Sicherung der AKWs vor Flugzeugabstürzen

Die spanischen Sozialisten schrecken die europäische Atomlobby Foratom auf, die warnt, alle AKWs müssten dann abgeschaltet werden

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Die Schwenks in der Atompolitik der spanischen Minderheitsregierung führen zu einer neuen Rolle rückwärts. Hatten die Sozialisten kurz vor der Atomkatastrophe in Fukushima gerade die Laufzeitgrenze von 40 Jahren aus dem Atomgesetz getilgt, schrecken sie nun die europäische Atomlobby mit einem Gesetzesentwurf auf. Darin wird es für notwendig erachtet, die Reaktoren vor Terrorangriffen zu schützen. Foratom erklärte darauf, alle Reaktoren müssten abgeschaltet werden, wenn sie gegen Flugzeugabstürze gesichert werden sollen.

Gerade hatte die Atomlobby die spanische Regierung wieder richtig auf ihren Kurs gebracht, da kommt ihnen die Kernschmelze in Fukushima in die Quere. Seit 2008 haben sie die schwere Wirtschaftkrise genutzt, um auf den sozialdemokratischen Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero einzutrommeln. Der in der Krise kopflos agierende Regierungschef fiel - wie in der Wirtschaftspolitik - um (Spanien muss besonders für französische und deutsche Banken sparen). Zapatero stieg aus seinen Ausstiegsversprechen aus, anstatt aus der Atomkraft auszusteigen. Ausgerechnet die Laufzeit des ältesten Atomkraftwerk Santa Maria de Garoña wurde 2009 verlängert, baugleich mit den Meilern in Fukushima, das 2011 nach 40 Jahren hätte vom Netz gehen müssen.

Bild "AKW Trillo I": tnarik. Lizenz: CC-BY-SA-2.0, Bild Flugzeug: Ra Boe. Lizenz: CC-BY-SA-2.5. Fotomontage: TP

Erst vor gut einem Monat wurde durch die Hintertür auch noch die bisherige Laufzeitbeschränkung von 40 Jahren aus dem Atomgesetz getilgt. Doch nachdem auch die Bundeskanzlerin mit ihrem Moratorium scheinbar eine Wende in der Frage hingelegte, zog die Regierung Zapatero nach. Plötzlich wollte auch sie die acht Atomkraftwerke im Land erneut überprüfen. Dass die Wende in der Atompolitik und die versuchte Rolle rückwärts das Wahldebakel der schwarz-gelben Atomfraktion in Baden-Württemberg nicht verhindert haben, wurde in Madrid zur Kenntnis genommen und ausgiebig kommentiert. Schließlich stehen am 22. Mai auch in Spanien Regional- und Kommunalwahlen und spätestens in einem Jahr zudem Parlamentswahlen an.

Vor diesem Hintergrund müssen neue Entwicklungen in Spanien betrachtet werden. Denn dort versuchen die Sozialdemokraten (PSOE) offensichtlich zu retten, was zu retten ist und wollen ihre Atomfehler reparieren. In einem Gesetzesentwurf, der noch vor den Wahlen verabschiedet werden soll, wird nicht mehr nur von unverbindlichen Prüfungen durch die atomfreundliche Kontrollbehörde (CSN) gesprochen. Die in der Wählergunst in den Krisenjahren völlig abgestürzte PSOE sieht offenbar in der Atomfrage eine Chance, ihre Wähler zu mobilisieren.

Schließlich hat die große oppositionelle Volkspartei (PP) nie einen Hehl daraus gemacht, auf die Atomkraft zu setzen. Schon 2002 trieb die PP-Regierung während der spanischen EU-Ratspräsidentschaft eine Renaissance der Atomkraft voran (Spanien will Atomkraft in Europa erhalten). Die PP hält sich in der Frage merkwürdig bedeckt. Den Ultrakonservativen würde wohl niemand einen Schwenk in der Atompolitik abnehmen, auch wenn sie sich seit Monaten plötzlich als Verteidigerin sozialer Rechte aufspielt. Es ist aber bezeichnend, dass sie die einzige Partei war, die im baskischen Parlament gegen die Forderung nach einer sofortigen Schließung von Garoña gestimmt hat. Dieses Atomkraftwerk steht nur wenige Kilometer vom Parlamentsgebäude entfernt in Provinz Burgos, nahe an der Grenze zum Baskenland.

"Wenn alle unsere Kernkraftwerke den Aufprall einer Boeing 747 aushalten sollen, müssen wir sie alle schließen"

So zeigt sich, dass auch die baskischen Parteifreunde von Zapatero eine andere Atompolitik von der Zentrale fordern. Und die schlägt sich in dem neuen Gesetzesentwurf nieder. Anders als vom atomfreundlichen Industrieminister Miguel Sebastián angekündigt, will man es in Madrid nun nicht mehr mit ein bisschen mehr Prüfung auf Erdbebensicherheit und Flutkatastrophen belassen, sondern setzt an der Problematik von terroristischen Anschlägen an. Gefordert wird, die Reaktoren gegen mögliche Attacken zu schützen. Dass die spanischen Meiler gegen Angriffe weitgehend ungesichert sind, hat Greenpeace mit Besetzungen immer wieder bewiesen (Greenpeace besetzt spanisches Atomkraftwerk).

Bei der Atomlobby hat man offenbar erkannt, dass mit der Anschlagsicherheit ein massives Werkzeug angefasst wird. Die Lobbyorganisation Foratom forderte deshalb die Regierung zu "gesunden Menschenverstand" auf. Die Zeitung Publico zitiert den Direktor der Organisation, in der nach eigenen Angaben 800 Firmen in der EU und der Schweiz zusammengeschlossen sind, die für die "Erhaltung der Atomenergie" einritt. Der Spanier Santiago San Antonio zeigte sich entsetzt über das Vorhaben: "Wenn alle unsere Kernkraftwerke den Aufprall einer Boeing 747 aushalten sollen, müssen wir sie alle schließen."

Die Atomlobby hat offenbar gemerkt, dass sich ihre Kraftwerke nicht mehr lohnen, wenn man sie tatsächlich auf dem neuesten Stand der Technik hält und schon alle bekannten Gefahren einbezieht. Einer derer, der die Gesetzesvorlage vorantreibt, ist der Parlamentarier Hugo Morán. Er erklärte, dass man sich noch nicht darüber im Klaren sei, wo genau die Sicherheitsgrenze angelegt werde. "Doch mich erstaunt, dass die Atomlobby stets vertritt, die Reaktoren seien sicher, aber nun zugibt, dass sie keine Flugzeugabsturz aushalten." Für Morán ist die Atomtechnologie unsicher, weshalb man ihr Schranken setzen müsse. Die Reaktoren müssten so unverletzlich wie möglich sein, auch wenn eine vollständige Sicherheit unmöglich sei.

Dass nun die Regierung sich wieder als Atomkraftgegner zeigen will, zeigt sich auch daran, dass Zapatero erneut bestätigt hat, Garoña werde 2013 abgeschaltet. Deshalb hat die PSOE am Dienstag eine Initiative ins spanische Parlament eingebracht, um die Schließung nach der Laufzeitverlängerung von 2 Jahren 2013 abzusichern. Tatsächlich geht es den Sozialdemokraten aber darum, die PP-Opposition zu zwingen, in der Frage vor den Wahlen im Mai auf nationaler Ebene Farbe zu bekennen. Denn einen praktischen Wert hat diese Initiative nicht. Das hat die Laufzeitverlängerung in Deutschland schon unmissverständlich gezeigt. Einfache Gesetze können mit neuen Mehrheiten auch einfach wieder geändert werden.

Zapatero könnte für die Abschaltung von Garoña nur sorgen, wenn er das Atomkraftwerk noch in diesem Jahr vom Netz nimmt. Die Sicherheitsfrage bietet dazu einen Hebel. Auch José Ignacio Armentia macht ihn in El País darauf aufmerksam, dass er es sonst der PP in die Hand lege, die Laufzeit des Uraltmeilers über 2013 hinaus weiter zu verlängern. In der Zeitung, die der PSOE sehr nahe steht, stellt er das Problem fest, dass "Ihre Partei sehr wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an der Regierung ist." Er spricht dabei auf die Umfragen an, die der PP einen Vorsprung von 15 Prozentpunkten vor der PSOE vorhersagen.

Möglich ist, dass schon am Samstag eine Neubestimmung der gesamten Parteipolitik eingeleitet wird, denn an diesem Tag tritt die Parteiführung zusammen. Allseits wird erwartet, dass der abgestürzte Ministerpräsident auf der Sitzung bekanntgibt, im kommenden Jahr nicht mehr für die PSOE zu kandidieren. Damit würde Zapatero auch den Weg für eine Neubestimmung in der Atompolitik freimachen, der sich in seiner Partei schon andeutet. Er würde mit dem Verzicht die politische Verantwortung für den bisherigen Schleuderkurs, nicht nur in der Atomfrage, übernehmen.