Kostensenkung durch Leiharbeit" einzuwenden - solange die Unternehmen dafür auf bereits am Markt aktive Verleiher beauftragen.

Der Verweis der Bild auf die Tariflöhne, die seriöse Zeitarbeitsfirmen zahlen würden, ist scheinheilig: In keinem anderen Sektor ist die Verbreitung von Tariflöhnen so hoch wie in der Zeitarbeitsbranche. Das hat einen einfachen Grund. Unter Gerhard Schröder (SPD) wurde für die Zeitarbeitsbranche die Regelung, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelten müsse, gesetzlich festgeschrieben. Nicht jedoch, ohne ein Schlupfloch zu lassen. Gibt es einen Tarifvertrag, so hat dessen Anwendung Vorrang. Dies ermöglichte den christlichen Gewerkschaften, mit Dumpingtarifverträgen zu Gunsten der Arbeitgeber die gesetzliche equal-pay-Regelung zu umgehen.

Die von der Bild so hochgelobte IGZ greift zwar nicht auf die Tarife der christlichen Gewerkschaften, sondern auf jene des DGB zurück, doch auch sie fürchtet eine per Gesetz festgeschriebene Gleichbehandlung der Leiharbeiter und der Stammbelegschaft. Gleichbehandlung bedeute einen Angriff auf die Tarifautonomie, gefährde das Unternehmerprinzip und den "Steg zur Beschäftigung über die Zeitarbeit", so die IGZ in einem offenen Brief an die Mitglieder des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat.

Auch auf einen möglichen Sprung von der Leiharbeit in eine Festanstellung macht die Bild ihren Lesern Hoffnung. Dabei erwähnt sie allerdings nicht, dass es derzeit keine einzige Studie gibt, die dies für den deutschen Arbeitsmarkt bestätigt. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das zur Bundesagentur für Arbeit gehört, sieht in der Leiharbeit lediglich einen kleinen Steg in den ersten Arbeitsmarkt. Jedoch verdränge Leiharbeit reguläre Beschäftigung, so das IAB (Keine starke Brücke, sondern ein Steg).

Wie Leiharbeiter vorgehen können, wenn ihr Arbeitgeber das Arbeitszeitkonto plündert oder falsch abrechnet erfährt der Leser im Bild-"Ratgeber" allerdings nicht.