IPCC: Das Potential der Erneuerbaren Energien ist größer als der weltweite Strombedarf

Ottmar Edenhofer bei der Vorstellung des IPCC-Berichts. Bild: S. Duwe

Schon 2050 könnte 75 Prozent des globalen Energiebedarfs aus regenerativen Quellen gedeckt werden

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Es hätte kaum einen günstigeren Zeitpunkt geben können für den Sonderbericht des Weltklimarates. 2008 in Auftrag gegeben, platzt der "Special Report on Renewable Energy Sources and Climate Change Mitigation" (SRREN) mitten in die Debatte um die Energieversorgung nach Fukushima. Trotz der Tragik dieses Ereignisses ist es den Verantwortlichen wie Ottmar Edenhofer, dem Vizevorsitzenden der IPCC-Arbeitsgruppe zur "Vermeidung des Klimawandels", die den Bericht erstellte, durchaus recht, in dieser Situation ihre Arbeitsergebnisse vorstellen zu dürfen. Immerhin ist ihnen so ein zusätzliches Maß an Aufmerksamkeit sicher.

Über 120 Wissenschaftler haben an dem Bericht zwei Jahre lang geschrieben, anschließend durchlief er einen Review-Prozess. Die Regierungen, die den Auftrag an den IPCC vergaben, haben sich dabei zurückgehalten. Doch das wird wohl nicht mehr lange so bleiben. Schon bald wird der IPCC zu einer Plenarsitzung mit Vertretern von allen 194 Regierungen, die derzeit Mitglied im IPCC sind, zusammenkommen. Über den eigentlichen Bericht, der erst am 31. Mai veröffentlicht wird, dürfen sie nicht abstimmen.

Um so heftiger dürfte dafür über dessen Zusammenfassung, genannt Summary for Policy Makers (SPM) gestritten werden. Die über 400 Delegierten können dann zu jedem einzelnen Satz Stellung nehmen und versuchen, ihn zu ändern. Aufgrund der unterschiedlichen Interessen der einzelnen Länder sind heftige Diskussionen unvermeidlich. Änderungen seien jedoch auch in der Zusammenfassung lediglich in Nuancen oder bei den Bewertungen möglich, erklärt Edenhofer. Er legt Wert darauf, dass der IPCC keine konkreten Empfehlungen ausspricht, sondern lediglich die Optionen aufzeige, die zur Verfügung stehen.

Optionen enthält der Sonderbericht zur ausreichend. Ganze 164 Szenarien haben die Wissenschaftler durchgerechnet – viele davon sind pessimistisch. In mehr als der Hälfte der Szenarien haben die Erneuerbaren Energien im Jahr 2050 nur einen Anteil von unter 30 Prozent. Auch die Kombination von Erneuerbaren Energien und Atomkraft findet sich als eine Möglichkeit wieder. Doch es gibt auch Szenarien, in denen bis 2050 fast 80 Prozent des Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden können. So heißt es in der Zusammenfassung, dass das technische Potential der Erneuerbaren Energien so hoch sei, dass damit der globale Energiebedarf mehr als nur gedeckt werden könne.

Doch um dieses Ziel zu erreichen, sind Anstrengungen nötig, wie Edenhofer betont. So müsse dafür gesorgt werden, dass die Kosten der regenerativen Energien durch deren technische Weiterentwicklung weiter sinken. Zudem müssten die Erneuerbaren in das bestehende Energiesystem der Länder integriert werden. Das sei möglich, weil einige Spielarten dieser Stromerzeugung, wie Wasserkraft und Biomasse, ähnlich wie herkömmliche fossile Kraftwerke kontinuierlich Strom liefern können. Zudem muss Edenhofer zufolge eine "ambitionierte Klimapolitik" betrieben werden. CO2 müsse einen Preis bekommen. Global gesehen gebe es eine Kohlerenaissance, weil Länder wie die USA und China stark auf diese Form der Stromerzeugung setzten.

Doch eine internationale Klimapolitik lässt sich derzeit kaum durchsetzen, wie entsprechende Gipfeltreffen immer wieder zeigen. Genau weil aber die Fortschritte beim Klimaschutz so außerordentlich gering sind hätten viele Länder in Abu Dhabi, wo die Zusammenfassung des Sonderberichts erstellt wurde, den Ausbau der Erneuerbaren Energien als sinnvolle Option zur Erreichung der Klimaschutzziele angesehen, so Edenhofer. Doch aus seiner Sicht ist das nur eine Übergangslösung. Je stärker mehr Strom aus regenerativen Quellen erzeugt wird, umso billiger werden fossile Energieträger. Und da insbesondere die Kohlevorräte noch sehr groß seien, könnte es sein, dass diese dadurch wieder verstärkt genutzt werden. An einem wirkungsvollen internationalen Klimaschutzabkommen führt demnach kein Weg vorbei.

Für Umweltminister Röttgen ist der Markt überfordert, langfristige Probleme zu lösen. Bild: S. Duwe

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) begrüßte den Sonderbericht des IPCC. Er sei ein Beispiel dafür, wie die Arbeit für eine bessere Welt aussehen könnte. Die Kosten der Energieerzeugung müssten nicht nur kurzfristig, sondern über den gesamten Lebenszyklus betrachtet werden, mahnte der Minister. Die Kosten der Erderwärmung würden uns noch nicht heute präsentiert, aber bereits die nächste Generation müsse unter ihnen leiden. Als Folgen der Erderwärmung nannte der Minister unter anderem das "Absaufen" ganzer Inseln sowie die Entstehung von Wüsten. Dies führe zu neuen Flüchtlingsströmen und Kriegen.

Der Markt sei allerdings überfordert, solche langfristigen Probleme zu lösen. Röttgen sprach sich dafür aus, den Anteil der Erneuerbaren Energien in Deutschland bis zum Jahr 2020 auf 35 Prozent zu erhöhen. Die Bundesrepublik müsse zeigen, dass in einem modernen Hochindustrieland die Transformation der Energieversorgung auch ökonomisch machbar ist. Die Wohlstandsfrage dieses Jahrhunderts sei, wie mit immer weniger Ressourceneinsatz und Emissionen immer mehr produziert werden kann.

Wie viel von diesen großen Ankündigungen in der Praxis übrig bleibt, wird sich noch vor der Sommerpause im politischen Berlin zeigen: Dann wird die Regierung ihr Konzept zur Energieversorgung nach Fukushima vorlegen und im Bundestag zur Abstimmung stellen.