Gefahren für die Welternährung

Die Energie- und Klimawochenschau: Von vertrocknenden Ernten, japanischen Protesten und versauernden Ozeanen

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Den einen scheint es nach einem langen, dunklen und kalten Winter als Segen, den anderen treibt es die Sorgenfalten auf die Stirn: In großen Teilen Europas hat es in den letzten Wochen kaum geregnet und die Bauern müssen sich inzwischen Sorgen um ihre Erträge machen.

Nicht nur Deutschland hat einen rekordverdächtige April hinter sich, auf den britischen Inseln war der vergangene Monat gar der wärmste je gemessene, seit es dort regelmäßige Wetteraufzeichnungen gibt. BBC berichtet außerdem davon, dass in Südengland die Niederschlagsmenge nur zehn Prozent des Üblichen und stellenweise sogar noch weniger betrug.

Daten eines neuen Satellitenprogramms der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, die die BBC präsentiert, zeigen außerdem, dass der Niederschlags Mangel in manchen Gegenden bereits seit März anhält und die Böden inzwischen in weiten Teilen Westeuropas extrem ausgetrocknet sind. In Westdeutschland könnten Gewitter einige Erleichterung bringen, aber einmalige Schauer sind in der Regel nicht genug, um ein über viele Wochen akkumuliertes Defizit auszugleichen und die Grundwasserspiegel nennenswert anzuheben.

Während sich am vergangenen Wochenende der durchschnittliche Städter angesichts des Sonnenscheins an Badeseen und in Straßencafés rekelte, der Solaranlagenbesitzer sich über Spitzenerträge freut, beginnen die Bauern zu stöhnen: "Ich bin Bauer und muss mir in den letzten Wochen meine dahindarbenden Kulturen im Feld angucken", klagt am Dienstag ein Leserbriefschreiber in der taz.

Im Weiteren beschwert er sich über die jubilierende Berichterstattung der taz, mit der diese das Sonnenwetter begrüßt: "... die taz feiert neben den ganzen anderen ignoranten Wetterfröschen das Erreichen der 30-Grad-Marke an sechs Wetterstationen im Land ... Fahrt mal raus aufs Land und schaut euch euer besonders betroffenes Brandenburg an." Dort sind nämlich die Böden sehr sandig und halten deswegen die Feuchtigkeit schlecht. Bei längerer Trockenheit haben daher die dortigen Landwirte mehr noch als anderswo zu leiden.

Weniger Erträge wegen Erwärmung

Dazu passen die Ergebnisse einer letzte Woche in Science veröffentlichten Studie, wozu es auch ein Interview mit David B. Lobell, dem Hauptautor, gibt). Drei US-Wissenschaftler fanden heraus, dass die Erträge von Weizen, Mais, Soja und Reis in den letzten drei Jahrzehnten im Durchschnitt aufgrund der Erwärmung um drei Prozent zurückgegangen sind und die Preise dadurch um 20 Prozent stiegen.

Die Auswirkungen der Klimaveränderungen variierten allerdings von Land zu Land erheblich, und Reis und Soja zeigten sich weniger anfällig als Weizen und Mais. Besondere Probleme gab es zum Beispiel für den Weizenanbau in Russland, der Türkei und Mexiko, heißt es in einem Berichtr Nachrichtenagentur Reuters.

Da auch eine ganze Reihe anderer Faktoren die Erträge beeinflussen, haben die Autoren zunächst versucht, diese mit statistischen Methoden aus den Daten herauszurechnen. Dann haben sie Modelle zur Berechnung von Ernteerträgen einmal mit den realen regionalen Temperatur- und Niederschlagsdaten sowie einmal ohne diese durchgerechnet. Heraus kam für jede Region ein Ergebnis, aus denen sich insgesamt der oben zitierte Mittelwert zusammensetzt.

Zwei Faktoren mit unterschiedlichem Vorzeichen blieben allerdings noch unberücksichtigt. Zum einen gibt es einen Düngeeffekt durch den steigenden Kohlendioxidanteil der Luft. Dieser befördert das Pflanzenwachstum, sofern genügend Wasser vorhanden ist und auch sonst die Umweltbedingungen vorteilhaft sind. Dieser Effekt wirkt den Ertragseinbußen durch zu hohe Temperaturen entgegen, hebt sie nach Einschätzung der Autoren aber nicht ganz auf.

Andererseits blieben auch die Auswirkungen extremer Hitzewellen und von Starkniederschlägen und Überschwemmungen unberücksichtigt, die zu Ernteverlusten führen. Unterm Strich könnten die Auswirkungen der bisherigen Klimaveränderungen auf die Erträge also noch stärker gewesen sein, als von den Autoren abgeschätzt.

Lobell legt in dem oben verlinkten Interview Wert auf die Feststellung, dass alles in allem die Erträge in den letzten Jahrzehnten gestiegen sind - nur ohne den Klimawandel wären sie halt durchschnittlich noch besser ausgefallen - und dass das Klima nur ein Faktor von vielen ist, der die Ernte beeinflusst.

Oder mit anderen Worten: Natürlich gibt es Möglichkeiten, die Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen. Aber: Je stärker dieser ausfällt, desto größer der Aufwand und desto schneller müssen entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden. Die bisherige Zahlungsmoral der reichen Staaten, die zugleich die Verursacher der Probleme sind, lässt aber nicht darauf schließen, dass sie bereitwillig und rechtzeitig bereit sind, für die Folgen ihres Handeln gerade zu stehen.