Autos sind kein Statussymbol mehr

Angeblich sollen vor allem die jungen Menschen in Städten ein pragmatisches Verhältnis zu den Autos entwickeln und auf das Fahrrad umsteigen

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Man braucht keine Statistiken, um zu sehen, dass in den Städten, natürlich vor allem im Sommer, die Fahrradfahrer immer mehr werden. Aber auch vom Winter und nassem Wetter lassen sich weniger Menschen abschrecken, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren oder ihren Beschäftigungen nachzugehen. Aber mit dem Abrücken vom Auto scheint sich auch eine Art Krieg zwischen Fahrrad- und Autofahrern zu entwickeln. Dabei geht es auch symbolisch darum, wer die Straßen beherrscht. Bislang sind es die Autofahrer, gelegentlich eingeschränkt durch die öffentlichen Verkehrsmittel. Aber die Autos dominieren auch parkend die öffentlichen Räume der Städte.

Das ist nicht nur eine Folge von steigenden Sprit- und Transportpreisen, der Einsicht, dass man in Städten oft schneller mit dem Fahrrad als mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln ist, und vor allem mit dem Hang eines Teils der Bevölkerung, die notwendige Mobilität mit körperlicher Aktivität zu verbinden. Schließlich schiebt man auch den Kinderwagen nicht mehr im Gehen herum, sondern verbindet den Ausgang mit dem Joggen.

Mittlerweile ist es nach dem grünen, vor allem in den Städten heimischen Lebensstil schick geworden, mit dem teuren Rad zu fahren, während das Autofahren, vor allem wenn man dicke, spritfressende SUVs oder angeberische Sportwagen benutzt, in den Großstädten schon eher als Ausdruck der Zurückgebliebenen gilt, selbst wenn man natürlich auch sein dickes Auto besitzt, aber zum Urlaub eher schon das Flugzeug benutzt. Auto und Fahrrad sind auch insofern vergleichbar, da beide Fortbewegungsmittel individuell sind (man muss sich nicht an Haltestellen oder Zeiten halten) und man nicht in Masse, sondern alleine fährt. Daher steigen wohl eher Autofahrer als gewohnheitsmäßige Benutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln auf das Fahrrad um.

Verstärken könnte den urbanen Trend zum Fahrrad die schon länger beobachtete Unlust am Auto bei den jungen Menschen. Umfragen ergeben, obgleich man genügend Gegenbeispiele findet, dass offenbar für junge Menschen das Auto zunehmend den Charakter als Statussymbol zu verlieren scheint. Man kommt in den Städten auch ohne oder mit relativen günstigen, sparsamen, kleinen und umweltfreundlichen Autos, natürlich auch mit Gebrauchtwagen oder Car-Sharing aus, andere Dinge werden wichtiger, zumal wenn das Geld nicht ganz üppig vorhanden ist, das Auto wird einfach wieder zu einem Fortbewegungsmittel, das ganz praktisch ist, aber weniger die früher gerne konstatierte Penisverlängerung als narzisstisches Outfit darstellt. Kann auch gut sein, dass dies vorwiegend bei den jungen Männern der Fall ist, auffällig ist zumindest, dass die jungen Frauen - vermutlich vorübergehend - nicht nur beim Rauchen und anderen Dingen, sondern auch bei der Zurschaustellung von protzigen Autos aufholen.

Andreas Knie, der als Mobilitätsexperte gilt und Professor für Soziologie an der Technischen Universität Berlin und am Wissenschaftszentrum Berlin ist, meint zwar in einem Interview mit dem Deutschlandradio, dass die seit 2008 hohen Spritpreise die Menschen weg vom Auto und vor allem hin zum Fahrrad gebracht haben, glaubt allerdings auch, dass die Menschen vor allem in den Städten aufgrund grüner Veränderungswünsche sich zunehmend Gedanken machen, wie sie weg vom Auto kommen können, während das auf dem Land noch anders ist, wo das Auto existenziell wichtig für die Mobilität über größere Entfernungen ist:

Natürlich, jetzt sind wir alle mehr oder weniger abhängig vom Auto oder glauben es jedenfalls zu sein, aber in den Städten sehen wir eine deutliche Tendenz, gerade bei jungen Leuten, doch das Auto kritischer zu sehen und eine Lebensweise auch jenseits des Autos zu organisieren, was in Ballungsräumen in Deutschland jedenfalls sehr gut funktioniert.

Andreas Knie

Die Menschen, vor allem die jungen, würden die Mobilität in den Städten schlicht pragmatisch sehen. Man benutzt, was vorhanden ist und was am besten zu den Zwecken passt. Eigentum an einem privaten motorisierten Fortbewegungsmittel müsse nicht mehr sein, zumal auch Knie der Überzeugung ist, dass für die jungen Menschen das Auto kein Statussymbol mehr ist, worauf sich nicht nur die Stadtplanung, sondern auch die in Deutschland wichtige Autoindustrie einstellen muss, die immer noch allzu sehr auf Spritfresser und Luxusschlitten setzt.

Der junge Mensch ist heute wesentlich pragmatischer unterwegs, er braucht das Auto nicht mehr zum Angeben, er muss seinen Status in der Gesellschaft nicht mehr mit der Zahl der Zylinder darstellen, mit der Menge der Kubikzentimeter. Das wird heute durch andere Insignien dargelegt, durch Handys, durch Formen, wie man sich kleidet, welche Musik man hört. Also das sind keine Lippenbekenntnisse, sondern das sind deutlich erkennbare Zeichen, dass eben junge Leute das Auto nicht mehr so in den Mittelpunkt rücken, wie das Generationen davor getan haben.

Andreas Knie

Beobachten lässt sich das als Trend bei jungen Menschen, freilich nicht bei allen und vielleicht auch nicht bei der Mehrheit. Aber ob der Trend anhält, ist eine andere Frage, zumal etwa für den Umstieg vom Auto auf das Fahrrad oder die öffentlichen Verkehrsmittel auch entscheidend ist, wie die Fahrradwege und die öffentlichen Verkehrsmittel ausgebaut und wie groß die Städte sind bzw. welche Strecken die Pendler zu bewältigen haben.