Die Implosion der strategischen Partner

Israel warnt den Westen davor, Mubarak aufzugeben

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Für morgen ist ein „Mega-Protest“ in Kairos Straßen angekündigt, eine Million Menschen will man mobilisieren. Die Sicherheitskräfte bauen vor, sperren alle Zugänge zum Tahrir-Platz. Ob die Hindernisse ausreichen, um der Demonstration den Schwung zu nehmen, bleibt offen. Die Frage ist, wie werden Polizei und Armee gegen die Protestmenge vorgehen, üben sie brutale Gewalt aus – unter den Augen der internationalen Öffentlichkeit - dürfte es Mubarak schwer haben, sich weiter zu halten. Gleiches wird aber auch für den Fall vorhergesagt, dass die Menge der Demonstranten mit weiter wachsender Unterstützung und Vehemenz seinen Rücktritt fordert: "If they fire on the Egyptian people, Mubarak is finished. And if they don't fire on the Egyptian people, Mubarak is finished."

Die Tage Mubaraks sind gezählt, so der Tenor nicht nur in der ägyptischen Bevölkerung. Investoren ziehen ihr Geld ab, die Kreditwürdigkeit des Landes wurde herabgestuft, Angehörige der Elite haben ihre Koffer gepackt und das Land verlassen und in politischen Kreisen steht für viele fest, dass man nicht mehr zu alten Verhältnissen zurück kann. Wie der Übergang verläuft, hängt auch sehr davon ab, welchen Einfluss die westlichen Länder, allen voran die USA und Israel, geltend machen können.

Die israelische Regierung sieht in der gegenwärtigen Entwicklung große Gefahren, wie von mehreren Seiten geäußert wird:

“For the United States, Egypt is the keystone of its Middle East policy,” a senior official said. “For Israel, it’s the whole arch.“

New York Times

Herausgestrichen wird, dass man mit großer Sorge Tendenzen innerhalb der US-Regierung und in der EU beobachte, die sich auf Seiten der „Kritiker“ Mubarak stellen und dessen Absetzung unterstützen, heißt es in einen Bericht der israelischen Zeitung Ha'aretz.

Zwar sind bisherige Statements der US-Regierung der EU so vorsichtig und uneindeutig formuliert, dass - sollte Mubarak nicht allzu offensichtlich weiter zu brutalen Mitteln der Unterdrückung der Proteste greifen - genug Spielraum bleibt, der einer Fortführung der Präsidentschaft Mubaraks für eine gewisse Zeit Platz lässt, aber eine aus den Statements herauszulesende Sympathie für die Oppositionsbewegung schreckt die israelische Regierung auf, wie eine ranghohe Regierungsquelle gegenüber Ha'arez verdeutlicht:

Die Amerikaner und die Europäer sind im Schlepptau der öffentlichen Meinung und bedenken ihre ureigenen Interessen nicht. Selbst wenn die Mubarak gegenüber kritisch sind, müssen sie ihren Freunden das Gefühl geben, dass sie nicht alleine sind. Jordanien und Saudi-Arabien sehen in den Reaktionen im Westen, wie jeder Mubarak aufgibt und das wird schwerwiegende Implikationen haben.

Laut Zeitungsbericht hat die israelische Regierung am Wochenende mit Nachdruck an die USA und europäische Länder appelliert, ihre Kritik an Mubarak zu dämpfen, um „Stabilität in der Region aufrechtzuerhalten“. Nach Informationen der Zeitung hat das israelische Außenministerium eine Direktive an ein Dutzend „Schlüsselbotschaften“ in den USA, Kanada, China, Russlnad und einige EU-Staaten verschickt, damit die Botschafter den Gastländern in aller Dringlichkeit verdeutlichen, wie wichtig die „Stabilität Ägyptens“ sei.

Die israelischen Befürchtungen um eine größere Gewichtsverlagerung im Kräftespiel des Nahen Ostens reichen über Ägypten hinaus. Der Funke der Bevölkerungsaufstände könnte auch auf die Palästinenser überspringen (siehe auch Potential für neue Mobilisierungen) - zumal sich die Repräsentanten der Palästinensische Autonomiebehörde durch die Veröffentlichung der Palestine Papers als das bestätigt hat, was ihr Kritiker schon immer vorgeworfen haben: dass sie viel zu nahe an den Interessen Israels und den USA verhandelt haben.

Sollte Mubarak politisch nicht überleben, bleiben nur noch zwei strategische Bündnispartner: Jordanien und die PA. Dort geht es allerdings auch nicht mehr stabil zu.

(...) the countdown may well begin for the PA's implosion. Even the US and EU support for the repressive PA police-state-in-the-making may no longer be politically tenable. Hamas may be the immediate beneficiary, but not necessarily in the long term. For the first time in years we are seeing broad mass movements that, while they include Islamists, are not necessarily dominated or controlled by them.

Ali Abunimah, The Electronic Intifada

Gewisse israelische Hoffnungen auf die Post-Mubarak-Regierung in Ägypten könnten sich auf ElBaradei stützen, der gut mit dem bisherigen Machtverhältnissen und dessen Personal vertraut ist, allerdings wird er derzeit auch von der Muslimbruderschaft unterstützt. Das kann aber auch nur ein machtstrategischer Partner auf Zeit sein, wie sich in der ägyptischen Geschichte schon gezeigt hat.