Die Inflation der Leak-Plattformen

Immer mehr Nachahmer von WikiLeaks drängeln auf die Bühne, am Montag wurde GreenLeaks gestartet

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit Montag spielt auch eine eine Gruppe von Journalisten, Juristen und Umweltschützern um den australischen Dokumentarfilmer Scott Millwood bei der Leak-Welle mit und hat am Montag GreenLeaks.com in Berlin eröffnet. Man will speziell "Missstände bei Umwelt-, Klima- und Verbraucherschutz" aufdecken, aber es auch ganz anders als das Vorbild WikiLeaks machen.

Die neue Plattform will sich nicht nur globaler, sondern auch lokaler Themen annehmen. Wichtiger scheint aber etwas anderes zu sein. Dass GreenLeaks sich nicht etwa die TLD .org, sondern .com gegeben hat, scheint Programm zu sein. So heißt es bei Greenpeace: "Die GreenLeaks-Betreiber verstehen sich im Unterschied zu Wikileaks mehr als Partner von Unternehmen und Regierungen denn als ihre Ankläger." Versprochen werden auch den Unternehmen Vorteile, fragt sich nur, wleche Funktion GreenLeaks haben kann, wenn intern Missstände aufgedeckt und bearbeitet würden: "Zeitnahe öffentliche Aufmerksamkeit für die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko hätte dazu beitragen können, massive Umweltverschmutzung und hohe Kosten zu vermeiden." Man will aber auch noch mehr:"Damit den veröffentlichten Informationen auch Taten folgen, will die GreenLeaks-Gruppe ihre 'Fälle' begleiten, bis die Verantwortlichen handeln." Darauf darf man gespannt sein, das verlangt viel Arbeit und viele Ressourcen, wenn denn Whistleblowers aktiv werden sollten. Bislang ist GreenLeaks noch leer.

Es war abzusehen, dass nach dem Aufmerksamkeitserfolg von WikiLeaks die Idee zahllose Nachahmer finden wird, die sich an den Zug hängen (Die Transparenz der digitalen Revolution steht noch aus). So ist das mit jeder zündenden Idee. Nun leakt es mächtig überall. Organisationen und Medien schwimmen im Trend mit und sind auf der Suche nach leakbaren Inhalten und in Konkurrenz mit ihresgleichen. Das interessante Material dürfte auf diese Weise bald dürftig werden oder es wird immer mehr Unwichtiges und Nicht-Authentifiziertes in die Welt gesetzt.

Der Datenjournalismus wird sich so selbst untergraben. Herbert Marcus hatte – schon lange ist es her – von einer affirmativen Kultur gesprochen, die alles zunächst Subversive aufnimmt und entschärft, so dass das System erhalten bleibt. Die Vielzahl der Leak-Sites, die nach Material suchen, werden auch den Effekt haben, dass Behörden und Unternehmen die Kontrolle erhöhen und die Sicherheitsmaßnahmen verstärken. So führt vermutlich der Wunsch nach mehr Transparenz zu mehr Überwachung und geschlossenen Systemen.