Die Contentindustrie ruft nach der Politik

Jürgen Doetz und Monika Piel, die Initiatoren der Deutschen Content Allianz. Bild: S. Duwe

Ein ganzer Verbändechor singt das Lied vom angeblich "rechtsfreien Raum" Internet

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Überraschend ist sie zustande gekommen: die neu gegründete Deutsche Content Allianz. So überraschend sogar, dass die Beteiligten - darunter ARD, ZDF, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Bundesverband Musikindustrie (BVMI), die GEMA, die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) sowie der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) nicht müde werden, es immer wieder zu betonen. "Überraschend" und "ungewöhnlich" sind denn auch die gefühlt meistbenutzten Worte auf dieser Pressekonferenz, auf der jene Akteure des Medienbetriebs zusammen kamen, die sich in vielen Fragen zwar nicht einig sind. Jedoch haben sie, und das ist überhaupt nicht überraschend, ein gemeinsames Interesse: die Verteidigung des so genannten geistigen Eigentums.

Das Problemfeld aus Sicht der Contentallianz ist schnell umrissen: es ist die "neue Technologie", wie Jürgen Doetz, der Präsident des VPRT erklärte. Doetz meinte damit zugegebenermaßen sein Mikrofon, welches zu Beginn seines Eingangsstatements nicht mitspielen wollte. Es passt allerdings sehr gut zur Stoßrichtung der Allianz. Das Koordinatensystem zwischen Netzen und Inhalten sei verrutscht, so Doetz - weshalb er "Vorfahrt für die Medien" zur neuen Losung erklärte.

Der VPRT-Präsident hatte gemeinsam mit der WDR-Intendantin Monika Piehl die Content-Allianz auf den Weg gebracht. Alle Verbände in der Contentallianz seien kampferprobt, wenn es um die Verfolgung eigener Ziele ginge, erklärte Doetz stolz. Zufrieden mit den Kampfergebnissen scheinen die Mitglieder jedoch nicht zu sein. Den Grund dafür sieht Doetz in den unterschiedlichen Positionen der Verbände. In diesen sieht er auch den Grund dafür, dass sich die Politiker derzeit am "Hype der Netzpolitik" beteiligen.

Deshalb hat sich die Contentallianz vor allem ein gemeinsames Ziel gesetzt: gegenüber der Politik soll der Wert der Inhalte betont werden. Die technische Möglichkeit, Inhalte zugänglich zu machen, würde derzeit höher bewertet als die Inhalte selber, monierte der Vorstandsvorsitzende der GEMA, Harald Heker. Für die Inhalte sei das eine Bedrohung. Wenn in den Netzen aber keine Inhalte transportiert würden, dann wären auch die Netze wertlos, so die WDR-Intendatin Piel. Sie erklärte, sich für die Interessen der Inhalteanbieter gegenüber den Netzbetreibern einsetzen zu wollen. Alle Anbieter müssten einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Infrastrukturen bekommen, wozu auch gehöre, dass die Inhalte auffindbar seien. In der Debatte um die Netzneutralität erkennt die Contentallianz ein "hohes Diskriminierungspotential".

Während die Allianz mit dieser Aussage bei Internetnutzern noch auf Zustimmung hoffen dürfte, ist bei weiteren Punkten der Widerspruch vorprogrammiert. So beschwerte sich Heker darüber, dass die Gema im vergangenen Jahr nur einen " skandalös niedrigen Betrag" im Internet erwirtschaften konnte. Er verlangte, dass die Netzbetreiber künftig eine Abgabe an die Gema zahlen sollten, immerhin verdienten sie viel Geld mit den Daten, die sie über ihre Datenautobahnen schickten.

Große Überschrift, aber kaum konkrete Inhalte. Bild: S. Duwe

Dieter Gorny vom BVMI griff in seinem Statement die Justizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger (FDP) für ihre Äußerungen auf einer Veranstaltung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung an. "So wie sie das da gesagt hat, wird das nicht gehen", so Gorny. Die Ministerin hatte die Durchsetzung von Urheberrechten im Internet als "Beispiel der Endlichkeit staatlicher Einflussnahme" genannt. Die Sperrung des Internetanschlusses aufgrund von Urheberrechtsverletzungen lehnte sie deutlich ab. Die Debatte um Technologien gelte als cool, während die Debatte um die Inhalte als retro gelte, schimpfte Gorny. Auch SPIO-Präsident Steffen Kuchenreuther sieht großen Überzeugungsbedarf für die Position der Allianz bei der Justizministerin. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) sei am ehesten "auf unserer Seite", so Kuchenreuther.

Eine Position zu konkreten Sachfragen, wie beispielsweise zum Three-Strikes-Modell, wollte die Contentallianz aber auch auf mehrmaliges Nachfragen der Journalisten nicht abgeben. In der Allianz sind dazu offenbar die Positionen zu unterschiedlich. Während Gorny für Three Strikes eintritt, lehnen andere Mitglieder der Allianz dies ab. Die Verbandsvertreter bleiben daher gern im Allgemeinen. Werden die Nachfragen der Journalisten zu konkret, weicht die Verbändevertretung aus. Man wolle nicht auf konkrete Inhalte eingehen, um die Botschaft nicht mit Einzelvorschlägen zu verwässern.

Viel mehr als allgemeine Aussagen wie die, dass Urheber- und Leistungsschutzrechte die "Basis kreativen Schaffens" seien und daher ergänzt und fortentwickelt werden müssten, sind daher von der Contentallianz nicht zu erwarten. Trotzdem ist es denkbar, dass die Allianz in einzelnen Fragen mit einem Forderungskatalog aufschlagen könnte - wenn sie sich einigen kann. Ansonsten bleibt ihr nichts weiter, als auf abstrakter Ebene für den Wert des geistigen Eigentums und zu werben und die Politik aufzufordern, die Entstehung "rechtsfreier Räume" im Internet zu verhindern. Das könnte die Allianz zu einem zahnlosen Bündnis werden lassen. Denn ob erfolgreiche Überzeugungsarbeit in Berlin und Brüssel möglich ist, wenn die Allianz mangels Konsens keine konkrete Vorstellung formulieren kann, ist äußerst zweifelhaft.