Olaf Scholz ernennt Three-Strikes-Befürworterin zur Kultursenatorin

Mit der Entscheidung für Barbara Kisseler steigen die Chancen dafür, dass die SPD im Bundesrat auf umfassendere Immaterialgütermonopole hinarbeitet

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Bei der Hamburger Bürgerschaftswahl am 20. Februar erhielt die SPD eine absolute Mehrheit der Sitze, weshalb ihr Kandidat Olaf Scholz nun alleine regieren kann. Derzeit stellt er sein Kabinett zusammen. Bis zum Wochenende stand lediglich fest, dass der ehemalige Handelskammer-Präses Frank Horch Wirtschaftssenator sein soll. Nun wurde bekannt dass Barbara Kisseler die neue Kultursenatorin wird.

Kisseler, die ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen stammt, machte im Düsseldorfer Kulturamt und im niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur Karriere. Seit 2006 leitet sie die Berliner Staatskanzlei. Theoretisch ist die 61-Jährige parteilos, praktisch aber fester Bestandteil der SPD-Elite. So gehörte sie zum Beispiel auch dem "Kompetenzteam" an, mit dem der damalige Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier 2009 haushoch die Bundestagswahl verlor.

Barbara Kisseler. Foto: A. Savin. Lizenz: CC-BY-SA.

Journalistenfragen nach ihrem neuen Posten beantwortete Barbara Kisseler mit den üblichen Textbausteinen: Der Job sei eine "große Herausforderung", Hamburg eine "Stadt mit einem unglaublichen kulturellen Potenzial" das "in der Vergangenheit nicht immer angemessen gewürdigt worden" sei und sie wolle deshalb Theater und Museen ebenso wie die "freie Kultur" stärker fördern und dabei den "Dialog mit den Kulturschaffenden" suchen.

Aufschlussreicher sind da Äußerungen vom letzten Jahr: Da zeigte sich Kisseler nämlich in einem Interview mit der Zeitschrift Promedia begeistert vom Three-Strikes-Modell, das vorsieht, Personen, denen Immaterialgüterrechtsverletzungen vorgeworfen werden, den Internetzugang zu sperren.

Mit einer sprachlich herausfordernden Metapher forderte die studierte Germanistin darüber hinaus das Ende der "freien Wildbahn im Internet". Dass sie meinte, das französische würde anders als das britische Three-Strikes-Modell ohne Warnhinweise arbeiten, deutet darauf hin, dass Barbara Kisseler auch dann gerne spricht, wenn sie sich vorher nicht wirklich umfassend informiert hat.

Dass Scholz Kisseler trotz oder wegen dieser bekannten Position auswählte passt zu den Versprechungen, die seine Partei vor der Wahl der Lobbygruppe "Kulturrat" machte. Neben einer Erhöhung der Subventionen warb die SPD in diesem Milieu auch mit dem "Reformbedarf" beim "Schutz von geistigen Eigentumsrechten".

Kisseler als Hamburger Kultursenatorin macht es wahrscheinlicher, dass Vorhaben wie die demnächst anstehende Urheberrechtsnovelle inklusive des ausgesprochen missverständlich benannten neuen "Leistungsschutzrechts" für Verleger vonseiten der SPD-regierten Länder eher verschärft als abgemildert werden könnten. Auch deshalb, weil sich die Gewerkschaft Verdi von den Presseverlegern für die Lobbyarbeit einspannen ließ und mittlerweile sogar eine Totalüberwachung des Internets zum Aufspüren von Immaterialgüterrechtsverstößen fordert. Dafür hat die Bundesregierung nach der Affäre Guttenberg ein potenzielles Glaubwürdigkeitsproblem, wenn sie für einen weiteren Ausbau von Immaterialgütermonopolen argumentiert.

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