Musik im Februar

60er bis 90er Jahre

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Sechziger Jahre: The Velvet Underground - Heroin

Andy Warhol machte The Velvet Underground kurzfristig zu seiner Hausband. Für ihre erste Platte gestaltete er gar das Cover. Längst zählt "das Bananenalbum", wie es genannt wird, zu den bekanntesten und teuersten der Branche. Das Werk selbst, das Lou Reed, John Cale und Co. zusammen mit dem deutschen und leider viel zu früh verstorbenen Model Nico im Frühjahr 1967 aufnahmen und das Warhol eigenhändig produzierte, gehört mit zu den besten, das die Popgeschichte kennt. Über eine Handvoll davon verdienten es, hier eigens hervorgehoben und präsentiert zu werden, "Waiting For The Man" und "Venus in Furs" etwa, oder "I’ll Be Your Mirror" mit dem Sprechgesang Nicos und "All Tomorrow’s Parties".

Entschieden haben wir uns schließlich für "Heroin", auch und besonders im Gedenken all jener aus unserem Bekanntenkreis, die den Versprechungen der Droge gefolgt sind, und das entweder mit dem Leben und mit bleibenden Schäden bezahlt haben oder gerade so mal noch die Kurve gekriegt haben. Wie heißt es dort über die Macht und die Lockungen von H so "treffend":


Siebziger Jahre: The Who - Won't Get Fooled Again

Nachdem sie ihre Rockoper "Tommy" mit großem kommerziellem Erfolg unters Volk gebracht hatten und in Woodstock mit zu den Headliners des Festivals zählten, waren The Who Anfang der 70er auf dem Gipfel ihrer Karriere angelangt. Bis dahin galten sie als die Rock-Hooligans schlechthin. Nach jedem Konzert zertrümmerten sie ihre Instrumente und brachten sich aus Showgründen, wie Roger Daltrey später kleinlaut eingestand, häufig selbst um die monetären Früchte ihrer Arbeit.

Bis zur endgültigen Abmischung ihres Psycho-Dramas "Quadrophenia", der musikalischen Aufarbeitung der Geschichte der Mods, produzierten sie in der Zwischenzeit "Who’s Next", das nicht nur eines der besten Rockalben der Geschichte ist, sondern auf dem sich mit "Won’t Get Fooled Again" auch einer der wohl besten Rocksongs aller Zeiten befindet. Der Einspieler ist deshalb denkwürdig, weil er nicht nur die Performance der Band eindrucksvoll wiedergibt, sondern weil auf ihm auch einer der letzten Bühnenauftritte des Schlagzeugers Keith Moon dokumentiert wird.

Achtziger Jahre: The Cure - Love Song

Wer über dieses Jahrzehnt popkulturell reflektieren will oder muss, kommt nicht um die Band The Cure herum. Anfangs wie Depeche Mode als bloße "Teenie-Boppers" verschrien oder belächelt, entwickelten sie sich im Laufe der Jahre zu richtigen Trendsettern der Zeit, die es obendrein verstanden, den Lebensweg vieler Menschen zu beeinflussen. Vor allem Robert Smith, ihr Sänger, gefiel sich in der Rolle des grellen und düster geschminkten Paradiesvogels, der seine Haare auftoupierte, die Lippen knallrot färbte und die Augen mit Kajal umrahmte. Der Sound der Band oszillierte häufig zwischen "Himmel hoch jauchzend und zu Tode betrübt". So mancher Fan übte sich demzufolge nicht selten in depressiver Melancholie. Nichtsdestotrotz verdanken wir der Band einige der besten Popalben.

"Love Song", unser Tipp, stammt vom 1989er Album "Disintegration". Auch wenn ich damals doch schon ein bisschen zu alt war für die Reize des Songs, so wird sich der eine oder andere noch etwas Jüngere bestimmt noch an einige der schönen Momente erinnern, die er seinerzeit zusammen mit seiner Liebsten beim Hören des Songs verbracht hat.

Neunziger Jahre: Oasis & Noel Gallagher - Don’t Look Back in Anger

Was wären die Neunziger ohne die Skandale der Prolo-Brüder Liam & Noel Gallagher, dem öffentlich ausgetragenen Streit mit Damon Albarn und der Gruppe Blur um die Krone des BritPops und dem ständigen Zank, den sie mit- und untereinander vor den Augen aller anderen pflegten Vor eineinhalb Jahren hat das brüderliche "Missverständnis" zum endgültigen Aus der Band geführt. Seitdem ist Oasis Popgeschichte, zum Leidwesen vieler Fans. Während Liam mit dem Rest der Mannschaft inzwischen die Band Beady Eye aus der Taufe gehoben hat, die Ende nächsten Monats ihr Debüt geben wird, weiß man noch nicht so recht, was Noel, der eigentlich Kopf von Oasis, vorhat.

Auch hier könnte man wieder auf eine Vielzahl von Songperlen hinweisen, die an der Biografie etlicher Leute irgendwie mitgeschrieben haben. Auf die "Champagne Supernova" etwa, auf die Revitalisierung des "Rock 'N' Roll Star" oder auf ihr "Live Forever". Entschieden haben uns letztlich doch für "Don’t Look Back in Anger", nicht nur, weil der Titel nach dem Zerwürfnis der Band als Leitspruch dienen sollte, sondern auch, weil wir uns selbst daran orientieren sollten. Die Aufnahme zeigt bereits den Solokünstler Noel Gallagher. Mehr als das, fasziniert aber ein fantastisches argentinisches Publikum, das man in dieser Begeisterung in unseren Breitengraden vergeblich suchen wird.

Nuller Jahre: Zoot Woman - Lonely By Your Side

Das war schon heikel, was das Londoner Trio Zoot Woman da Anfang des neuen Jahrtausends ausprobiert hat, als die Drei mit einem Plattencover für Aufsehen sorgten, auf dem sie sich im Glamour-Stil einer John Travolta Disco-Gedächtnishosenbewegung inszenierten und ganz ungeniert - immerhin war die Rückkehr des Garagen Rocks angesagt - von einem Leben in Hochglanzmagazinen schwärmten.

Was anfangs noch wie bloßer RetroPop ausschaute, entpuppte sich im Laufe der Zeit als eine raffinierte Mischung aus Indie-Rock, Dance und Synthie-Pop. Bald wurde nicht nur Madonna auf Stuart Price, den Musical Director der Band aufmerksam, auch andere Größen der Branche ließen sich fortan von ihm ihre Platten aufpeppen, darunter die Killers, die Scissor Sisters oder zuletzt gar Kylie Minogue und Take That. Unter all diesen Soundbasteleien, die Stuart Price für andere unternimmt, leidet die Band, die seitdem meist ohne ihren viel beschäftigten Mastermind auf Tour gehen muss.

Auch hier gäbe es etliche Tipps zur Auswahl, bei denen wir uns beizeiten schon mal die Seele aus dem Leib getanzt haben. Der hier stammt vom letzten Album "Things Are What They Used to Be"

Album des Monats Januar 2011: Motörhead - Your Wörld Is Yours

Der Monat Januar ist in aller Regel nicht gerade dafür bekannt, dass er bleibende Popwerke liefert. Auch dieses Mal ist wenig Beachtliches dabei, zwar für jeden Geschmack, aber nichts was auf Dauer überzeugt, bleibende Wirkung verspricht oder gar den Hörer elektrisiert. Hervorzuheben aus dem Grau des Monats sind der Bombast-Sound der British Sea Power und der der flirrende Flamenco-Rock der Newcomerin Anna Calvi, vielleicht noch die Rückkehr der Gang of Four oder der Zweitling der GothicRocker White Lies, weniger schon und mit deutlichen Abstrichen der politisch-korrekte Disco-House, den die tazler, SZler und Spexler so lieben und der von den queeren Hercules & Love Affair stammt.

Mangels Klasse sei darum stattdessen und an dieser Stelle das jüngste Motörhead-Album empfohlen, das kurz vor Weihnachten noch rasch auf dem Markt geworfen wurde, aber wegen des späten Erscheinungsdatums durchaus noch als 2011-Erscheinung gewertet werden kann. Ein Kritiker meinte jüngst über Lemmy Kilmister und seine beiden Mitstreiter, dass es ihm beim Hören der "alten Säcke" so vorkomme, als seien Status Quo von einem Werwolf gebissen worden. Naja, das Bild mag schief sein, irgendwie treffend ist es vielleicht schon. Die geballte Ladung Energie jedenfalls, die die zehn Songs am Stück und nonstop transportieren und entwickeln, ist in all ihrer einfachen Machart einzigartig und Rock & Roll at ist best. Anspieltipp Song 9: I Know What You Need