Agents Provocateurs auf Indymedia?

Nach der Entdeckung von IP-Nummern aus dem Regierungsnetzwerk GSI wird über Erklärungen spekuliert

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In den letzten Wochen kamen vier Fälle ans Licht, in denen verdeckte Ermittler jahrelang nichts anderes getan hatten, als britische Umwelthippies auszuforschen, wobei sie teilweise auch mit "AktivistInnen" anbandelten und geschlechtlich verkehrten. Nun behauptet Indymedia Sheffield, dass Regierungsangestellte auf der Portalkette Aufrufe zu Gewalt gepostet hätten.

Durch die Affäre geraten allerdings auch die Betreiber der Indymedia-Seiten in Erklärungsnöte: Bisher behaupteten sie, dass sie keine IP-Nummern speichern würden. Nun kam heraus, dass zur Bekämpfung von "Missbrauch" durchaus ein Loggen stattfindet. Angeblich geschieht dies aber nur bei bestimmten IP-Nummern, die "auffielen".

"Tierbefreier" beim Stehlen einer Ente. Foto: Animal Liberation Front. Lizenz: Public Domain.

Eine dieser IP-Adressen war 62.25.109.196. Sie ist dem Government Secure Intranet (GSI) zugeordnet, einem Netzwerk der britischen Regierung zum sicheren Datentransfer. GSI ist nicht identisch mit dem Police National Network (PNN), aber man kann sich von dort aus damit verbinden. Betrieben wird es von der Firma Energis, die zum Cable&Wireless-Konzern gehört. Anfragen von Telepolis an Energis blieben bis jetzt unbeantwortet.

Unter den mit GSI-IP-Nummer geposteten Kommentaren befindet sich einer, der Brandstiftungen befürwortet und ein anderer, in dem ein Nutzer namens "Millitant Band" zum gewaltsamen Stürmen des Kraftwerks Kingsnorth aufruft:

Nein - vergesst das - macht den Laden zu: Lasst uns nicht alle wie die Lemminge herumstehen - lasst uns den Laden zumachen! Bringt Leiter und Bolzenschneider mit. Wenn genug von uns da sind, können wir ihn zumachen!

Laut Indymedia Birmingham diente mindestens einer der Kommentare mit GSI-IP-Nummer in der Vergangenheit zur Begründung der Beschlagnahme von Servern. Auch gerichtliche Näherungsverbote nach dem Anti-Stalking-Gesetz wurden mehrfach mit Indymedia-Postings begründet. Nach bisherigem Kenntnisstand stammten diese jedoch nicht von Beiträgern mit GSI-IP-Nummern. Für diese Zwecke geeignete Kommentare durch Agents Provocateurs zu fabrizieren, dürfte insofern kaum nötig gewesen sein, als sich auf britischen Indymedia-Seiten massenhaft Postings mit einem dafür tauglichen Tenor und der Rhetorik einer Lindenstraßen-SA finden, die sich teilweise lesen wie Parodien aus Büchern von Stewart Home oder Ken McLeod.

Einer der mit GSI-IP-Nummer geschriebenen Beiträge enthält Details zu einem Pelzgeschäft in Leeds, ein anderer zu einem Zirkus. "Antispeziesisten" vermuten jetzt, dass es sich dabei um Honigtöpfe gehandelt haben könnte, mit denen sie in die Falle gelockt und zu Anschlägen motiviert werden sollten. Ein weiterer Kommentar mit GSI-IP-Nummer rief Tierschützer dazu auf, sich die Kampagne "Save the Hill Grove Cats" und das Vorgehen gegen die Darnley Oaks Farm zum Vorbild zu nehmen. Dort gab es unter anderem Terrordrohungen und Sprengstoffanschläge gegen Menschen.

Allerdings wird offenbar bei weitem nicht in allen GSI-Postings zur Gewalt aufgerufen. Andere Kommentare weisen beispielsweise darauf hin, wie wenig zweckdienlich Schmierereien für ein Anliegen waren. Und ein User namens "Antifa" warnte am 29. Juli 2009 mit einschlägiger IP-Nummer vor landesweiten Polizeirazzien. Nun wird gemutmaßt, dass man damit vielleicht herausfinden wollte, wer im Zuge dieser Warnung wen kontaktiert.

So lange es keine Stellungnahme von Energis gibt, bleiben die derzeit auf Indymedia und anderen Portalen geäußerten Vorwürfe Spekulation. Zwar besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Postings tatsächlich aus dem Regierungs-Intranet kamen - dies muss jedoch nicht zwangsläufig heißen, dass sie von Agents Provocateurs stammen. Ebenso möglich sind Trolle, die sich bei ihrer Arbeit langweilen, oder Sozialpädagogen, die tatsächlich mit militanten Umwelt- und Tierschützern sympathisieren.

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