Von der Kernschmelze zur Staatspleite?

Nun steigen wegen der vom Erdbeben ausgelösten Katastrophe auch die Zinsen für japanische Staatsanleihen

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Japan ist das mit Abstand am höchsten verschuldete Industrieland. Das ist keine Neuigkeit mehr. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte angesichts gravierender wirtschaftlicher Probleme, die das Land schon lange vor dem Ausbruch der Finanzkrise plagten, längst vor einer möglichen japanischen Staatspleite gewarnt, weil die Verschuldung in den letzten zwei Jahrzehnten explodiert ist. Deshalb wurde das Land schon im Herbst 2010 in einer Liste stark bedrohter Länder geführt, in denen nur ein radikaler Kurswechsel eine mögliche Pleite abwenden könne (IWF warnt vor hohen Staatsschulden).

Angesichts der gravierenden Probleme und Kosten, die nun durch das Erdbeben, den Tsunami und das Atomdesaster auf das Land zukommen, wird die Verschuldung noch deutlich angetrieben und die Wirtschaft weiter geschwächt. Schon ohne das Desaster sollte die Verschuldung, so schätzte die japanische Regierung, mit etwa 9 Billionen Euro auf 204% des jährlichen Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen.

Der IWF prognostizierte schon, dass die Staatsschulden 2010 auf 227% des BIP ansteigen würden. Schon deshalb werden immer deutlichere Zweifel laut, ob Japan jemals wieder von seinen Schulden herunterkommen kann. Deshalb wurde die Kreditwürdigkeit des Landes, das lange Zeit von den Ratingagenturen nur mit Samthandschuhen angefasst wurde, kürzlich von Standard & Poor's (S&P) erstmals wieder herabgestuft.

Doch das änderte nichts daran, dass das Land bislang weiterhin extrem niedrige Zinsen für seine Staatsanleihen bezahlen musste. Werden zehnjährige Staatsanleihen Portugals, das im Verhältnis zu seiner Wirtschaftleistung nur gut ein Drittel der japanischen Staatsschulden aufweist, schon mit Zinsen über 7% gehandelt, zahlt Japan mit 1,25% sogar noch deutlich weniger als Deutschland. Doch die Zeit niedriger Zinsen geht vorbei, wie sich schon gestern gezeigt hat. Als sich Japan fast 10 Milliarden Euro auf dem Kapitalmarkt besorgt hat, musste es für Anleihen mit einer Laufzeit von 20 Jahren schon 2,13% Zinsen geboten werden. So hoch waren sie zuletzt vor einem Jahr, auf dem bisherigen Höhepunkt der weltweiten Krise.

Angesichts der gewaltigen Aufgaben, die nun vor dem Land stehen, und angesichts der ohnehin extremen Verschuldung, treibt jede Zinserhöhung das Land schneller in die Pleite. In der Schweizer Finanzzeitschrift Cash geht man schon davon aus, dass die Katastrophe der "Katalysator für die Staatspleite" ist. Cash weist darauf hin, dass die tiefe Krise die Sparquote in nur fünf Jahren von 18% des BIP auf 3% schon einbrechen ließ. Das bedeute, dass die Besonderheit Japans, sich vor allem im Inland verschulden zu können, zu Ende geht. Der IWF schätzt, dass bisher noch 90% der Staatsanleihen von Japanern gehalten würden. Angesichts der Entwicklungen müsse sich Japan "früher oder später im Ausland refinanzieren" und dort würden die niedrigen Zinsen wie bisher nicht akzeptiert.

Zu den schwindenden Möglichkeiten zur Refinanzierung bei den eigenen Bürgern, die durch die derzeitige Katastrophe weiter leidet, kommt hinzu, dass das internationale Vertrauen in die große Ökonomie schwindet, die ohnehin den zweiten Platz weltweit schon an China abtreten musste. So hatte die Ratingagentur Moody's am Montag erklärt, dass das Erdbeben auch das Vertrauen der Investoren in die Staatsfinanzen erschüttere und das "Kippen" der Staatsfinanzen nach vorne verlegen könnte.