"Alzheimer ist in fast jedem Gehirn angelegt"

Die heute noch unheilbare Alzheimer-Krankheit tritt mit ihren Symptomen zwar erst im Alter auf, aber möglicherweise beginnt sie bereits sehr früh

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Nach den Anatomen Heiko Braak und Kelly Del Tredici-Braak von der Universität Ulm lassen sich für die Alzheimer-Erkrankung typischen Veränderungen bereits in Gehirnen von Kindern erkennen. Das ist deswegen interessant, weil man noch immer nicht weiß, wo die Krankheit im Gehirn beginnt und wie sie sich in den frühen Stadien ausbreitet.

Für die Studie, die in der Zeitschrift Acta Neuropathologica erschienen ist, hatten die Anatomen mehr als 2000 Gehirne von Verstorbenen aller Altersgruppen untersucht und dabei auch den Hirnstamm näher betrachtet. Schon sehr früh finden sich hier, besonders im Lokus coeruleus, Ablagerungen des Tau-Proteins. Bislang ist nicht bekannt, ob diese Ursache oder Folge der Alzheimer-Erkrankung sind.

Die Anatomen haben bei mehr als 10 Prozent der 20- bis 30-Jährigen Ablagerungen des Tau-Proteins gefunden, allerdings noch keine Beta-Amyloid-Proteine (Plaques). Sie gelten oft als Hauptursache, könnten aber, sofern die Erkrankung von den Ablagerungen des Tau-Proteins ausgeht, möglicherweise auch eine sekundäre Folge oder eine zusätzliche Ursache darstellen.

Für die Anatomen ist ihr Befund ein Hinweis darauf, dass Alzheimer "fast in jedem Gehirn angelegt ist", interessant würde dann aber erst recht, was dann zum Ausbruch der Erkrankung führt. Bei den jungen Menschen verursacht die festgestellte Tauopathie noch keine der typischen Symptome wie Lern- und Gedächtnis-, Befindlichkeit- und Sprachstörungen bis hin zur Demenz.

Die Wissenschaftler vertreten die Hypothese, dass sich Alzheimer aus dem Hirnstamm in das Zerebralgehirn durch eine Transmission von Neuron zu Neuron und einen transsynaptischen Transport der Ablagerungen des Tau-Proteins ausbreiten könnte, ähnlich wie das bei Prionen der Fall ist: "Offenbar beginnen Alzheimer-typische Veränderungen an einem Ort und breiten sich langsam von Nervenzelle zu Nervenzelle aus. Krankheitsanzeichen wie Vergesslichkeit oder Orientierungsschwierigkeiten treten jedoch erst nach Jahrzehnten auf", vermutet Braak. Würde man den Entstehungsort von Alzheimer kennen und sollte dieser Verbreitungsmechanismus tatsächlich ursächlich sein, so könnte man den "Ausgangsherd" möglicherweise vernichten und so "eine weitere Ausbreitung der neuronalen Veränderungen" stoppen, hofft Braak.