Subventionierte Werbekampagne

Mit dem Deutschlandstipendium können Unternehmen für wenig Geld positive Aufmerksamkeit erzeugen

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Seit diesem Monat können sich Studenten für ein so genanntes "Deutschlandstipendium" bewerben. Dieses vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingeführte und ausgiebig beworbene Programm soll eine "neue Ära der Stipendienkultur" begründen.

Für den Einsatz einer durchaus nicht unaufwendigen Bewerbung winken ihm ein Jahr lang monatlich 300 Euro. Die Chance auf diesen Gewinn ist allerdings sehr begrenzt: Derzeit gibt es an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) insgesamt 70 Deutschlandstipendien. Bei insgesamt 42.790 Studenten kommt also nur jeder sechshundertelfte in den Genuss dieser Zuwendung. Und bei der Auswahl der Gewinner werden nicht nur Noten, sondern auch so unscharfe Kriterien wie "besonderen Leistungen im Werdegang" oder "die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen" berücksichtigt, was den Glücksspielcharakter der Sache verstärkt.

Die auf ein Jahr verteilten 3.600 Euro decken in den meisten Städten nicht einmal annähernd die Lebenshaltungskosten – vor allem in jenen Bundesländern, in denen erst einmal 1000 Euro für Studiengebühren abgezogen werden müssen. Ein parallel dazu gewährtes BAföG wird zwar nicht angerechnet, wohl aber andere Stipendien – es sei denn, sie liegen unter der Summe von sage und schreibe 30 Euro im Monat. Rolf Dobischat, der Präsident des Deutschen Studentenwerks (DSW) bezeichnete das Deutschlandstipendium dem entsprechend wenig überraschend als "marginale Ergänzung", die auch in Zukunft nicht das Zeug habe, zu einer "tragenden Säule der Studienfinanzierung" zu werden und Moska Timar vom Freien Zusammenschluss von Studentenschaften (FZS) merkte an, dass das Programm "keinerlei Anreiz [schaffe], ein Studium aufzunehmen".

Dafür bietet es Wirtschaftsunternehmen eine Möglichkeit, mit wenig Geld PR für sich zu machen. Die Hälfte der Deutschland-Stipendiumsgelder soll nämlich nicht aus dem Bundeshaushalt, sondern aus privater Hand kommen. Bei den 70 Stipendien an der LMU sind sind das die Stadtsparkasse München, die Telekom, 1&1, der Finanzkonzern Allianz, der Pharmakonzern Bayer sowie einige Vereine und natürliche Personen. Von den 252.000 Euro, die die 70 Deutschlandstipendien insgesamt kosten, zahlen sie 126.000 Euro. Konkret sind das für die Stadtsparkasse (die 20 Deutschlandstipendien sponsort) 36.000, für die Telekom 27.000, für die Allianz 14.4000, für Bayer 9.000 und für 1&1 1.800 Euro.

Für diese Summe konnte das Unternehmen seinen Namen gut sichtbar auf mehreren LMU-Websites platzieren, die alleine durch die 42.790 Studenten, aber auch durch zahlreiche Abiturienten und Lehrkräfte beträchtliche Zugriffszahlen erzeugen. Der Zusammenhang, in dem die Firmennamen erscheinen, wirkt durchaus positiv und großzügig. Die konkreten Spendensummen sind nirgends im Web zu finden – man muss sie telefonisch erfragen. Angesichts dessen kann man das Deutschlandstipendium durchaus als eine preisgünstige Werbeoption sehen, die vom Steuerzahler bezuschusst wird.

Auf diese Erkenntnis setzt möglicherweise auch Bundesforschungsministerin Annette Schavan. Andernfalls wäre ihre Ankündigung, dass das Deutschlandstipendium schon in wenigen Jahren acht Prozent aller Studenten beglücken soll, kaum realistisch. Auch deshalb, weil die Bundesmittel offenbar schon jetzt nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft werden: Über die konkrete Zahl der in diesem Sommersemester vergebenen Stipendien mag man zwar beim BMBF zwar keine Auskunft geben, aber eine Hochrechnung der 70 LMU-Stipendien auf die insgesamt 2.119.485 deutschen Studenten ergibt lediglich 3.500 statt der angekündigten "bis zu 10.000" Geförderten.

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