Datenschutz kurios: Projektgruppen der Netzenquete bleiben nichtöffentlich

Enquete beschließt Zwischenbericht zum Datenschutz

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Die Internetenquete des Bundestages hat heute in öffentlicher Sitzung einen ersten Zwischenbericht ihrer Tätigkeit vorgestellt. Beraten wurden mehrere Kapitel aus der Arbeitsgruppe der Projektgruppe Datenschutz und Persönlichkeitsberichte. Diese beinhalten eine Bestandsaufnahme der aktuell gültigen Regelungen zum Datenschutz, sowie die Beschreibung von Problemfeldern. Problemlösungen waren noch kein Thema, diese werden sich in einem dritten Kapitel, welches die Arbeitsgruppe noch vorlegen wird, wiederfinden. Entsprechend gering war der Dissenz innerhalb der Enquete, wobei sich im zweiten Kapitel bereits die verschiedenen parteipolitischen Blickwinkel zeigten.

So fand ein Absatz, welcher die Vorratsdatenspeicherung und Deep Packet Inspection als "unverhältnismäßige Eingriffe" in die Privatsphäre der Nutzer dargestellt wurde, keine Zustimmung unter den Vertretern der Koalition. Reinhard Brandl (CSU) begründete dies damit, dass das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung nicht prinzipiell verboten habe, weswegen der Absatz inhaltlich falsch sei.

Ein weiterer Streitpunkt war die Frage, inwieweit die Einhaltung des Datenschutzes der Selbstregulierung des Marktes überlassen werden kann. Nach den Vorstellungen von Union und FDP sollen "potenzielle Defizite staatlicher Aufsicht" kompensiert werden, indem die Unternehmen der Internetwirtschaft selbst Datenschutzstandards festlegen und durchsetzen. Während Sachverständige wie Alvar Freude und Mitglieder aller Oppositionsfraktionen gegen eine derartige Formulierung, die letztlich nichts weiter als das Aufgeben des Datenschutzes durch den Staat bedeutet, Sturm liefen, verteidigte Wolf Osthaus (1&1) den Ansatz der Selbstregulierung. Diese funktioniere genau wegen des Marktes, weil Wettbewerber sich gegenseitig kontrollieren würden.

Ebenso strittig war das Thema Beschäftigtendatenschutz. Während die SPD in ihrem Textvorschlag auf die Datenschutzskandale der Vergangenheit ausführlich eingeht, um deshalb Maßnahmen zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte zu fordern, erwähnt die Koalition in ihrem Text mit keiner Silbe die Probleme der Vergangenheit und lobt sich stattdessen selbst dafür, dass sie eine Erweiterung des Bundesdatenschutzgesetzes im Koalitionsvertrag festgeschrieben habe. Die Formulierungen der SPD gingen zu weit, so Manuel Höferlin (FDP). Das Machtverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sei so unausgewogen nicht, wie die Sozialdemokraten es darstellten. Immerhin könnten auch Gewerkschaften machtvoll sein. Dafür wurde Höferlin von Gerold Reichenbach (SPD) kritisiert. In vielen Betrieben gebe es nur einen geringen oder gar keinen Organisationsgrad, daher sei es die Aufgabe des Staates, die Schwachen zu schützen.

Vor sich selbst möchte offenbar die Koalition geschützt werden, wenn es um die Frage geht, ob die Projektgruppen öffentlich tagen sollen. Ein entsprechender Antrag wurde von den Linken eingebracht. Danach soll die Öffentlichkeit nur dann von der Sitzung ausgeschlossen werden, wenn es die Mehrheit der Projektgruppe beschließt. Bisher muss die Öffentlichkeit vor jeder Sitzung erst durch Beschluss der jeweiligen Gruppe hergestellt werden, wobei eine Gegenstimme reicht, um den 18. Sachverständigen vor die Tür zu setzen. Diese Gegenstimme sei bisher immer von einem Angehörigen von Union oder FDP gekommen, kritisierte Constanze Kurz (CCC). Aus den Reihen der Koalition kam dann auch erwartungsgemäß scharfe Kritik am Ansinnen der Linken. Die bemerkenswerteste Begründung hierfür lieferte Nicole Simon: sie führte Datenschutzgründe an. Will sich jemand ein umfassendes Bild von der Position eines Sachverständigen machen, so muss er nicht nur die Sitzungen belauschen, so die seltsame Logik der Sachverständigen, sondern auch seine Privatgespräche, in denen er sich zum Thema äußert. Simon sprach in diesem Zusammenhang von einer 24-Stunden-Überwachung - und lehnte den Antrag entschieden ab.

Dabei verläuft die Beteiligung der Öffentlichkeit auch in anderen Bereichen weiterhin mangelhaft. Der diskutierte Zwischenbericht stand für den angeblich so geschätzten 18. Sachverständigen nicht in einer brauchbaren Form bereit. Die Sitzung zu verfolgen, empfanden daher einige als Zumutung. Abhilfe konnten da weder Jimmy Schulzs (FDP) Versuch, die Dokumente schnell abzufotografieren, noch der Hinweis des Enquete-Sekretariats auf die Online-Versionen der Dokumente verschaffen.

Der geneigte 18. Sachverständige fand unter dem einen Link lediglich Texte mit einer vollkommen anderen Zeilennummerierung. Der zweite Link verwies auf Dokumente, die noch auf dem Stand vom 15. März waren. Aktuell wäre die Version vom 8. April gewesen, die die Union hastig über Twitter verbreitete. Gelungene Öffentlichkeitsbeteiligung sieht freilich anders aus.