Besser einen miesen als gar keinen Job?

Arbeitslosigkeit schadet der mentalen Gesundheit - ist der Mensch mit Arbeit um jeden Preis besser dran?

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Der Verlust des Jobs ist nicht nur mit finanziellen, sondern auch mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Arbeitslose leiden deutlich öfter an Herz-Kreislauf-Krankheiten, und ihr Risiko für Depressionen ist erhöht. Das liegt, auch wenn man das vermuten könnte, nicht an der Qualität des Fernsehprogramms, das von den Betroffenen deutlich extensiver konsumiert wird - Psychologen konnten vielmehr zeigen, dass der Verlust der Aufgabe zu einer Beschädigung des Selbstwertgefühls führt.

Eine Aufgabe zu haben, genügt aber nicht - davon können Hausfrauen ein Lied singen: Die Aufgabe muss auch mit persönlicher und gesellschaftlicher Anerkennung verknüpft sein. Zudem hat ein fester Arbeitsplatz noch ein paar andere Vorteile: Arbeitende bilden ein größeres soziales Netzwerk aus, sie können sich eine bessere Gesundheitsversorgung leisten und besitzen eine festen, strukturierten Tagesablauf.

Die Strategie, Menschen mit Ein-Euro- oder Mc-Jobs vom Sofa zu bekommen, ist deshalb insofern zweifelhaft, als sie nur einige dieser Nachteile kuriert. Wie wichtig sind die einzelnen Kriterien aber für den Gesamtzustand eines Menschen? Eine neue australische Studie kann das nun quantitativ belegen. In einem Paper, das australische Psychologen im Magazin Occupational and Environmental Medicine veröffentlicht haben, werten sie Daten einer Longitudinalstudie an über 7000 Menschen im arbeitsfähigen Alter aus, die seit 2001 jährlich in insgesamt sieben Wellen psychologisch untersucht und zu ihren Arbeitsbedingungen befragt wurden.

Dabei bezogen die Forscher Daten zu Job-Anforderungen und -Komplexität, über die Sicherheit des Arbeitsplatzes, das Ausmaß der im Beruf möglichen Selbstverwirklichung und schließlich auch die subjektiv empfundene Fairness der Bezahlung ein. Als weitere Faktoren erfassten die Wissenschaftler unter anderem auch Alter und Geschlecht der Befragten, Bildungsgrad und sogar den Neurotizismus als eines der Persönlichkeitsmerkmale, da eine ausgesprochen negative Sichtweise der Welt die Ergebnisse verfälschen könnte.

Menschen mit miesen Jobs: größere mentale Probleme

Trotz all dieser Vorsichtsmaßnahmen konnten die Forscher einige interessante Daten erarbeiten. Das Geschlecht spielt zum Beispiel keine Rolle - jedenfalls sobald man die Daten derjenigen Personen aus der Datenmenge nimmt, die bewusst nicht am Arbeitsleben teilnehmen. Wer sich für ein Hausfrau-/Hausmann-Dasein entschieden hat, hadert offenbar selten mit dem fehlenden Job. Etwa ein Drittel der Befragten hatte in jeder Welle einen optimalen Job, ein weiteres Drittel berichtete von kleineren Problemen.

Rund ein Sechstel hatte größere Arbeitsplatz-Probleme - und etwa fünf Prozent berichteten von einem katastrophalen Job. Insgesamt war der arbeitenden Bevölkerung eine signifikant bessere geistige Gesundheit zu bescheinigen als den Arbeitslosen. Allerdings zeigte sich bei isolierter Betrachtung der Menschen mit miesen Jobs, dass diese von größeren mentalen Problemen betroffen waren als die „nur“ Arbeitslosen.

Erst recht, wenn die Betroffenen auch noch jung, weiblich, ohne festen Partner und von schlechter physischer Gesundheit waren. Der nachweisbare Effekt blieb sogar dann erhalten, wenn die Befragten mittlerweile einen besseren Arbeitsplatz gefunden hatten. Die Forscher konnten aus den Daten der verschiedenen Befragungswellen sogar den künftigen gesundheitlichen Status einer Person anhand ihrer aktuellen Jobqualität prognostizieren.

Die gute Nachricht der Studie: Wenn ehemals Arbeitslose einen optimalen Arbeitsplatz ergattern konnten, verbesserte sich auch ihre psychische Gesundheit signifikant. Die Forscher schließen aus ihren Daten, dass Arbeitsbeschaffungsstrategien unter der Devise „Jeder Job ist besser als keiner“ durchaus überdenkenswert sind, wenn es um mehr als rein finanzielle Ziele geht, also darum, Menschen aus der ökonomischen Obhut des Staates zu entlassen.