Ausweitung der Kampfzone

US-Präsident Barack Obama hat sein Militär- und Sicherheitsteam umgebildet. Mit der Ernennung von David Petreaus zum neuen Chef der C.I.A. wächst die Militarisierung des zivilen Auslandsgeheimdienstes

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Der Terrorismus ist für die amerikanische Außenpolitik zu einer militärischen Herausforderung geworden. Die Kriege in Afghanistan und Irak und der Brennpunkt in Pakistan sind mit einer konventionellen Kriegsführung kaum zu gewinnen. Den kampferprobten Vier-Sterne-General und Afghanistan-Kommandeur David Petreaus zum neuen Chef des Nachrichtendienstes CIA zu ernennen, ist der konsequente Schritt der US-Administration, um im "War on Terror" langfristig die Oberhand zu behalten, an dessen komplizierter Situation auch der Tod Osama bin Ladens nichts zugunsten der USA verändert hat. Doch die Militarisierung der zivilen Behörde birgt Risiken.

US-Präsident Obama mit General David Petreaus. Bild: Pentagon

Im Jahr 2006 ernannte George Bush Jr. den ehemaligen General der US Air Force, Michael Hayden, zum Direktor der CIA. Der Aufschrei bei den Demokraten war groß. Man könne dem Militär, so die demokratische Abgeordnete Dianne Feinstein damals, nicht erlauben, wesentliche Aspekte des zivilen Geheimdienstes zu kontrollieren. Fünf Jahre später übernimmt ein weiterer General den obersten Posten der CIA, ernannt von einem demokratischen Präsidenten. Der kleine aber feine Unterschied: Während sich Haydens Militärlaufbahn tatsächlich im Bereich der Informationsbeschaffung und Auswertung abspielte, und weniger im aktiven Kampfeinsatz, ist es bei David Petreaus genau anders herum.

Der 58-Jährige kann nahezu keine Erfahrung im Nachrichtendienst vorweisen. Die Stärken des Absolventen der Militär-Kaderschmiede West Point liegen woanders: Unter Bush Jr. ist er zum Architekten der bekannten "Surge-"Politik aufgestiegen. Die Erhöhung der Truppenstärke hatte angeblich zur erfolgreichen Bekämpfung der Aufständischen im Irak beigetragen. Er gilt wie Obama als starker Befürworter der unbemannten Drohnen-Kriegsführung in Pakistan. Seit 2008 ist Petreaus dazu Chef von CENTCOM und damit verantwortlich für die aktuellen Brennpunkte der US-Außenpolitik: Irak, Afghanistan, Pakistan sowie militärischen Operationen in Jemen. Die New York Times nennt ihn den "prominentesten Feldherrn der letzten zehn Jahre".

Ein Karrieresoldat für den Chefposten der 1947 als ziviler Geheimdienst gegründeten Central Intelligence Agency? Dabei soll doch gerade die CIA dafür sorgen, den Präsidenten mit unabhängigen Analysen zu füttern. Auch, oder, vor allem, um eine ausgleichende Einschätzung neben dem Pentagon und dessen natürlichen Drang nach militärischer Eskalierung aufzubieten. Doch diesmal blieb Kritik aus. Von den Republikanern war keine Opposition zu erwarten, und von den Demokraten gab es sogar Beifall. Sie würde sich auf Petreaus' Visionen bezüglich der CIA freuen, so Dianne Feinstein heute.

Das Abnicken dieser Personalrochade in Washington offenbart, dass die Obama Administration die von Bush Jr. vorgelegte Richtung der Verflechtung von Geheimdienst und Streitkräften weiter vorantreibt. "Petreaus Nomination kommt zu einer Zeit, in der die CIA -mehr als je zuvor in ihrer Geschichte - als Verlängerung der nationalen Einsatzkräfte funktioniert", analysiert die Washington Post. Bereits jetzt arbeiten in den Konfliktregionen von Afghanistan bis Jemen CIA-Teams eng mit Spezialeinheit der US Army, wie den Special Forces zusammen. Ein Risiko. Denn obwohl der CIA demokratische Überwachungsbehörden auf die Finger schauen, braucht sie anders als sonstige Behörden ihren Haushalt nicht zu veröffentlichen. Und im Falle umstrittener Methoden, wie dem Waterboarding, konnten sich ihre Mitarbeiter der Verantwortung gegenüber dem US-Kongress entziehen, indem man auf die Autorisierung der Foltertechnik durch die Bush-Administration pochte.

Im "grauen Krieg" verschwinden Fronten und Regeln

Mit Petreaus an der Spitze des Auslandsgeheimdienstes ist damit zu rechnen, dass die Vielzahl an komplexen Einsatzgebieten und verdeckten CIA-Operationen noch intransparenter und zunehmend militärisch geprägt sein wird. Barack Obama werde von David Petreaus keine unverfälschten Einschätzungen mehr bekommen, ist ein ehemaliger CIA-Analyst überzeugt. Dessen ambivalente Bewertung und Rhetorik über der Lage in Afghanistan und Irak: "Wir machen Fortschritte, aber Fortschritt ist zerbrechlich und umkehrbar", zeige: Einmal ein General, immer ein General.

Im Namen des "grauen Krieges", des asymmetrischen Kriegs ohne Fronten, Armeen und Regeln, wird so nicht nur weiter die Grenze zwischen Soldaten und Spionen verwischt werden. Auch die Grenze von der demokratischen Mitbestimmung, vom "Bescheidwissen", des Volkes über die Tätigkeiten ihrer Regierung, wird zu Gunsten Weniger verschoben. Dass gerade David Petreaus, George W. Bushs Lieblingsgeneral, von einem demokratischen Präsidenten als CIA-Chef ernannt wird, macht deutlich: Der vom US-Historiker Charles A. Beard geprägte Begriff "ewiger Krieg für ewigen Frieden" ist mit Beginn des 21. Jahrhunderts endgültig zum parteiübergreifenden Projekt geworden.