Ballern bis zum Bilderrausch

Der ging daneben: Ein Helghan hat verfehlt. Der Rauch seiner Kugel liegt noch in der Luft

Der effektreiche Science-Fiction-Shooter "Killzone 3" setzt dem Zukunftskrieg um Helghan ein (vorläufiges) Ende

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Amsterdam steht für mehr als nur Grachten, Coffee-Shops, Rot-Licht-Viertel und Van Gogh Museum. Aus der niederländischen Hafenstadt kommt der beste Ego-Shooter exklusiv für PlayStation 3. Das nun erschienene Killzone 3 beendet die Trilogie und lässt Fachpresse wie Spielerschaft einhellig von einem Grafikspektakel schwärmen. Doch überzeugt das Spiel auch auf anderen Ebenen?

Bedrohliches Helghan-Design: irgendwo zwischen Nazi und Darth Vader

Explosionen und Schüsse – wohin das Auge blickt. Wir fressen Dreck und schlucken Ruß. Keine fünf Meter neben uns reißt ein Haubitzengeschoss mit lautem Knall die Erde auf. Schwarze Erde spitzt umher, dichter Rauch und brauner Schlamm verdecken unsre Sicht. Wir warten im Graben, bis der Qualm sich legt. Lange bleibt uns nicht, denn ein Kampf tobt und der Gegner ruht nie. Was hat der Feind vor und wie schlägt er zu?

„Killzone 3“ vollendet die Trilogie um den Zukunftskrieg zwischen ISA (Interplanetarische Strategische Allianz) und Helghast, einer Art interplanetarischer Faschisten-Rasse. Ihr Soldaten-Look ist ihr Markenzeichen: Mit rot glühenden Augen in grauschwarzer Gasmaske sehen sie exakt so aggressiv aus, wie sie handeln. Die Helghast wie ihre Uniformen scheinen ebenso von den Nationalsozialisten wie von Science-Fiction-Filmen inspiriert und natürlich gibt es auch im dritten Teil der Trilogie mehrere Gegnertypen mit unterschiedlicher Ausrüstung – Call of Duty-Nazi-Zombies sind dagegen lieblos entworfenes Kanonenfutter.

Zwischen Nazi-, Sowjet- und Kaiserreich-Ästhetik: Die Helghan Admiral Orlock und Waffenproduzent Stahl greifen nach intergalaktischer Macht

Die Story beginnt dort, wo „Killzone 2“ aufhörte. In der Rolle von Thomas ‚Sev‘ Sevchenko flüchtet der Spieler vor aufgebrachten Gegnern, die den Tod ihres Anführers rächen wollen. Sie jagen Sev, seinen Partner Sergeant Rico Velasquez und weitere Soldaten, die bei einer misslungenen Evakuierung zurückgeblieben sind durch die Trümmer von Pyrrhus, der zerstörten Hauptstadt des Planeten Helghan. Der unerbittliche Krieg wird mit allen Mitteln geführt und wirft das Team von Beginn an immer wieder in neue Situationen – mehr Abwechslung kann Hollywood auch nicht bieten: Vom Häuser- über Panzerkampf bis zu Gefechten in zweibeinigen Panzeranzügen reißt die Spannungskurve nie wirklich ab.

Die Helghan wie die ISA setzen im Nahkampf auch Messer ein

Neben Zielgenauigkeit ist auch Taktik gefragt. Beim Straßenkampf zu Fuß kann der Spieler unterschiedliche Deckungsrouten des linearen Weges einschlagen. Mann-gegen-Mann-Scharmützel mit vollen MG-Magazinen sind dabei Standard-Action – hier liefert Entwickler Guerrilla handelsübliche Genre-Kost, ohne unbedingt Neues zu bieten. Die gewaltige Inszenierung wie Abfolge brachialer Passagen ist dafür stets mitreißend und der bei guten Spielen so süchtig machende Sog motiviert nach jeder auflockernden Filmsequenz (insgesamt 70 Minuten) dazu, noch ein, zwei Speicherpunkte weiter als geplant zu spielen.

Die Schnee-Sektion von „Killzone 3“ birgt einige spielerische Überraschungen

Die Intensität des Gameplays steigert sich in mehreren Stufen – geschicktes Ballern aus der Deckung wechselt sich ab mit starrem Draufhalten des Geschützturms sowie Lenken von Wärmesuchgeschossen oder Raketenwerfern. Auch das Zielfernrohr muss der Spieler bedienen und seine Kameraden vom Obergeschoss einer unübersichtlichen Hochhausecke vor gegnerischen Scharfschützen den Rücken frei halten.

Sergeant Sevchenko nutzt sein Jet-Pack, um von Eisscholle zu Eisscholle zu Helghan-Basis zu düsen

Häufige Szenenwechsel an Orte des fremden, vom Bösen bebauten Planeten spannen die Neugier und geben jeder Sektion mit der Zugabe von Elementen wie Feindeswaffen, Fahrzeugen oder eines Jet-Packs (dt.: Raketenrucksack) einen eigenständigen Charakter. Gleich nach seiner Flucht von Pyrrhus treibt es Sev z.B. in die Wildnis von Helghan. In der düsteren Felslandschaft picken exotische Pflanzen nach ihm und fügen ihm Schaden zu. Doch der Spieler kann die Vegetation auch zu seinem Vorteil nutzen: Auf dem hügeligen Gelände dienen ihm reife Früchte als passive Waffen, die mit einem gezielten Schuss platzen und giftige Säfte und Dämpfe versprühen. Gleich mehrere Gegner kann er auf diese Weise gleichzeitig auslöschen.

Auch Subgenre-mäßig betritt Guerrilla Games mit der Waldpassage Neuland: Zum ersten Mal in Killzone kann der Spieler schleichend und ohne einen Schuss abzugeben ein Gebiet durchqueren und Gegner aus dem Schatten heraus im Nahkampf töten. Höhlen, Überhänge und hohe Gräser dienen ihm zum Schutz gegen feindliche Blicke.

Sev schleicht durch die fremdartige Wildnis von Helghan

Hier wie auch sonst haben die Designer ganze Arbeit geleistet: Statt wie in den ersten zwei Teilen ausschließlich mit Schwarz-, Grau- und Braunstufen zu arbeiten, mischen sie schöne Farben ins trostlose Gesamtbild der industriellen Umwelt: Blutrote Nebel hängen in der Luft, neongrüne Strahlung breitet sich aus, himmelblaues Licht erhellt Korridore und indigofarbenes Feuer steigt aus Leuchtfackeln – eine absurde Idylle in kunstvollem Stil.

„Killzone 3“ ist wahrlich kein buntes Spiel, aber sein dezent eingesetztes Farbenspiel berauscht die Augen

Unterm Strich ist aus dem langerwarteten Nachfolger des exklusiven PlayStation 3-Ego-Shooters ein überaus unterhaltsamer, cineastisch inszenierter wenn auch nicht unbedingt innovativer Titel geworden. Guerilla schließt sich der Formel von Spielen wie der „Call of Duty“-Reihe an, streut Elemente aus „Halo: Reach“ (Jetpack, Elitegegner) ein und setzt das Ganze in ein üppig bebildertes wie stilistisch düsteres Science-Fiction-Szenario mit unverkennbarem Eigencharakter. Und auch, wenn das nicht zum Meilenstein der Spielgeschichte reicht, lassen sich die einen oder anderen Superlative einfach nicht vermeiden. Nicht selten bleibt einem beim Spielen der Mund offen stehen. Denn „Killzone 3“ zelebriert das Genre der Ego-Shooter auf stilvolle Weise und sieht dazu noch großartig aus.

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