50.299 Liederbücher

Der Verein Musikpiraten will allen deutschen Kindergärten und Kinderkrippen die Möglichkeit geben, Ansprüche der Gema abzuwehren

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Gestern Abend gab der im Umfeld der Piratenpartei gegründete gemeinnützige Verein Musikpiraten bekannt, dass seine im letzten Jahr mit einem Creative-Commons-Weihnachtsliederbuch begonnenen Hilfen für Kinderbetreuungsaktionen weitergehen sollen. Damit Kinder das ganze Jahr über ohne Angst vor der Gema singen können, soll jede der insgesamt 50.299 Kinderbetreuungseinrichtungen in Deutschland ein 52-seitiges Gesangsbuch zur Verfügung gestellt werden, dessen Inhalt beliebig oft für Eltern kopiert werden kann, ohne dass bürokratisch aufwendige Meldungen und Zahlungen an Verwertungsgesellschaften notwendig werden.

Das Füllen der Gesangsbücher mit Inhalt ist deshalb nicht schwer, weil bereits massenhaft gemeinfreier Content existiert, der aber zur Sicherheit neu gesetzt werden muss, weil die VG Musikedition auch für diese nicht sehr schöpferische Tätigkeit Monopolrechte beansprucht. Diese Setzarbeit sollen ebenso wie bei der Weihnachtsaktion Freiwillige mit der Software LilyPond übernehmen. Darüber hinaus sucht der Verein überall in Deutschland Helfer, die bei den Kinderbetreuungseinrichtungen jeweils ein gedrucktes Liederbuch abgeben. Besonders im Auge hat man dabei Mütter und Väter, die dies erledigen können, wenn sie ihr Kind bringen oder abholen. Außerdem gesucht werden Sponsoren, die helfen, den Druck von 50.299 Exemplaren zu finanzieren. Wer dazu beiträgt, wird in dem Buch auf einer gesonderten Seite als Spender aufgeführt.

Mit den gemeinfreien Liederbüchern nutzt der Verein einen Effekt, der sonst großen Firmen zugutekommt: Die teilweise sehr schwierige und aufwendige Prüfung, ob ein Stück gemeinfrei ist oder nicht, muss nicht 50.299 mal von juristischen Laien durchgeführt werden, sondern nur einmal - von Personen, die sich damit auskennen. Für Eltern haben die gemeinfreien Kinderlieder neben den gesparten Kosten den Vorteil, dass sie häufig weitaus nervenschonender sind, als das, was die Kulturindustrie in den letzten Jahrzehnten hervorbrachte. Im gemeinfreien Pool des Projekts Kinder wollen singen finden sich beispielsweise Lieder wie Schneemann, rolle, rolle, Die Vogelhochzeit, Alle Vögel sind schon da, Zum Geburtstag, Lirum Larum Löffelstiel, Bruder Jakob, Froh zu sein bedarf es wenig und - pädagogisch auch aus Sicht der Musikpiraten besonders wertvoll - Die Gedanken sind frei.

Sollte das Liederbuch gut angenommen werden, dann könnte es sein, dass die Autoren neuer Kinderlieder Einbußen erleiden, weil nicht nur ihre Noten, sondern auch ihre CDs und MP3s weniger gekauft werden. Fallen die Verluste hoch genug aus, dann könnte sich für Verleger ein gewisser Druck und vielleicht sogar der Lerneffekt ergeben, dass das Überschreiten ethischer Grenzen zum Zwecke der Gewinnerzielung auch in negative ökonomische Konsequenzen umschlagen kann.

Für eine weitere Form der direkten Bürgerhilfe, dem Freifunk, warben Piraten am Montag auf dem Netzkongress der CSU. Dort konfrontierten Sie Ministerpräsident Seehofer und andere anwesende Politiker, mit den evidenten Lücken, die es in der Breitbandversorgung auf dem Land immer noch gibt. Und auf das vom Ministerpräsidenten vorgebrachte Kostenargument konterten sie geschickt, dass Bürger solche Lücken ja günstig über Freifunk-Projekte schließen helfen könnten, wenn der Gesetzgeber eine Regelung einführt, die den seit letztem Jahr drohenden Haftungsexzessen Grenzen setzt.

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