Sich selbst in die Gleichung einbringen

Das Videospiel zu Disneys "Tron: Legacy" verwirklicht das Versprechen des Films, "drin zu sein"

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Ob es sich beim jüngst gestarteten Kinofilm "Tron: Legacy" (Als die Bilder rasen lernten...) um eine Fortsetzung zum oder ein Remake des Originals von 1982 handelt wäre noch zu diskutieren. Dass der Film die Märchenwelt der Mikroelektronik mit neuen Bildern versorgt und auf diese Weise einiges über unsere Technikfantasien aussagt, scheint jedoch unstrittig. Das Spiel "Tron: Evolution" geht diesen Weg konsequent weiter, weil hinter der "Interaktivierung" des Filmplots nun tatsächlich eine interessante medienphilosophische Idee der Konvergenzbildung zwischen Film, Spiel und beider Geschichte steckt.

Allen gefallen hat der Film "Tron: Legacy" nicht. Manche nahmen seine Story mit ihren klischeehaften Märchenversatzstücken und Figurenkonstellationen so ernst, dass sie darüber die allzu gern die Bilder und Töne des Films vergaßen; andere sahen in "Tron: Legacy" schlicht ein Amalgam verschiedenster Hollywood-Erfolgs-Science-Fiction-Filme der letzten 20 Jahre.

Wie viele Stoffe vom ersten "Tron"-Film Steven Lisbergers bis hin zu Wachowskis "Matrix 3" den Zuschauer "in die Welt des Computer" entführen wollten, soll hier nicht erörtert werden; dass all diese Versuche jedoch an einer großen Pop-Mythologie des Computers als "Wesen aus Hard- und Software" gestrickt haben, die letztlich nur auf ein Märchen hinauslaufen konnte, scheint schon angesichts der Stringenz, mit der bildliche und sprachliche Technik-Metaphern im Film eingesetzt wurde, plausibel.

Von der Film- in die Spielewelt

Bereits zu Zeiten von Steven Lisbergers "Tron", hatte das Merchandising vom Kino Erfolgsgeschichte vorzuweisen. Man denke nur an all das, was es zu George Lucas' "Star Wars"-Filmen zu kaufen gab. Im Film-Prolog zu "Tron: Legacy" werden solche Merchandising-Produkte im Spielzeug-Regal von Flynns Sohn gezeigt: Puppen, Fahrzeuge und anderes aus dem Film "Tron" - und es entsteht der Eindruck, als setze "Tron: Legacy" sich damit ontologisch von dem 1982er-Film ab, indem er ihn als popkulturelles Phänomen und nicht etwa als Prequel behandelt. Wenn Sam Flynn seinem Sohn dann von der Vision berichtet, "im Computer" zu sein, hat man schon nicht mehr ganz den Eindruck, als meine er das technisch, sondern durchaus auch als ein spielerisches Gedankenexperiment.

Auch schon zu Zeiten des ersten "Tron"-Films gab es Produkte, die sich dieses Gedankenexperiments annahmen. Etwa ein Spiel, in welchem man auf dem Raster um sein Leben spielt, bereits 1982 als Spielhallen-Automat von Midway Games lizenziert. Es wurde dann für verschiedene Homecomputer-Systeme als 2D-Draufsichtsrennspiel adaptiert und findet sich bis heute immer wieder in Varianten für verschiedene Plattformen; zuletzt war hier sehr interessant die 3D-Variante Armagetron Armagetron. Außerdem gab es 1982 und -83 bereits das Dics-Wurfspiel zum Nachspielen, die Solar-Sailer als Action-Spiel, ein Maze-Spiel, bei dem man sich durch das elektronische Labyrinth kämpfen musste, Handhelds und (angeblich) ist jüngst sogar das andere im Spiel gespielte Videogame - Space Paranoids -, als Automaten-Version aufgetaucht; zumindest aber lässt es sich online über den Browser spielen.

Anfang der 1980er-Jahre war die Adaption von Filmstoffen für Videospiele allerdings durchaus keine Neuheit mehr: Spektakulär war Atari im selben Jahr ausgerechnet mit der Spiel-Adaption von E.T. gescheitert und mit der "Pacman"-TV-Serie wurde sogar bereits der umgekehrte Adaptionsweg vom Computerspiel in den Film bzw. ins Fernsehen beschritten.

Die oben nur angerissene Menge von um 1982 etwa zeitgleich erscheinenden "Tron"-Spielen für die verschiedensten Systeme ist für diese Zeit dennoch ungewöhnlich. Dahinter ist nicht nur die wirtschaftliche Ausweitung der Filmstory auf Computerspiel-Stoffe zu vermuten, sondern quasi die "logische Fortsetzung" des Filmerlebnisses. Hatte Lisbergers "Tron" bis dahin ungesehene Computergrafiken auf die Kinoleinwand gebracht und den Zuschauer auf diese Weise immersiv in den Computer hinein gezogen, so schien klar zu sein, dass dieser - wieder zu Hause angekommen - im eigenen Homecomputer nach Fortsetzung und Interaktivierung des Erlebnisses suchte.

Vom alten Spiel zurück in den neuen Film

Der Film Tron: Legacy greift also bei weitem nicht bloß seinen Vorgänger auf und setzt ihn fort; er inkorporiert das Multi-Media-Ereignis "Tron" in ein Remake, das man mit Rüdiger Suchsland als Tron 2.0 bezeichnen könnte. Hier verschmelzen vorherige Film- und Spiel-Motive, die Grafik wird an den derzeitigen Geschmack und die technischen Möglichkeiten angepasst und es werden ein paar Computer-Politik-Diskurse eingebettet, die aufgreifen, was in den letzten Jahren (im Prinzip seit Flynn Ende der 80er im System verschwand) so alles auf dem "realpolitischen Raster" passiert ist: Betriebssysteme als Freeware, monopolistische Update-Politik von Softwarekonzernen, Hackeranekdoten als Aspekte einer neuen Heldenmythologie usw.

Das spielerische Element tritt im neuen "Tron"-Film dabei weiter in den Hintergrund als im alten: Spielen ist irgendwie "Retro", wie man schon an der seltsamerweise immer noch bestehenden und funktionierenden Spielhalle sieht. In deren Keller steht jener Computer, in dem Kevin Flynn gefangen ist und in den sein Filius Sam ebenso "eingescannt" wird. Einmal im System angekommen, wird er sogleich zu den angesichts aktuellerer Ideen von Videospiel-Gewalt recht antik wirkenden Diskus-Gladiatoren-Kämpfen deportiert, von denen er kurze Zeit später mit Hilfe eines "Iso"-Programms entkommt; damit ist das Spielen im Film aber erst einmal passé und der Ernst des (Über)Lebens im Rechner beginnt.

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