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Die geheimen Ängste hinter den Macho-Posen kleiner Jungens: Simon Wests "The Mechanic" ist sadistisches wie sinnloses Proll-Kino

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Charles Bronson, mit Schnurrbart wie üblich, steht im Zentrum eines minimalistischen, konzentrierten Anfangs, bei dem in Michael Winners Film „The Mechanic“ (deutsch „Kalter Hauch“) von 1972 über eine Viertelstunde lang kein einziges Wort fällt. Am Ende dieser Szene explodiert ein ganzer Appartement-Komplex, von Kollateralschäden hat damals noch keiner geredet. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Das vergleiche man mal mit der Eröffnungsszene des Remakes von Simon West: Dieser Mechanic so seicht, wie das Delta vor New Orleans, in dem er spielt, und kompensiert das mit Brutalität. Ein Film für dumme Jungens - und sonst niemanden.

Wenn Arthur Bishop von der Arbeit nach Hause kommt, hört er Schubert. Ansonsten ist Bishop aber alles andere als ein Feingeist. Denn sein Geld verdient er als Auftragskiller. Früh, gleich in der allerersten Szene dieses Films, sieht man ihn bei seiner Arbeit. Ziemlich brutal ertränkt er da sein Opfer, indem er es beim Schwimmen im hauseigenen Pool unter Wasser zieht - Fitnesstraining kann tödlich sein, immerhin ist das eine Lektion am Rande.

Ansonsten aber geht es in dieser Szene vor allem darum, den Held als kühlen Profi einzuführen, als pingeligen Kontrollfreak, der nichts dem Zufall überlässt und das schmutzige Geschäft in eine Kunst der Berechnung und des Tüftelns verwandelt hat: "Victory loves preparation", steht später auf einer seiner Pistolen - das beschreibt recht präzis Bishops Arbeitsethik. Vor allem aber suggeriert der Film mit dieser ersten Szene, dass es schon die Richtigen erwischt in der Regel: Ein Waffenhändler hier, ein Drogendealer da, ein Mafiakiller dort, da ist der kaltblütige Mord eigentlich kein Mord mehr, sondern der Vollzug einer gerechten Strafe - dies ist der Taschenspielertrick, mit dem der Held moralisch auf die richtige Seite gestellt werden soll, der aber, dazu später, von Anfang an nicht richtig aufgeht.

Design der Coolness, ein zeitgemäßes Update von Steve McQueen?

Der hyperkompetente, aber auch hypercoole Bishop (Jason Stratham) lebt allein in einem wunderschönen modernen Holzhaus am Rande der Sümpfe von Louisiana, offenbar einem jener Abschitte, die nicht durch die Ölkatastrophe im vergangenen Jahr beschädigt wurden.

Seine Lieblingsmusik hört er auf Vinyl - ein Fremder darf das gute Stück nicht anfassen - und später lernt man, dass mit dem Plattenspieler ein feingetüftelter Selbstzerstörungsmechanismus verbunden ist. Er kleidet sich in elegantem Cashmere, fährt altmodische Sportwagen und vergnügt sich, wenn er mal nicht gerade Leute umbringt, beim Sex mit einem willigen Barmädchen, das aussieht wie ein Supermodel. Es muss - junge? - Männer geben, deren exakte Wunscherfüllung sich in solchen Szenarien kondensiert findet.

Zugleich ist mit all dem schönen Styling glasklar, was der Film in seinen hybridesten Momenten auch sein möchte: Ein zeitgemäßes Update jener Steve McQueen-Rollen der Spätsechziger, Frühsiebziger, in denen das Production Design komplementär war zum Aussehen des Hauptdarstellers: "The Thomas Crown Affair" (1968), "Bullit" (1969), "The Getaway" (1972). Aber der Weg ist weit von Charles Bronson zu Steve McQueen und dies ist der Moment, daran zu erinnern, dass "The Mechanic" nicht das Remake eines McQueen-, sondern eines Bronson-Films von 1972 ist...

"Töte nie jemanden, wenn Du ein Motiv hast"

Eines Tages bekommt Bishop einen Auftrag, der vor allem deshalb unangenehm ist, weil in ihm alle offenkundigen Widersprüche seines Lebens - und dieses Films - kulminieren: Er soll seinen alten Freund und Kollegen Harry (Donald Sutherland) ermorden - "He has crossed his Rubicon", heißt es -, und tut dies auch, nach kurzem Zögern, das eher dazu dient, uns den Charakter nicht völlig unsympathisch werden zu lassen, mit vielleicht mehr Widerwillen, aber nicht weniger Professionalität.

Beim gemeinsamen Kaffeetrinken kurz zuvor hatte ihm Harry noch von seinem missratenen Sohn Steve erzählt. Der läuft Bishop nach dem Tod des Vaters bald wie ein herrenloser Hund zu und sucht im Freund des Vaters eine Art älteren Bruder oder Ersatzvater - worauf sich der Einzelgänger Bishop wohl vor allem wegen seines schlechten Gewissens einlässt. Man täte dem Film nun zwar bei weitem zuviel der Ehre an, wollte man ihn zum Anlaß nehmen, um hier Neues über die Obsession des amerikanischen Kinos für Vater-Sohn-Verhältnisse zu erfahren.

Aber immerhin belegt "The Mechanic", dass sich derartige kulturelle Leitmotive auch in die primitivsten Kreationen der Massenkultur gleichsam wie aus dem kollektiven Unbewußten einschreiben. Steve (Ben Foster) ist überaggressiv und will den Tod des Vaters rächen, quasi auch, um verspätete Anerkennung dessen zu erlangen, der ihm im Leben ein zu großes Vorbild war. So geht Steve bei Bishop in die Schule des professionellen Tötens, und der Zuschauer lernt mit ihm Dinge wie "Töte nie jemanden, wenn Du ein Motiv hast."

Also werden hier stattdessen die getötet, um die es angeblich nicht schade ist - und es kann kein Zufall sein, dass es sich ausnahmslos um Latinos, Schwarze, Schwule, Behinderte und Reiche handelt. Besonders das Portrait eines schwulen Auftragskillers, der von Steve in seinem "ersten eigenen" Mord beseitigt wird, strotzt nur so von homophoben Klischees und Ressentiments, dass es schwer fällt, hinter alldem keine Methode zu vermuten - insbesondere in der sadistischen Lust, in der Regisseur Simon West ("Con Air", "Tomb Raider") dieses Töten visuell zelebriert und auskostet. Und blickt man etwas genauer hin, so liegen in dem Männer-Freundschaftsbund der beiden Hauptfiguren die homoerotischen Kontexte klar zutage.

Denn Zerstören verjüngt...

Wohin das alles führen muss ist klar: Homoerotik darf im US-Mainstream nicht sein, also kann sie sich nur ins Destruktive wenden und ausleben: Irgendwann findet Steve erwartungsgemäß heraus, dass Bishop für den Tod des hassgeliebten Vaters verantwortlich ist, und so wandelt die Liebe für den Ersatzvater sich in Hass. Im großen Endkampf gibt es so viele Wendungen wie Explosionen und selbst Steve überlebt das Ende nicht.

So bleibt "The Mechanic" bis zum Schluss ein selten dummer und latent rassistischer, ein grob sadistischer und humorloser, dumpf gewaltverherrlichender und in jeder Hinsicht reaktionärer Film, der am besten noch darin ist, dass er die geheimen Ängste hinter den Macho-Posen kleiner Jungens entlarvt, aber ansonsten ein Prototyp dessen, was Benjamin als "destruktiven Charakter" beschrieb:

Der destruktive Charakter ist jung und heiter. Denn Zerstören verjüngt, weil es die Spuren unseres eigenen Alters aus dem Weg räumt; es heitert auf, weil jedes Wegschaffen dem Zerstörenden eine vollkommene Reduktion, ja Radizierung seines eignen Zustands bedeutet.

Wenn der "Mechanic" Bishop dann einsam, ohne schönes Haus und Auto, in den Sonnenuntergang reist, soll man wohl als Zuschauer zufrieden sein, dass der Mann wieder allein ist, unbedroht von Frauen und kleinen Jungs.

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