Die Intensivierung der Kampfzone Pakistan

Nach der Tötung Osama Bin Ladens in Abbottabad hat das Land nur mehr wenig Argumente gegen eine Ausweitung des Krieges gegen den Terror auf seinem Boden

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Die Frage, wer was weiß, federt, wenn Geheimdienste mitspielen und es um verborgene Verbindungen geht, die starke Spannungen bis hin zu Kriegsgründen auslösen können, auf einem absurden valentinesken Bühnenboden, der mehrere Ebenen kennt, verschiedene Wissenslevel. Das hat der der frühere US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in einem genialen Moment sehr schön ausgedrückt.

There are known knowns; there are things we know we know. We also know there are known unknowns; that is to say we know there are some things we do not know. But there are also unknown unknowns - the ones we don't know we don't know.

Die USA verlangen, laut eines Berichts des Guardian, im Fall Bin Laden nun eine Erklärung von Pakistan für ein simples "Unknown". Wie kam es, dass Pakistan nicht wusste, dass der meistgesuchte Terrorist der Welt jahrelang vor der Nase pensionierter Militärs, in der Nachbarschaft einer renommierten Militärschule leben konnte, dazu in einem recht auffälligen Anwesen?

Wie war es möglich, dass sich Bin Laden in Sichtweite verstecken konnte? Doch nur, wenn er über ein Unterstützernetz in Pakistan verfügte, anders sei das "unvorstellbar", so der Anti-Terror-Berater des US-Präsidenten, John Brennan. Diese Äußerung dürfte die pakistanische Regierung, die aufgrund einer sehr laxen Steuerpolitik - Ábgaben zahlen nur ungefähr ein Prozent der Bevölkerung - auf die die dicken Geldströme aus Washington angewiesen ist, beunruhigen.

War das Wissen über den Aufenthaltsort Bin Ladens ein "known Unknown"? Der pakistanische Geheimdienst ISI, dem ja enge Verbindungen zu Taliban wie al- Qaida nachgesagt werden, wusste davon - und vielleicht auch einige pakistanische Politiker? -, aber dieses Wissen konnte wegen der Konsequenzen, zu denen man infolge gezwungen werde, nicht öffentlich eingeräumt werden?

Und bei dem Spitzentreffen zwischen amerikanischen Generälen und Geheimdienstchefs und ihren pakistanischen Pendants, das kürzlich stattfand, wurde das Täuschungsspiel fortgesetzt? Oder bestätigte der Chef des pakistanischen Geheimdienstes, Ahmed Shuja Pasha, beim Treffen, was die CIA, NSA und NGIA bereits wussten? Kaum vorstellbar ist zumindest, dass man bei der Zusammenkunft in Washington Mitte April nicht über den Fall Osama Bin Laden sprach.

Neben der Annahme, dass der pakistanische Geheimdienst gepfuscht haben könnte, die einzig auf der Wahrscheinlichkeit von Unzulänglichkeiten in Behörden fußt, ist jedoch gut vorstellbar, dass man im pakistanischen Geheimdienst eigene Süppchen kocht und sich dabei von niemandem in die Töpfe schauen lässt. Immerhin gab es seit Jahren den ausgesprochenen Verdacht, dass sich Bin Laden in Pakistan aufhält. Und Spuren, die auf eine intensive, eigenständige CIA-Recherchen in Pakistan wiesen, wie der Fall Raymond Davis sowie der Zwischenfall mit einem Spion in der Nähe von Osamas Refugium, blieben dem pakistanischen Geheimdienst nicht verborgen.

Sollte die im Kräftespiel Pakistans bedeutende Machtfiliale ISI mehr wissen, als man den Regierungspolitikern verriet und mit den Gegnern der USA deutlich mehr kollaborieren, als man zugibt, so hat das Land ein Problem, dass man zwar schon immer ahnte, dass jetzt aber sehr scharf in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit gerät. Der Kommentator der großen Tageszeitung The Dawn warnt, dass dies gefährlich werden könnte. Der Verdacht, den eine amerikanische Abgeordnete äußerte, wonach Pakistan die Amerikaner zum Narren hielt, könnte sich bewahrheiten. Dem Land drohe Gefahr, wenn man sich jetzt nicht aufraffe und in Form bringe. "Truth will out, only this time it will bring great peril to us if we don’t shape up."

Die Forderung der pakistanischen Geheimdienstler und Generäle, die sie im April erhoben, wonach die CIA ihre Aktivitäten in Pakistan deutlich zurückfahren müssten, steht nach der Entdeckung Bin Ladens in der Nähe zur Hauptstadt nun argumentativ auf schwachem Boden. Die pakistanische Zurückhaltung bei der Unterstützung des amerikanischen "Kriegs gegen den Terror" in den Grenzgebieten zu Afghanistan, insbesondere in Nord-Waziristan, wird künftig schwerer zu begründen sein. Dazu kommen landesinterne Spannungen zwischen den Militanten und der Regierung, die sich schwertut mit der richtigen Positionierung.

Die Tötung Osama Bin Ladens bedeutet einen Wechsel des Kriegsschauplatzes von Afghanistan nach Pakistan, prophezeit der meist gut informierte Leiter des pakistanischen Büros der Asia Times, Syed Saleem Shahzad:

On the basis of interaction with top al-Qaeda leaders, this correspondent has no doubt in predicting that Operation Osama Bin Laden marks the beginning of a shift of the main war theater from Afghanistan to Pakistan and that all previous efforts for reconciliation between Pakistani militants and Pakistan will be sabotaged and all guns will turn towards the Pakistani military establishment.