"Unseriöse, spekulative und kriminelle Methoden"

Interview mit Werner Rügemer über Public Private Partnership - Teil 2

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Die Reformen des Finanz- und des Arbeitsmarkts sowie die hauptsächlich in Form von PPP-Projekten getätigte Privatisierung der Infrastruktur haben bislang eindeutig negative Folgen für die Bürger gehabt. Zum Beispiel bei der Privatisierung der kommunalen Wohnungsgesellschaft in Dresden sind die schlimmsten Befürchtungen der damaligen Warner mittlerweile wahr geworden. Dennoch wird an dieser Politik unbeirrt festgehalten. Und mit dem Bankenrettungsschirm wird der Weg ins Desaster weiter beschritten. Jedoch regt sich erster Widerstand von unten. Zweiter Teil des Interviews mit Werner Rügemer über sein Buch Heuschrecken im öffentlichen Raum.

Welche allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Folgen kommen durch PPP auf die Bevölkerung zu? In Ihrem Buch entlarven Sie den Sparzwang der Kommunen als getarnte Sonderinteressen von außen, die nichts mit rationalem Wirtschaften im Interesse der Bevölkerungsmehrheit zu tun haben. Aber ist dieses Konzept nicht auch in der eigentümlichen Akkumulationslogik des Kapitals begründet?

Werner Rügemer: Die jeweils regierenden und als regierungsfähig angesehenen und sich für regierungsfähig haltenden politischen Parteien – also in Deutschland CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne - haben als Beschlusslage: PPP ist gut und soll staatlich gefördert werden. Insofern haben sie, in welcher Kombination sie in Bund, Bundesländern, Kommunen und Landkreisen sie auch das Sagen haben, die „kapitalistische Akkumulationslogik“ als Programm. Sie fördern die immer weitere Erschließung der bisherigen öffentlichen Infrastruktur durch Privatisierungen und private Kreditvergaben.

Genauso retten sie mit Steuergeldern bankrotte private Banken, und alle Landesregierungen retten die bankrotten Landesbanken, ob das nun eine CDU/FDP-Landesregierung wie in Schleswig-Holstein, eine CSU-Regierung in Bayern oder eine SPD/Grüne-Regierung in Nordrhein-Westfalen ist; dabei machen auch die Kommunen ganz selbstverständlich mit, sie wehren sich nicht gegen ihre Schädigung, weil sie das Gesamtmodell mittragen. Außerdem werden städtische Sparkassen zu diesen Rettungen ebenfalls herangezogen.

Die Folgen für die Mehrheit der Bevölkerung sind vielfältig: Erstens im PPP-Projekt selbst; da müssen zum Beispiel in einer neugebauten PPP-Schule die Lehrer und Schüler nun für ihren Parkplatz täglich zwei Euro an die Tiefgaragen-Betreiberfirma des Investors zahlen; in den Pausen kann nur in der privaten Betreiberfirma der Cafeteria konsumiert werden undsoweiter. Zweitens verschuldet sich die Kommune langfristig durch PPP noch mehr als wenn sie die Schule selbst betreiben würde, woraus wiederum „Sparzwänge“ erwachsen. Drittens kürzt die Bundesregierung die Zuweisungen an die Kommunen (für Kindergärten, Mieten der Arbeitslosengeld- und Grundsicherungs-Empfänger. etcetera), sodass Senioren- und Migrantenberatungen, Jugendzentren, Kleintheater und Schwimmbäder geschlossen werden, Zuschüsse zu Schulbüchern gekürzt werden, die Grundsteuer erhöht wird undsoweiter undsofort.

In Ihrem Buch plädieren Sie dafür, dass man die von der Finanzkrise betroffenen Banken hätte Bankrott gehen lassen sollen. Welche positiven Effekte hätte Ihrer Meinung nach diese Maßnahme gehabt und welche negativen Folgen bewirkt der Rettungsschirm?

Werner Rügemer: Die Banken waren ja nicht von der Finanzkrise „betroffen“, sondern sie haben sie selbst verursacht. Nach dem Verursacherprinzip, nach der Theorie der Marktwirtschaft („Die Unternehmen tragen das Risiko“) und nach dem geltenden Recht (Insolvenzordnung) hätte jede Bank regulär einem Insolvenzverwalter unterstellt werden müssen. Das hätte mehrere positive Effekte gehabt: Erstens die reinigende Wirkung, die eine kontrollierte Insolvenz hat, dass nämlich ein marktwirtschaftlich gescheitertes und nicht sanierbares Unternehmen vom Markt verschwindet. Der Markt würde überhaupt erst richtig funktionieren, wenn auch Spekulanten, Abenteurer und Kriminelle ausgeschaltet werden.

"Volkswirtschaftlich zerstörerisch"

Zweitens hätte der gerichtlich eingesetzte Insolvenzverwalter alle Forderungen der Gläubiger auf ihre Berechtigung prüfen müssen; dabei wäre natürlich herausgekommen, mit welchen unseriösen, spekulativen und auch kriminellen Methoden Kredite vergeben und weiterverkauft wurden, mit welchen Gefälligkeitstestaten sogenannte Wirtschaftsprüfer und Ratingagenturen Beihilfe geleistet haben; es wäre also herausgekommen, dass ein Großteil der Gläubigerforderungen keine Berechtigung hat und schon gar nicht im öffentlichen Interesse kompensiert werden darf. Und die Verursacher und Mittäter hätten nicht nur strafrechtlich, sondern auch zivilrechtlich zur Verantwortung und Schadenersatz gezogen werden können.

Drittens wäre dabei öffentlich geworden, dass die Finanzkrise gar nicht durch die öffentlich bekannten Geschäfte der Banken – Konten- und Depotverwaltung, Kreditvergabe an Unternehmen, Staaten und Konsumenten, Verkauf von Aktien und Geldanlagen – verursacht wurde, sondern durch spekulative Interbankengeschäfte, also durch Kreditkreisläufe zwischen den Banken (Beispiel „Cross Border Leasing“), durch Kreditverbriefungen, durch Zinswetten, durch Derivate, durch Kreditvergabe an Hedgefonds und Private Equity-Fonds („Heuschrecken“), durch Investmentbanking (Spekulation der Banken mit eigenem Kauf und Verkauf von Devisen- und Wertpapieren, Finanzierung von Unternehmensfusionen) usw. Dies alles ist volkswirtschaftlich in einigen Fällen bestenfalls neutral, mehrheitlich aber zerstörerisch. Bei einer Insolvenz unter staatlicher Aufsicht wäre dies klar geworden, und die Begründung für die staatliche Rettung wäre weggefallen.

Viertens wäre dabei deutlich geworden, welche Finanzpraktiken verboten werden müssen und welchen Wirtschaftsprüfern, Ratingagenturen usw. die Lizenz entzogen werden muss. Weil man aber diese Konsequenzen nicht gezogen hat, die Banken also blind gerettet wurden, können sie so weitermachen wie bisher. Das bedeutet aber, dass der erste Rettungsschirm nicht ausreicht und ständig weitere Rettungsschirme notwendig werden, national und international. Und das bedeutet weiter, dass die Rettungsschirme zu weiterer öffentlicher Überschuldung führen, dass vor allem die lohnabhängigen Bürger und die Transferempfänger die Zeche zahlen müssen und dass der Boden auch für das angebliche Heilmittel PPP weiter gedüngt wird.

Wie sehen die Alternativen zu dieser Politik aus? In Dresden wurde die Privatisierung der städtischen Mietwohnungen auch von der Linkspartei beschlossen. Inwiefern also kann man in punkto PPP auf die Politiker hoffen? Existieren in Deutschland Ansätze einer Gegenwehr?

Werner Rügemer: In Dresden hat nur die Hälfte der linken Ratsfraktion dem Verkauf der 48.000 städtischen Wohnungen an die „Heuschrecke“ Fortress zugestimmt; sie sind inzwischen alle ausgeschieden. Der andere Teil der Linksfraktion hat ein Bürgerbegehren gegen den Verkauf unterstützt. Der Dresdner Stadtrat hat inzwischen beschlossen, Fortress auf etwa eine Milliarde Bußgeld zu verklagen, weil die Sozialcharta in vielen Fällen verletzt wurde. Ich hoffe, dass diese Klage konsequent durchgezogen wird. Das wäre eine Ermutigung für andere, denn bei Privatisierungen und PPP sind zahlreiche Rechtsverletzungen geschehen.

Oft hat es gar keine ordentliche öffentliche Ausschreibung oder verdeckte staatliche Subventionen gegeben. So hat beispielsweise der Europäische Gerichtshof das Kölner PPP-Projekt der Kölner Messehallen für ungültig erklärt. Zahlreiche Kommunen verklagen die Deutsche Bank wegen gezielter Falschberatung bei Zinswetten, andere Kommunen zögern noch, da wirkt die Komplizenschaft nach.

Die Politiker, die bisher im Einverständnis mit den Banken und Investoren gehandelt haben, sind allermeist nicht lernfähig zumindest bisher. Es ist notwendig, sie durch Bürgerbewegungen zu zwingen wie auch in die Parlamente und Stadträte neue Kräfte einziehen müssen. Die Mehrheit der Bürger sehen bereits im Gegensatz zu früher öffentliche Unternehmen als besser an und man will mehrheitlich Stadtwerke, Verkehrs- und Wohnungsgesellschaften als öffentliches Eigentum. Einige PPP-Projekte sind schon durch den Einsatz von Bürgerinitativen, der Gewerkschaften und der Linkspartei gekippt worden.

Mindestens 1.000 Konzessionsverträge für kommunale Energienetze laufen in den nächsten beiden Jahren aus; bisher konnten RWE und Konsorten auf eine fast automatische Verlängerung der für sie lukrativen Konzessionen hoffen, das hat sich jetzt geändert. Eigene Leitungsnetze, dezentrale Energieproduktion – die Erkenntnis des Wertes öffentlicher Infrastrukturen breitet sich aus. Da hat sich ein Konfliktfeld entwickelt, von dem die etablierten Parteien und Medien öffentlich nicht zu sprechen wagen.

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