Geld kauft Wissenschaft

USA: das Koch-Imperium und der Erwerb von Lehrstühlen

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Der amerikanische Multimilliardär David H. Koch (vom Comedian-Star Stephen Colbert ausgesprochen wie "Coke") hält nicht viel von staatlichen Eingriffen ins Business. Als überzeugter radikaler Libertärer zieht er da sehr scharfe Grenzen. So kommt er dazu, US-Präsident Obama als "Hard-Core-Sozialisten" zu bezeichnen, der ihm Furcht einflößt.

Andrerseits ist Koch, in Zusammenarbeit mit seinem Bruder Charles, ein gefürchter Lobbyist, der Einfluss bei Politik und Wissenschaft zum Gedeihen seines Business sucht. Dabei geht er recht geschickt vor. Seit Jahren wirft man den Brüdern vor, dass sie versuchen mit ihrem Geld Gutachten und wissenschaftliche Berichte zu unterstützen, die Ölbohrungen vor der amerikanischen Küste begünstigen und den Klimawandel kleinreden, um die "Klimawandelleugner-Maschinerie" gut zu schmieren (siehe dazu: Wie man das Klima auf die richtige Temperatur herunterkocht).

Trotz ausführlicher Dokumentationen, die diese Vorwürfe untermauern, konnte sich David H. Koch in der Öffentlichkeit meist gut und unbescholten aus der Affäre ziehen, weil ihm sein Einfluss nur indirekt nachgewiesen werden konnte. So auch, als es im Herbst letzten Jahres um seinen Einfluss und seine Nähe zur Teaparty-Bewegung ging: Koch wies den ihm unterstellten Einfluss als übertrieben zurück und bestritt direkte Verbindungen, obwohl eine Menge an Verbindungen genau das Gegenteil sagten - siehe dazu Libertäre als Tea-Party-Großsponsoren.

Nun ist Koch erneut in eine Affäre verstrickt, bei der es um zweifelhafte Einflussnahmen auf Felder geht, die tatsächlich auf Unabhängigkeit angewiesen sind. Es geht darum, wie sein Geld via Charles G. Koch Charitable Foundation darüber bestimmt, welche Professoren an der Florida State University angestellt werden. 1,5 Millionen Dollar sollen über die Stiftung an die Wirtschaftsfakultät der Universität fließen, im Gegenzug dafür soll man sich ausbedungen haben, dass man Bewerber für eine neues Lehrangebot - "political economy and free enterprise" - prüft oder ablehnt.

Der Vertrag wurde 2008 geschlossen. 60 Prozent der Bewerber wurden 2009 von Koch abgelehnt, so ein Zeitungsbericht. Die amerikanische Öffentlichkeit wurde aktuell erst auf die Sache aufmerksam, weil zwei Professoren nun der Presse gegenüber bekannt gaben, dass der Vertrag ein Angriff auf die akademische Freiheit sei. Daraus entwickelte sich in US-Medien eine Diskussion darüber, wie staatliche Universitäten durch eine solche Praxis unterwandert werden (siehe: The Koch Brothers and the End of State Universities).

Da viele Staaten in den USA den Anteil ihrer Zuweisungen an "state universities" auf unter 20 Prozent reduziert hätten, mit stark fallender Tendenz, so Professor Juan Cole, sei zu erwarten, dass aus der Unterstützung der Koch-Brüder ein skandalöses Modell erwachse. Reiche seien zwar gut darin Geld zu machen, aber wenig spreche dafür, dass sie sich mit akademischen Ansprüchen auskennen; manche zeigten sich diesen gegenüber geradezu feindselig, wie Koch ja schon mehrmals bewiesen hat. Deshalb wertet Cole derartige Zuweisungen, wenn sie an solche Bedingungen geknüpft sind wie bei der Koch-Affäre, für Universitäten, die an ihrem Bildungsauftrag festhalten, als unakzeptabel.

Der verantwortliche Dekan der Florida State University sieht das anders. Er habe mit dem Koch-Deal zwei neue Professoren bekommen und acht zusätzliche Lehrveranstaltungen. Zwar mögen manche sagen, das stünde nicht ganz im Einklang mit der akademischen Freiheit; aber aus seiner Sicht wäre es unverantwortlich gewesen, das Angebot nicht anzunehmen, wird David W. Rasmussen zitiert: "I'm sure some faculty will say this is not exactly consistent with their view of academic freedom. But it seems to me it would have been irresponsible not to do it."

Die Kochsche Hochschulpolitik könnte sich als zukunftsträchtiges Erfolgsmodell erweisen, kommentiert das Internetmagazin Salon mit bitterem Unterton, die Rechten würden sich weitaus geschickter dabei anstellen, Schüler und Studenten auf ihre Seite zu ziehen:

Today's rich libertarian knows the real ticket to winning the future is filling schools with people who agree with you. (This hasn't worked for the left, but that may be because they spent all their time in control of academia rigorously critiquing texts instead of just inventing pseudo-scientific justifications for gutting the welfare state and eliminating the tax burden of very rich people.)