Enttäuschte Hoffnungen

Anmerkung zu Goldstone und seinem Bericht über den Gaza-Krieg

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Als vor drei Jahren eine internationale Kommission damit beauftragt wurde, die Verbrechen im Gaza-Krieg zu untersuchen und kurz darauf der Goldstone-Report erschien, war das für Viele ein Grund zur Freude. Es schien, als würde die internationale Gemeinschaft diesmal nicht mit zweierlei Maß messen und als hätte sie endlich begriffen, dass das Leben eines Palästinensers genauso viel Wert ist, wie das eines jüdischen Israelis.

Es gab sogar berechtigte Hoffnung, dass es doch noch ein Weltgewissen gibt. Eine internationale Instanz, die Ungerechtigkeiten anprangert, egal von wem sie verübt werden. Die Kommission um Richard Goldstone hatte sich zumindest darum bemüht, auf über 300 Seiten sämtliche Menschen- und Kriegsverbrechen aufzuführen, die im Gaza-Krieg begangen worden waren – unabhängig davon, ob sie nun Hamas-Anhängern oder israelischen Soldaten zuzurechnen waren.

Natürlich war es dann bitter, als den Empfehlungen keine Taten folgten. Weder die israelische noch die palästinensische Seite hatte Interesse daran, den Vorwürfen juristisch nachzugehen. Auf internationaler Ebene ließ man die Sache ebenfalls auf sich beruhen (Ist der Goldstone-Report tot?. Das große Verdienst des Reports lag aber darin, auch israelische Kriegsverbrechen überhaupt zur Sprache zu bringen und die israelische Regierung damit unter Rechtfertigungsdruck zu setzen.

Zur großen Enttäuschung kam es für all jene, die noch an internationalen Standards festgehalten hatten, erst jetzt. Am vergangenen Freitag konnte man von Richard Goldstone in der Washington Post lesen:

We know a lot more today about what happened in the Gaza war of 2008-09 than we did when I chaired the fact-finding mission appointed by the U.N. Human Rights Council that produced what has come to be known as the Goldstone Report. If I had known then what I know now, the Goldstone Report would have been a different document.

Anlass für diese Äußerungen waren neue Beweise, die Goldstone von der israelischen Armeeführung erhalten hatte. Dabei waren vor allen Dingen die Erkenntnisse neu, die es im Fall der al-Simouni-Familie gab, von der 29 Familienmitglieder bei einem Raketenbeschuss ihres Hauses getötet worden waren. Hätte sich Goldstone nur um eine Richtigstellung des Reports in einigen Punkten bemüht, wäre daran auch nichts weiter schlimm. Problematisch war nur, dass man die Äußerungen eben auch als eine Distanzierung vom gesamten Report verstehen konnte.

So hatte es denn auch die israelische Regierung verstanden, die sich nun umgehend um eine Annullierung des Reports bei der UNO bemüht. Bis es soweit kommt und der Bericht tatsächlich zurückgezogen wird, muss allerdings noch einiges Wasser den Jordan hinunterfließen. Zunächst einmal müsste eine Reihe von Fragen beantwortet werden, die bislang noch im Raum stehen:

  • Reicht die neue Faktenlage zum Beispiel aus, um sich auch gleich von dem gesamten Report zu distanzieren?
  • Was ist mit den Untersuchungsberichten von Amnesty International und Human Rights Watch, die schließlich ganz unabhängig vom Goldstone-Report zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind?
  • Inwieweit kann man sich darauf verlassen, dass die neuen Fakten, die Goldstone nun von israelischer Seite vorgelegt wurden, auch der Wahrheit entsprechen?
  • Spricht Goldstone im Namen der gesamten UNO-Kommission? Oder gibt es Kommissionsmitglieder, die weiterhin an dem Report festhalten beziehungsweise die die neuen Erkenntnisse anders bewerten als Goldstone?
  • Wie ist Richard Goldstones persönlicher Hintergrund als jüdischer Zionist in diesem Zusammenhang zu bewerten? War er überhaupt der richtige Mann, um eine unabhängige Untersuchungskommission zum Gaza-Krieg leiten zu können?
  • Was würde ein Rückzieher Goldstones für die Glaubwürdigkeit der UNO bedeuten? Und was für Folgen hätte er auf internationaler Ebene?
  • Könnte eine Distanzierung von dem Report möglicherweise gar im Kontext eines neuen Gaza-Krieges stehen, vor dem internationale Organisationen wie die International Crisis Group bereits jetzt schon warnen?

Website von Sarah Meggle.