Gigantisches Tor zum Radiokosmos

Bild: N. Tacken, MPIfR

Das weltweit zweitgrößte vollbewegliche Radioteleskop ist 40 Jahre alt geworden und operiert immer effektiver

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Vor 40 Jahren weihten deutsche Ingenieure und Wissenschaftler eines der weltweit leistungsstärksten und modernsten Radioteleskope ihrer Zeit ein. Dank permanenter Wartung, ständigen technischen Modifikationen an den Spiegeln und Empfängern, infolge der Anwendung modernster Elektronik und Digitaltechnik operiert die 100-Meter-Schüssel in Effelsberg effizienter denn je. Von der sukzessiv erhöhten Sensibilität der Anlage profitieren Radioastronomen wie Michael Kramer, der mit der Riesenantenne in der Eifel nicht nur die Richtigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie, sondern auch erstmals in der Geschichte der Astronomie eine Pulsarkarte des Nordhimmels erstellen will.

Es ist wohl ein ungeschriebenes Gesetz, dass sich fast alle Sternstunden der Wissenschafts- und Technikgeschichte fernab der Öffentlichkeit und abseits allen medialen Trubels ereignen - ohne die Anwesenheit neutraler Zeitzeugen oder Chronisten, der das Geschehene minuziös notierten.

Janskys Sternstunde

So nimmt es nicht wunder, dass vor knapp 80 Jahren ebenso wenig ein beflissener Wissenschaftshistoriker oder interessierter Reporter die große Stunde des Karl Guthe Jansky (1905-1950) protokollierte. Damals war keiner war zugegen, als der junge Radioingenieur mithilfe einer antennenähnlichen Konstruktion im Auftrag des Bell-Telefon-Laboratoriums in Holmdel (New Jersey/USA) atmosphärische Störungen und andere Störquellen auf verschiedenen Radiofrequenzen untersuchte.

Kein Toningenieur nahm das regelmäßige Zischen auf, das Jansky ein knappes Jahr später auf einer Wellenlänge von 14,6 Metern über seinen Kopfhörern vernahm. Und keiner Fotograf oder Kameramann verewigte seinen Gesichtsausdruck auf Zelluloid, als dieser das starke Geräusch hörte, das partout nicht von einer irdischen Radiostation stammen konnte.

Nachdem Jansky den Himmel systematisch nach der Quelle des störenden Hintergrundrauschens durchmusterte, fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen: Das mysteriöse Knistern, dessen Intensität sich im Laufe des Tages änderte, musste von entfernten Sternen, womöglich aus dem Zentrum der Milchstraße stammen.

Karl Janskys Apparatur, die äußerlich ein wenig an das "Flugzeug" der Gebrüder Wright erinnert. Bild: NRAO

Was alle Radiopioniere und Rundfunkprofis all die Jahre zuvor glattweg überhört hatten, entging seinen wachen Ohren nicht. Er tauchte mit einem Male in die Welt der Sphärenmusik ein und öffnete dabei zugleich ein neues Fenster zu einer bis dato unbekannten Welt.

Karl Jansky starb überraschend jung; er ist zweifelsfrei der Vater der Radioastronomie. Bild: NRAO

Es sollten aber noch einige Jahre vergehen, bis Janskys Entdeckung eine angemessene Würdigung erfuhr, was primär dem Umstand geschuldet war, dass er seine wissenschaftlichen Ergebnisse nicht in einem astronomischen, sondern in einem technischen Journal veröffentlicht hatte. Überdies stellte Jansky sein Papier am 27. April 1933 in Washington, D. C. bloß einigen auserlesenen Gästen vor. Nur wenige Fachkollegen nahmen von seinem Werk zu diesem Zeitpunkt Kenntnis. Erst zehn Wochen später publizierte der "Nature" seinen legendären Aufsatz Radio Waves from Outside the Solar System, der ihn schlagartig bekannt machte.

Trotzdem zog ihn sein Arbeitgeber kurze Zeit später von allen weiteren Arbeiten auf diesem Feld ab. Man hatte damals Wichtigeres zu tun, als sich mit einer brotlosen Kunst herumzuschlagen, mit der kurzfristig kein Geld zu verdienen war.

"Es gehört wohl zu den Ironien in der Entwicklung der Wissenschaft unseres Jahrhunderts, dass von Janskys Entdeckung fast keine Notiz genommen wurde", kommentierte einer der renommiertesten Astronomen aller Zeiten, Sir Bernhard Lovell, die Posse um Jansky.

Grote Reber (1911-2002)

Erst der junge amerikanische Radioingenieur Grote Reber (1911-2002) aus Wheaton/Illinois setzte Janskys Arbeit konsequent fort. Er baute 1937 im Garten seiner Eltern das erste "echte" schalenförmige Radioteleskop und führte mit diesem eigene Observationen durch. Der Amateurforscher und Idealist arbeitete als Solist. Alle Kosten, vor allem jene, die im Zuge des Baus der zehn Meter großen selbst konstruierten Schüssel anfielen, übernahm Reber in Eigenregie.

Die erste Radioschüssel der Menschheitsgeschichte, aufgestellt von Grote Reber im elterlichen Garten. Bild: NRAO

Dank seines großen Engagements und Janskys Pionierleistung konnte sich nach dem Zweiten Weltkrieg ein neuer, heute nicht mehr wegzudenkender Zweig in der Astronomie etablieren, der ein neues Fenster zu einer bis dato unbekannten Welt eröffnete: die Radioastronomie.