Immer die verdammten Spiele!

Mortal Kombat

In den nächsten Monaten steht Jugendmedienschützern harte Entscheidungsarbeit ins Haus - was ist Spiel und was ist Ernst?

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Für die Hochsaison neuer Computerspiele im Herbst drängen sich einige Titel der Prüfung auf, die möglicherweise gegen Indizierungskriterien der BpjM verstoßen und deshalb nicht oder nur geschnitten in den deutschen Handel kommen werden. Dieselben Titel, die hierzulande zum Scheitern verurteilt sind, erfreuen sich im Nachbrland und dem Rest der Welt stets millionenfacher Beliebtheit - nicht nur, weil deutsche Kundschaft nach dorthin ausweicht.

Epic hat es mitgemacht: Auf brutale Weise ließ das Entwicklerstudio seinen Ego-Shooter Bulletstorm fürs deutsche Publikum entschärfen (Gewalt-Vergleich des Spiele-Fachmagazins Gamestar und durfte ihn so veröffentlichen. Die Darstellung von Gewalteffekten wie Blut und zerspringenden Körpern, die diesem überzogenen Action-Fest des polnischen Entwicklerteams People Can Fly erst seine Stimmung geben, ist komplett der Löschtaste zum Opfer gefallen - was ausländischen Fachmagazinen wie Kotaku immerhin eine News wert war. (Deutschland schneidet Bulletstorms Beine ab).

Verwunderlicherweise hat Bulletstorms Skill-Shot-Prinzip dennoch überlebt und ist nicht an BPjM-Indizierungskriterien wie "unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Elemente" gescheitert. Dabei bieten Zwischenziele wie "Schieß einem Gegner in die Eier und schieß oder tritt ihm dann den Kopf von den Schultern" nicht mehr viel Raum für Interpretationen. Je fieser der Spieler nämlich Feinde wegknallt, umso mehr Punkte verdient er. Diese kann er wiederum für bessere Waffen einsetzen - frei nach dem Motto: Siege und werde belohnt.

Wo in Bulletstorm die Gesetze des schwarzen Humors ständig präsent sind, können Medium-Fremde diese in der Science-Fiction-Shooter-Reihe Gears of War nicht auf Anhieb erkennen. Wie in Gears 1 und 2 dürfen Spieler ihre Gegner auch im kommenden Gears of War 3 (20. September) für Xbox 360 mit einer am Gewehr befestigten Kettensäge zerstückeln. Mit bereits mehr als 300.000 Vorbestellungen allein in den USA verspricht der Third-Person-Shooter die insgesamt 11 Millionen verkauften Einheiten seiner beiden Vorgänger um weitere Millionen zu erhöhen.

Da hierzulande beide Teile indiziert wurden und neue Waffen wie das klassische Bajonett sowie ultrabrutale Hinrichtungsabläufe nicht gerade beschwichtigend wirken, ist jetzt schon wahrscheinlich, dass Hersteller Microsoft "Gears of War 3" der USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) wohl gar nicht erst vorlegen wird. Deutsche Spieler werden also, wie üblich, ihr Exemplar im Ausland, z.B. bei Händlern in Österreich, ordern.

Der neunte Teil des Beat-'em-ups "Mortal Kombat" (Playstation und Xbox 360) steuert ein ähnliches Schicksal an. Während Resteuropa ab 19. April Mann-gegen-Mann in Onlinematches antritt, gucken deutsche Spieler in die Röhre: Mortal Kombat kam erwartungsgemäß nicht durch die Prüfinstanz der USK, wie Warner Bros. und Spielentwickler NetherRealm Studios Anfang April verkündeten. Zum Markenzeichen der Prügelspielserie zählt nicht nur spritzendes Blut, auch grausame Todesstöße (Fachjargon: Finishing Moves) geben ihr Pfiff. Neu hinzukommende Effekte wie kurz eingeblendete Röntgenbilder von inneren Verletzungen und Knochenbrüchen kippen noch mal Öl ins Feuer aufgeflammter Empörung.

Mortal Kombat

Ein weiterer Zensur-Aspirant lässt noch auf sich warten. Bevor gegen Ende des Jahres der dritte Teil der Kultspielserie Max Payne erscheinen kann, stehen ihm sicherlich mehrere Prüfungen bevor. Folgen die Entwickler von Rockstar (u. a. Grand Theft Auto und Red Dead Redemption) der Tradition der ehemaligen Remedy (Alan Wake) -Serie - was Fans dringend fordern -, wird Max Payne 3 (PC, Xbox 360 und PlayStation 3) ein knallhartes Ballerspiel.

Nach etlichen Verschiebungen von Winter 2009 auf aktuell Winter 2011 verraten bisherige Infos, dass die Handlung von New York nach São Paulo verlegt wurde. Eine virtuelle Dekade nach dem Vorgänger arbeitet der lebensüberdrüssige Held als Angestellter eines privaten Sicherheitsdienstes und hat seine Abhängigkeit von Schmerzmitteln ebenso wenig bewältigt wie seinen Zynismus - eine Mischung, die ihn schon seit Teil 1, trotz aller Äquivalente aus Kino und Fernsehen, zum Archetypen fragwürdiger Antihelden werden ließ. Der Bundesprüfstelle reichte es damals für eine Indizierung und begründete die Entscheidung u. a. damit, dass die mit Max Payne (2001) eingeführte und in Teil 3 wiederkommende Bullet Time Gewalt ästhetisiere. Mit ihr konnte der Spieler die Zeit verlangsamen und seine Feinde präziser anvisieren - heute ein gängiger Effekt in unzähligen Spielen und Filmen.

F.E.A.R. 3

So auch in F.E.A.R. 3 (PC, Xbox 360 und PlayStation 3), das für Mai angekündigt ist und zu dem Regisseur John Carpenter ("Halloween", "Die Klapperschlange") sowie Comic- und Drehbuchautor Steve Niles ("30 Days of Night") die cineastischen Zwischensequenzen beisteuern werden.

Nach Beanstandungen der USK ging der Horror-Shooter kürzlich unter die Schere. Die Handlung um die Bedrohung der Monstergestalt Alma Wade und ihrer zwei paranormal begabten Söhne Point Man und Paxton Fettel soll durch den Schnitt für Deutschland allerdings kaum betroffen sein. Zumindest können schon mal auch hierzulande beide Charaktere mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten allein oder in Koop mit Freunden gesteuert werden. Ob ohne blutverschmierte Wände oder ähnliche Splatter-Effekte eine vergleichbare düster-okkulte Gruselstimmung entstehen kann wie in der Uncut-Version, sei einmal dahingestellt.

F.E.A.R. 3

Spannend wird auch die USK-Entscheidung zu "Rage" - einem spektakulären Endzeit-Shooters, der weltweit im September erscheinen soll. Da hinter dem postapokalyptischen Mix aus Baller- und Rennspiel das hierzulande umstrittene Studio ID Software steht, das mit Spielen wie Doom, Quake oder Wolfenstein bereits auf eine ansehnliche Liste an deutschen Indizierungen zurückblickt, tätigen vorsorgliche Fans ihre Reservierungen lieber gleich bei Import-Händlern.

F.E.A.R. 3

Während Branchen-intern längst klar ist, dass Dinge wie Waffeneinsatz (Die Waffen von Rage den Spaß von Spielen essentiell beeinflussen, verzweifeln Schöpfer dieser fantastischen Werke hierzulande oft an verhärteten Wertungsmaßstäben. Insbesondere das unentwegt in der Entwicklung befindliche Unterhaltungsmedium der Spiele ist davon betroffen. Wohin der Zensurwahn letztlich führt oder ob der mit Sicherheit kommende Verantwortungsübergang zur Generation der Computer-und Internet-affinen Jugendschützer Änderungen bringen wird, ist nach heutigem Stand kaum absehbar.