Gaddafis Regime wankt

Nachdem offenbar Soldaten sich mit den Protestierenden vereinen und die Proteste auf Tripolis übergegriffen haben, scheint sich Gaddafi nicht mehr lange halten zu können

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Wie zu erwarten, haben die Drohungen des Gaddafi-Sohns die Situation nicht beruhigt, sondern eher angeheizt. Wie in Tunesien, Ägypten oder Bahrain handeln die Potentaten zu spät, sind sie unfähig, die Stimmung im Land zu erkennen und sich angemessen zu verhalten. Gaddafis italienischer Freund Berlusconi stellte sich hinter das Regime, man dürfe jetzt Gaddafi nicht stören. Libyen hatte vor Kritik gewarnt und angedroht, die Bekämpfung der Migration einzustellen. Auch der italienische Außenminister Frattini und sein tschechischer Kollege Schwarzenberg mahnten zur Zurückhaltung. Die EU-Außenminister haben heute die Unterdrückung der Menschen verurteilt und

Keiner wird in einem autoritären Regime daran glauben, dass sich von einem Tag auf den anderen grundsätzlich etwas ändern wird, wie dies Saif Gaddafi gestern versprach, aber gleichzeitig mit Bürgerkrieg drohte und erklärte, sein Vater werde mit allen Mitteln kämpfen. Der sich als Revolutionsführer gerierende Diktator aber zeigt sich nicht mehr, was die Gerüchte verstärkt, dass er möglicherweise schon ins Ausland verschwunden ist – ausgerechnet auch noch, wie man munkelt, nach Venezuela zu Chavez. Allerdings dürfte es Gaddafi schwer haben, überhaupt in einem anderen Land Asyl zu finden. Der libysche Botschafter in China erklärte so, Gaddafi habe sich bereits abgesetzt, er ist ebenso wie der Botschafter in Indien wegen des brutalen Vorgehens der Regierung zurückgetreten. Das sind deutliche Zeichen der Auflösung.

Bengasi, die zweitgrößte Stadt im Osten Libyens, soll bereits in der Hand der Aufständischen sein. Fotos zeigen, dass sie auch Panzer haben. Auch in anderen Städten Cyrenaikas hat die Regierung keine Kontrolle mehr. Der italienische Außenminister Frattini warnt bereits vor einem möglichen Auseinanderbrechen des Landes. Das sei sehr gefährlich, da ein islamisches Emirat entstehen könne. Nachdem auch ein Stamm in Süden damit gedroht hat, die Ölpipelines zu sperren, schießt der Ölpreis nach oben. Die Ölkonzerne wollen ihre Angestellten evakuieren.

Die Proteste haben seit gestern auch auf die Hauptstadt Tripolis übergegriffen. In der Nacht war es auf dem Grünen Platz zu Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Protestierenden gekommen. Dabei soll wieder geschossen worden sein, wie viele Tote es gegeben hat, ist nicht bekannt, al-Dschasira spricht von mehr als 60 Toten. Unterstützer von Gaddafi sollen in der mittlerweile auch bekannten Taktik aus Fahrzeugen auf Menschen schießen. Hunderte von Menschen stürmten am Rande von Tripolis eine Baustelle, die von einer südkoreanischen Firma mit nicht-libyschen Arbeitern betrieben wird. Nach Auskunft der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhaap war dies nicht der einzige Angriff auf südkoreanische Firmen.

Das Regierungsgebäude steht in Flammen, der staatliche Fernsehsender ist bereits gestürmt worden, seit gestern gab es auch von der staatlichen Nachrichtenagentur keine Meldung mehr. Es sollen noch weitere Regierungsgebäude, Polizeistellen und Banken in Tripolis in Flammen stehen, auch in Tripolis sollen sich die Soldaten mittlerweile mit den Regimegegnern vereint haben. Der britische Sender Sky berichtet von einem Gespräch mit einem Libyer in Tripolis, nach dem die meisten Städte in Libyen bereits in der Hand der Aufständischen seien. Die Sicherheitskräfte hätten sich zurückgezogen oder seien übergelaufen, gekämpft werde nur noch in der Hauptstadt.