Terror für Bananen

Justizdokumente belegen eine enge Zusammenarbeit zwischen dem US-Unternehmen Chiquita und rechten Paramilitärs in Kolumbien

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Das US-Justizministerium hat 2007 nach einem mehrjährigen Verfahren gegen den Bananenkonzern Chiquita Brands International offenbar Dokumente außer Acht gelassen, die eine systematische Zusammenarbeit des US-Unternehmens mit Militärs und bewaffneten Gruppen in Kolumbien belegen. Das geht aus Justizakten hervor, an die das US-Institut National Security Archive gelangt ist. Die Forschungseinrichtung an der George-Washington-Universität in der US-Hauptstadt hat über das Informationsfreiheitsgesetz FOIA Zugang zu rund 5.500 Akten aus dem Verfahren gegen Chiquita erhalten. Die darin erhaltenen Informationen bringen nicht nur den Agrarkonzern in Bedrängnis, sondern auch die Regierungen in Washington und Bogotá.

Vier Jahre lang hatte sich ein Verfahren des US-Justizministeriums gegen den Chiquita-Konzern mit Hauptsitz im Bundesstaat Ohio hingezogen. Im Jahr 2007 einigten sich beide Seiten auf einen Vergleich: Das Ministerium akzeptierte die Begründung des Unternehmens, nach der es zu den Schutzgeldzahlungen gezwungen wurde. Zudem, so verteidigte sich Chiquita, habe man von den paramilitärischen Organisationen nie eine Gegenleistung erhalten. Gegen eine Strafzahlung von 25 Millionen wurde das Verfahren nach vier Jahren schließlich eingestellt.

Die damals bereits nachgewiesenen Verbindungen waren strafbar, weil die im Dachverband AUC zusammengeschlossenen Paramilitärs von Washington als terroristische Organisationen betrachtet wurden. Von kolumbianischen und internationalen Experten werden die Milizen für die übergroße Mehrheit der Menschenrechtsverletzungen in dem südamerikanischen Land verantwortlich gemacht. An der Seite der Armee kämpfen sie gegen Jahrzehnte bestehende Guerillaorganisationen. Der Bürgerkrieg in Kolumbien kostet jährlich tausenden Menschen das Leben.

Jahrelange und systematische Zusammenarbeit mit Armee und Milizen

Aus den nun publik gewordenen Akten geht hervor, dass Chiquita als einer der weltweit größten Bananenproduzenten über mehr als ein Jahrzehnt hinweg mit allen Akteuren im bewaffneten Konflikt Kolumbiens kollaboriert hat. Anfang der 1990er Jahre bezahlten Unternehmensvertreter demnach Einheiten linksgerichteter Guerillaorganisationen, damit diese die Sicherheit auf den Plantagen gewährleisten.

Als die Rebellen von der Armee und Paramilitärs zurückgedrängt wurden, wechselte Chiquita demnach die Kontakte. Nach einem Memorandum aus dem August 1993 zahlte ein Subunternehmen in der nordöstlichen Ortschaft Turbo den örtlichen Armeeeinheiten drei Dollarcent Prämie pro Bananenkiste. In den Folgejahren wurden die AUC-Milizen über die vom späteren Präsidenten Álvaro Uribe gegründeten "Convivir"-Bürgerwehren finanziert. Schon im Jahr 1990, so konnten die Forscher nun nachwiesen, wurde versucht, solche "delikaten Zahlungen" in den Bilanzen zu verschleiern. Aus den Geldern für Armee und Paramilitärs wurden Ausgaben für "öffentliche Sicherheit".

Die neuen Veröffentlichungen bestärkten indes auch Kritiker des ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe, der das südamerikanische Land von 2002 bis 2010 regierte. Als Gouverneur des Bundesstaates Antioquia hatte der konservative Politiker die "Convivir"-Bürgerwehren gegründet. Menschenrechtsorganisationen hatten die Einheiten seither wiederholt als Vorfrontorganisationen der Paramilitärs bezeichnet.

In den Chiquita-Dokumenten findet sich nun die Bestätigung, dass die vermeintlichen Bürgerorganisationen im Kampf gegen die Guerilla eng mit der Armee zusammenarbeiteten. Zudem hätten Álvaro Uribe und ein anderer hochrangiger Regionalpolitiker, Alfonso Núñez, bereits im Jahr 2000 über die Chiquita-Tochter Compañía Frutera de Sevilla Zahlungen erhalten. Das bestätigt ein Memorandum des Chiquita-Juristen Robert Thomas aus dem Jahr 2000. Bei der Zusammenarbeit sei es allein darum gegangen, die Sicherheit im Operationsgebiet des Unternehmens zu gewährleisten, heißt es in den Dokumenten, zu denen auch das US-Justizministerium während des Verfahrens Zugang hatte.

Mögliche Auswirkungen auf Freihandelspläne

Die neuen Enthüllungen sind nicht nur für den Agrarkonzern und die Ministeriumsvertreter in Washington unangenehm. Das National Security Archive veröffentlichte die Akten am vergangenen Donnerstag just am Tag eines Treffens zwischen dem amtierenden kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos und seinem US-Amtskollegen Barack Obama im Weißen Haus in Washington. Santos und Obama verhandelten dabei die Implementierung eines bilateralen Freihandelsabkommens, das gerade wegen der Verstrickung staatlicher Akteure in Verbrechen der kolumbianischen Paramilitärs auf Eis liegt. Weder in Washington noch in Bogotá mochte man sich bislang deswegen zu den neu veröffentlichten Unterlagen äußern. Auch eine Anfrage der Nachrichtenagentur IPS an das US-Justizministerium blieb unbeantwortet, während sich ein Chiquita-Sprecher auf das Urteil aus dem Jahr 2007 berief.

Die noch nicht vollständig ausgewerteten Justizakten könnten aber in anderen Verfahren gegen den Bananenkonzern eine Rolle spielen. Derzeit streiten hunderte Opfer des paramilitärischen Terrors in Kolumbien vor US-Gerichten für Entschädigungszahlungen durch Chiquita Brands International. Die Dokumente bewiesen, dass das US-Unternehmen bewusst mit den AUC-Paramilitärs zusammenarbeitete, während die Milizen in der nordwestlichen Region Urabá Terror verbreiteten, sagt der Menschenrechtsaktivist Arturo Carrillo von der George-Washington-Universität. Carrillo vertritt eines der Opfer in den laufenden Verfahren.

Man habe sich bewusst für die Publikation der Akten in dieser Situation entschieden, sagt der Leiter der Kolumbien-Forschungsgruppe des National Security Archives, Michael Evans. Es solle geklärt werden, weshalb das US-Justizministerium die Hinweise auf eine bewusste Zusammenarbeit von Chiquita mit Paramilitärs und Armee außer Acht gelassen habe. Zum anderen machten diese Dokumente deutlich, "dass Geschäfte in Kolumbien stets einen höheren Preis haben, als nur einige Schutzgeldzahlungen". Evens verwies darauf, dass in dem südamerikanischen Land allein in den vergangenen drei Jahren rund 150 Gewerkschafter ermordet wurden.