Sechs auf einen Streich

Astronomen faszinieren sechs kleine Planeten, die einen sonnenähnlichen Stern umkreisen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Kepler-Mission der NASA hat eine bemerkenswertes Planetensystem entdeckt, bei dem sechs Planeten um einen sonnenähnlichen Stern kreisen – fünf von ihnen in nahen Umlaufbahnen. Astronomen der University of California (Santa Cruz) und ihre Koautoren haben die Umlauf-Dynamiken des Systems analysiert, die Größen und Massen der Planeten errechnet und ihre wahrscheinliche Zusammensetzung ermittelt – alles anhand von Keplers Messungen der wechselnden Helligkeit ihres Zentralgestirns (Kepler-11), während die Planeten an diesem vorüber zogen.

„Das ist nicht bloß ein faszinierendes Planetensystem“, so Daniel Fabrycky, Hubble-PostDoc-Fellow an der UC Santa Cruz, der die Umlauf-Dynamik-Analysen leitete, „es bestätigt auch eine neue, leistungsstarke Methode für die Massenberechnung von Planeten“. Fabrycky und Jack Lissauer, ein Wissenschaftler am NASA-Ames-Research-Center in Mountain View, sind die federführenden Autoren eines Artikels über Kepler-11 in der Nature-Ausgabe vom 3. Februar.

Kepler-Telescope. Bild: NASA/Kepler Mission/Wendy Stenzel

Die fünf inneren Planeten des Kepler-11-Systems haben Massen vom 2,3- bis 13,5-fachen unserer Erde. Die Umlaufzeiten betragen bei allen weniger als 50 Tage, daher liegen ihre Orbits innerhalb einer Region, die in die Umlaufbahn des Merkur passen würde. Der sechste Planet ist größer und weiter vom Zentralgestirn entfernt mit einer Umlaufdauer von 118 Tagen und bislang noch unbestimmter Masse.

„Von den sechs Planeten ist der massivste wahrscheinlich unseren Neptun und Uranus ähnlich. Die drei masseärmsten Planeten ähneln nichts, was es auch in unserem Sonnensystem gäbe“, sagt Jonathan Fortney, Dozent für Astronomie und Astrophysik an der UCSC, der zusammen mit seinen Graduierten Eric Lopez und Neil Miller die Arbeitsgruppe leitet, die sich mit der Struktur und Zusammensetzung der Planten beschäftigt.

Das Kepler-Space-Telescope sucht nach Planeten, die vor ihrem Zentralgestirn vorüber ziehen und dabei wiederkehrende Helligkeitsschwankungen verursachen, welche dann mit den empfindlichen Photometer des Teleskopes gemessen werden können. Die Größe dieser Helligkeitsunterschiede verrät den Wissenschaftlern, wie groß der Planet ist bzw. welchen Radius er hat. Aus der Zeit, die zwischen seinen Transits vor der Sonne vergeht, leiten die Wissenschaftler seine Umlaufzeit ab. Um die Massen der Planeten zu ermitteln hat Fabrycky leichte Abweichungen in den Umlaufzeiten, die durch Gravitationsinteraktionen entstehen, analysiert.

llustration der Transit-Methode. Bild: NASA

„Die Dauer der Transits sind nicht absolut gleichmäßig und das ist ein Zeichen für die gravitativen Wechselwirkungen der Planeten“, erklärt Fabrycky. „Dadurch, dass wir ein Modell für die Umlaufgeschwindigkeiten entwickelt haben, konnten wir dir Massen der Planeten errechnen und haben herausgefunden, dass das Sonnensystem schon seit mehreren Millionen Jahren in einem stabilen Zustand existiert.“

Zuvor wurden nach der Entdeckung transitierender Planeten zusätzlich starke Erd-basierte Teleskope genutzt, um den Planetenfund zu bestätigen und mithilfe der Doppler-Spektroskopie seine Masse zu bestimmen. Im Kepler-11-System sind die Planeten allerdings zu klein und der (2000 Lichtjahre entfernte) Stern zu lichtschwach, um das typische Wobbeln des Sterns beim Vorüberzug eines Planeten zu beobachten. Das ist bei vielen Exoplaneten-Systemen der Fall, die während der Kepler-Mission entdeckt wurden. Deren Hauptziel ist es, kleine, Erd-große Planeten innerhalb der „bewohnbaren“ Zone ihres Sterns zu suchen.

Doppler-Verschiebung beim „Wobbeln“. Bild: NASA

Mehr als 100 Transit-Planeten wurden von Kepler und anderen Teleskopen bislang beobachtet, aber die Mehrzahl von ihnen sind Jupiter-ähnliche Gasriesen, und fast alle von diesen befinden sich in Ein-Planeten-Sonnensystemen. Das Kepler-11-System ist daher schon aufgrund der Menge seiner Trabanten, ihrer kleinen Größe und nahen Umlaufbahnen bemerkenswert. Vor seiner Entdeckung kannten Astronomen nur nur drei Systeme, in denen Planeten kleiner als Neptun um ihre Sonne kreisen. Jetzt kennen sie ein einziges Planetensystem mit fünf weiterer solcher Planeten. Der sechste Planet in Kepler-11 ist allerdings zu weit von den übrigen Trabanten entfernt, als dass Wechselwirkungen beobachtet werden könnten, die Rückschluss auf seine Masse zuließen, so Fabrycky.

So wie auch in unserem Sonnensystem umkreisen alle Planeten Kepler-11 mehr oder weniger auf der selben Ebene. Diese Entdeckung stützt die These, dass sich Planeten aus flachen Gas-Scheiben und Staub, welche um die Sonne kreisen, geformt haben. Fabrycky sagt: „Die komplanaren Orbits in unserem Sonnensystem haben die ersten Ideen für diese Theorie geliefert; jetzt haben wir ein anderes gutes Beispiel. Dies und die Ähnlichkeit von Kepler-11 mit unsere Sonne sind allerdings die einzigen Gemeinsamkeiten mit unserem Sonnensystem.“

Die Dichte der Planeten (abgeleitet aus ihrer Masse und ihrem Radius) lassen Rückschlüsse auf ihre Zusammensetzung zu. Alle sechs Planeten haben Dichten niedriger als die der Erde. „Es sieht so aus, als bestünden die inneren zwei zumeist aus Wasser, vielleicht mit einer dünnen Hülle aus Wasserstoff und Helium – wie Mini-Neptune“, vermutet Fortney. „Die weiter Außen liegenden haben Dichten, die niedriger als die von Wasser sind, was einen deutlichen Hinweis darauf gibt, dass sie Wasserstoff-Helium-Atmosphären besitzen.“

Kepler-Suchfeld. Bild: NASA, Carter Roberts

Das ist deshalb überraschend, weil ein kleiner, heißer Planet eigentlich Schwierigkeiten haben sollte, eine derartig leichte Atmosphäre zu halten. „Diese Planeten sind ziemlich heiß aufgrund ihres nahen Orbits. Und je heißer sie sind, umso mehr Gravitation benötigen Sie, um ihre Atmosphären zu halten“, so Fortney. „Meine Stundeten und ich arbeiten noch an diesem Problem, wir glauben jedoch, dass all diese Planeten mit einer dichteren Wasserstoff-Helium-Atmosphäre entstanden sind. Und wir sehen Reste solcher Atmosphären in den weiter außen liegenden Planeten. Diejenigen, die sich näher an der Sonne befinden, haben wahrscheinlich mehr von ihrer Atmosphäre verloren.“

Ein anderer Grund dafür, warum ein Sechs-Planeten-System so interessant ist, ist, dass es den Wissenschaftlern derartige Vergleiche zwischen den Planeten des Systems anzustellen. „Auf diese Weise können wir herleiten, was mit dem System als Ganzes in der Vergangenheit geschehen ist“, so Fortney. „Eine derartige vergleichende Planeten-Wissenschaft hat uns dabei geholfen unser eigenes Sonnensystem zu verstehen. Deswegen ist der jetzige Fund um so viel interessanter als die Entdeckungen einiger heißer Jupiter, die um andere Sterne kreisen.“

Zum Beispiel deutet die Anwesenheit kleiner Planeten mit Wasserstoff-Helium-Atmosphäre an, dass sich dieses System sehr schnell gebildet hat. Andere Studien haben gezeigt, dass stellare Scheiben ihre Wasserstoff- und Helium-Vorräte innerhalb von ungefähr 5 Millionen Jahren verlieren. „Daran können wir ablesen, wie schnell sich Planeten formen“, schließt Fortney.

Die inneren Planeten sind so nahe beieinander, dass ihre Entstehung in diesem Zustand eher unwahrscheinlich erscheint, fügt er hinzu. „Wenigstens einige von ihnen müssen sich weiter außerhalb des System gebildet haben und dann nach innen gewandert sein. Wenn ein Planet in einer Gasscheibe eingeschlossen ist, befördert ihn der Widerstand nach und nach spiralförmig näher ans Zentrum. So müssen solche Formationen und Wanderungen bereits sehr früh stattgefunden haben.“