Bis zu 630.000 Terabecquerel an Strahlung

Der Industrieminister Banri Kaieda am 9. April beim Besuch von Fukushima. Bild: NISA

Update: Die japanische Regierung hat Fukushima in die höchste Gefahrenstufe wie Tschernobyl eingestuft

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Allmählich scheint man in Japan entweder die Dimension der Atomkatastrophe in Fukushima zu realisieren oder bereit zu sein, das Ausmaß zuzugeben, nachdem die Hoffnungen, die Sache doch noch in den Griff zu bekommen, nicht mehr aufrechtzuerhalten sind. Während man zuvor von bis zu 10.000 Terabecquerel pro Stunde sprach, wurden die von den Reaktoren 1, 2 und 3 ausgehende Strahlung nun auf zwischen 370.000 bis 630.000 Terabecquerel angegeben. Zunächst wurde nur überlegt, ob das Höhersetzen der Gefahrenstufe notwendig sei, dann kam man aber doch zum Entschluss, dass es wohl nicht zu vermeiden ist, das havarierte AKW in die höchste Gefahrenstufe zu setzen. Allerdings betrage die freigesetzte Radioaktivität nach Angaben der Regierung bislang nur ein Zehntel der Menge, die 1986 in Tschnernobyl abgegeben wurde.

Der Industrieminister Banri Kaieda am 9. April beim Besuch von Fukushima. Bild: NISA

Die japanische Atomsicherheitskommission NSC hat am Montag in einem vorläufigen Bericht festgestellt, wie Kyodo berichtet, dass aus dem havarierten AKW Fukushima 1 (Daiichi) seit dem 11. März zeitweise bis zu 10.000 Terabecquerel an Radioaktivität pro Stunde und zwar über mehrere Stunden hinweg freigesetzt wurden.

Diese Werte hat nun die Atomsicherheitsbehörde NISA azu gebracht, die Gefahrenstufe für das AKW Fukushima auf der internationalen INES-Skala von 5 ("ernster Unfall") auf 7, die höchste Stufe für einen "katastrophalen Unfall", zu erhöhen: "Schwerste Freisetzung: Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt in einem weiten Umfeld." Für die Gefahrenstufe 7 heißt es bei der International Atomenergiebehörde IAEA:

An event resulting in an environmental release corresponding to a quantity of radioactivity radiologically equivalent to a release to the atmosphere of more than several tens of thousands of terabecquerels.

Jetzt würden nach der Kommission "nur" noch unter einem Terabecquerel (1012 Becquerel) pro Stunde an Strahlung freigesetzt werden. Der Grenzwert für die jährliche Belastung von einem Millisievert sei aber auch in Regionen, die mehr als 60 km nordwestlich und bis zu 40 km südwestlich liegen, überschritten worden.

Bislang wurde nur Tschernobyl 1986 so hoch eingestuft. Auf 5 wurden von der NISA am 18. März nur die Reaktoren 1, 2 und 3 eingestuft, Reaktor 4 war auf Stufe 3 eingeordnet worden, die Blöcke 5 und 6 waren als ungefährlich dargestellt worden. Die französische Atomsicherheitsbehörde ASN und das Institute for Science and International Security hatten Fukushima schon zuvor auf 6 eingestuft. In der Evakuierungszone von 20 km variiert die Belastung zwischen einem bis zu 100 Millisievert, in der Zone zwischen 20-30 km um Fukushima 1 würde die Belastung unter 50 Millisievert liegen. Mittlerweile beabsichtigt die Regierung doch nach langem Zögern, die Evakuierungszone zumindest teilweise auf 30 km zu erweitern. In Deutschland ist bislang um die AKWs lediglich eine Evakuierungszone von 10 km vorgesehen (Notfallpläne beim atomaren Katastrophenfall). So wurden in der 30-km-Zone die Grenzwerte bis um das 14-Fache der Jahresbelastung überschritten. Vorwiegend soll es sich um Caesium handeln.

Grafik: IAEA

Noch relativ wenig wurde in Japan bislang darüber gesprochen, wie lange es dauern wird, bis die Gefahr, die von Fukushima 1 aus geht, gebändigt ist. Dass es teuer wird, ist allerdings schon klar, weswegen der Energiekonzern Tepco vermutlich verstaatlicht werden wird, weil Atomkonzerne weltweit nicht für Gaus aufkommen können und sie für diese Schäden auch nicht versichert sind. Wie bei den Banken werden auch von den Atomkonzernen die Gewinne privatisiert, die Kosten aber – von den Subventionen über die Endlagerung bis hin zu Unfallrisiken - dem Steuerzahler aufgebürdet (Tepco ist das Ende der Marktwirtschaft).

Der Konzern Toshiba, der vier der sechs Reaktoren gebaut hat, zwei in Lizenz vom US-Konzern GE, legte einen Bericht vor, in dem von mindestens 10 Jahren ausgegangen wird, bis die Gesamtanlage sicher gemacht werden kann. Das schließt den Abbau der Brennstäbe und der Reaktoren ein, wobei das Erdbeben gefährdete Japan eben auch noch kein Endlager besitzt. Selbst japanische Medien, die meist nur wiedergeben, was sie offiziell mitgeteilt bekommen, zweifeln an dieser Zeitangabe, die sehr optimistisch ist. Schließlich müssen die Reaktoren und Brennstäbe erst entsprechend abgekühlt und die Kernschmelze beendet werden, bis überhaupt daran gedacht werden kann, sie zu entsorgen.

Während es sich in Tschernobyl oder in Three Miles Island nur jeweils um einen Reaktor handelte, sind es hier vier und ebenso viele Abklingbecken mit Tausenden von Brennstäben. Keisuke Omori von Toshiba räumt immerhin ein, dass hier noch vieles nicht klar ist. Über die Koste wollte er schon gar nicht sprechen. Man kann davon ausgehen, dass es viele Milliarden Euro kosten wird, die neben den entstandenen Schäden dann den Preis des angeblich billigen und sauberen Atomstroms doch deutlich anheben. Und wie lange die Sperrzone um Fukushima unbewohnbar bleibt, ist derzeit ebenso noch ungewiss.