Zahlreiche Fischarten im Mittelmeer vom Aussterben bedroht

Neben der Überfischung sind Zerstörung und Verschmutzung der marinen Unterwasserwelt und Nichteinhalten von Fangquoten für die Situation verantwortlich

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Internationale Union zum Schutz der Natur (IUCN) in Genf warnt in einer Studie zur Roten Liste bedrohter Meerestierarten insbesondere vor dem Aussterben der Blauflossenthunfische im Mittelmeer und Ostatlantik. Insgesamt seien 40 Fischarten sowie mindesten 12 Knochenfischarten im Mittelmeer vom Aussterben bedroht

Überfischung, Verschmutzung der Meere und das Nichteinhalten von Fangquoten führten dazu, dass sich der Blauflossenthunfisch innerhalb von 40 Jahren kaum noch reproduzieren kann. Eine Maßnahme zur besseren Kontrolle der Fischereiaktivitäten könnte die Videokontrolle der Fischerei sein, wie sie zur Zeit in einigen Pilotprojekten in Nord- und Ostsee getestet wird, schlägt Gerd Kraus vom Johann Heinrich von Thünen-Institut in Hamburg vor.

Blauflossenthunfisch. Bild: Osaka Aquarium. Lizenz: CC-BY-SA-2.5

Schon lange warnt die FAO (United Nations Food and Agriculture Organization) vor der Überfischung der Blauflossenthunfische im Mittelmeer und Ostatlantik. Doch ein richtiger Beweis dafür, dass der Langstrecken- und Schwarmschwimmer mit sichelförmiger Schwanzflosse allmählich ausstirbt, fehlt. Seit 2007 forschten das IUCN und 25 Meeresforscher im Rahmen einer Studie zur Roten Liste bedrohter Meerestierarten an der Frage. Ihr Ergebnis: Bereits die Hälfte der Hai- und Rochenarten sowie 12 Arten von Knochenfischen sind vom Aussterben bedroht. Die Reproduktion des Blauflossenthunfischs ist massiv eingeschränkt. Die Gründe sind die Überfischung der Meere, die Zerstörung und Verschmutzung der marinen Unterwasserwelt sowie das Nichteinhalten von Fangquoten.

Beliebter Speisefisch in Tokio

Allein 80 Prozent des Fangs der agilen, fettreichen und massigen Blauflossenthunfische landen in Japan auf dem Fischmarkt von Tokio. Hier werden für die wohlschmeckenden Fische als Sushi oder Sashimi Spitzenpreise mit über 100 Dollar pro Kilogramm gezahlt.

Zu einer bestimmten Jahreszeit kommen japanische Schiffe und Aufkäufer in die Region. Entweder fischen sie selbst nach dem kostbaren Kaltblüter, der aber aufgrund seiner rastlos schwimmenden Lebensweise in der Umgangssprache unter Fischern auch als Warmblüter gilt, da die Temperatur seines Blutes über der Wassertemperatur liegt oder sie kaufen von lokalen Fischern die frischen Fänge direkt auf, "frosten sie und bringen sie in Richtung Japan", erklärt Gerd Kraus vom Johann Heinrich von Thünen-Institut.

Trotz verbesserter Fangmethoden viel Beifang

Obgleich seit 1990 nicht mehr mit Treibnetzen gefischt werden darf, steigt der Beifang an, der häufig kommerziell nicht nutzbar ist. Dadurch wird die Artenvielfalt im Meer bedroht. Der Grund sind Fangmethoden des Thunfisches mit Langleinen, an deren mit Tintenfischen geköderten Haken auch Vögel, Haie, Schildkröten und Rochen anbeißen und dabei verenden. Werden die Langleinen nach 8 bis 12 Stunden eingezogen, schmeißen die Fischer die erstickten Haie und Schildkröte einfach über Bord. Denn wertvoll ist allein der Thunfisch.

Im tropischen Ostpazifik wird der gesellige Gelbflossenthunfisch gefangen, der meist mit einer Delfinschule vergemeinschaftet ist und mit einer Geschwindigkeit von rund 80 Stundenkilometern im Meer schwimmt. Beliebt ist er als Speisefisch wegen seines hellroten Fleisches. Dabei verwenden die Fangflotten häufig Ringwadennetze. Die Netze werden um die Delfinschulen gelegt und von unten geschlossen, so dass Thunfisch und Delfine gleichermaßen in der Falle sitzen.

Um den Verbraucher nicht abzuschrecken, werden vor allem in den USA, aber auch in europäischen Supermärkten Thunfischdosen, in denen meist weißes Thunfischfleisch eingemacht ist, häufig mit delfinfreundlichen Etiketten ausgezeichnet. Doch Greenpeace warnt davor, dass es sich dabei nicht um ökologische Labels handelt. Denn Kontrollen finden auf den Ozeanen kaum statt, um nachzuprüfen, ob Delfine wirklich beim Fang von Thunfischen geschont werden.

Thunfischfarmen benutzen Wildfänge

Das Züchten von Thunfischen aus Eiern ist bisher nicht im kommerziellen Maßstab gelungen. Häufig werden Wildfänge junger Thunfische eingefangen, damit sie in Aquakulturen für den Verzehr gemästet werden können. Während aber Blauflossenthunfische erst zwischen 5 und 8 Jahren Geschlechtsreife erlangen, können sie unterdessen nicht für die Reproduktion der Art im Meer sorgen, da sie vor der Geschlechtsreife aus den Ozeanen gefischt werden.

Bisher ein Rätsel für Fischereibiologen ist die Frage nach Gründen, die die Stärke der Nachwuchsjahrgänge der Thunfische bestimmen. Zu viele Faktoren sind im Spiel, die ein ungehindertes Wachstum vom Ei, über die Larve bis zum Jungfisch begünstigen oder verhindern können. Wichtig ist beispielsweise, dass die Eier von den Laichgebieten in geeignete Aufwuchsgebiete über die Strömung getragen werden, in denen die Fischlarven nach dem Schlüpfen günstige Nahrungsbedingungen finden. Das hängt aber auch von Umweltfaktoren ab und ist schwer kalkulierbar.

Insofern kann die Thunfischmanagementorganisation ICCAT (International Commission for the Conservation of Atlantic Tuna), die für Thunfischbestände im Atlantik und Mittelmeer zuständig ist, einzig auf die Reduzierung der Fangquoten der beteiligten Nationen drängen, damit sich die Fischbestände erholen können.

Demokratiekonflikte in Nordafrika und Westafrika behindern Kontrollmaßnahmen

Äußerst fragwürdig ist es zudem, ob Länder, die momentan um eine demokratische Entwicklung ringen, Zeit und Ressourcen aufbringen können, um den Fischfang in ihren Gewässern ausreichend zu überwachen. Dies bezweifelt Gerd Kraus:

Gerade jetzt im Zusammenhang mit den Konflikten, die in Westafrika oder Nordafrika ablaufen, sind bei den Staaten, die Fischfang betreiben, momentan möglicherweise andere Dinge wichtiger als Kontrollen der Fischerei durchzuführen.

Doch die Zukunft könnte zumindest eine wichtige technische Innovation für effektive Fischfangkontrollen auf See bringen. Bereits jetzt schon kann man mit Hilfe des Vessel-Monitoring-Systems per Satellit ausmachen, wo ein Schiff fährt und mit welcher Geschwindigkeit, bzw. ob es gerade Fische fängt oder nur übers Meer schippert. Weiterhin könnten Schiffe mit entsprechender Sensorik künftig per Video überwacht werden.

Dies ist ein kontrovers diskutierter Reformansatz innerhalb der europäischen Fischerei. Wenn Kameraaufnahmen über die nächtlichen Fänge an Bord beispielsweise direkt an die ICCAT geleitet würden, könnte der kostenaufwendige Einsatz von Fischereiaufsichtsschiffen, die Fänge auf dem Meer überwachen und unangekündigte Kontrollen durchführen durch eine kostengünstige und sehr effiziente Lösung ersetzt werden.